Gegen die Corona-Krise: Für eine sofortige Umstellung der Produktion zur Sicherung unserer Gesundheit!

21.03.2020, Lesezeit 20 Min.
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Während die Infektionszahlen auch in Deutschland exponentiell steigen, antwortet die Bundesregierung mit der Betonung individueller Verantwortung, Milliardenzahlungen an Unternehmen und immer repressiveren Maßnahmen gegen die Bevölkerung. Ein wirklich wirksamer Notfallplan zur Zentralisierung der gesamten Gesundheitsversorgung existiert nicht. Dabei zeigt die Entwicklung der Situation auf internationaler Ebene, dass die ganze Wirtschaft im Kampf gegen das Coronavirus und die sozialen und ökonomischen Auswirkungen umgestaltet werden muss. Anstatt die Profite der Kapitalist*innen zu retten, brauchen wir die Arbeiter*innenkontrolle über die ganze Produktion. Erklärung der Revolutionären Internationalistischen Organisation.

Die historische Corona-Krise kombiniert eine Gesundheitskrise globalen Ausmaßes mit einer Wirtschaftskrise, die die Rezession der Krise 2008 weit übersteigen und zu einer weltweiten Depression führen könnte, und steigenden geopolitischen Spannungen und interimperialistischer Konkurrenz. Die Corona-Krise ist Katalysator einer sozialen und ökonomischen Krise, die tiefere und strukturelle Ursachen hat – und die Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von hunderten Millionen Menschen haben wird.

Auch in Deutschland steigen die Infektionszahlen aktuell rapide an (offiziell geprüfte Zahlen vom Robert-Koch-Institut): Während am 18. März noch 8.198 Infizierte registriert waren, waren es einen Tag später 10.999 (+2.801) und am 20. März Stand 0 Uhr 13.957 (+2.958). Damit steht das Wachstum der Infektionsraten dem Italiens zum gleichen Zeitpunkt der Infektionskette kaum etwas nach. Ein Blick in die Zukunft, was – auch angesichts der auch jetzt schon dramatischen Situation im deutschen Gesundheitssystem – in den nächsten Tagen auf uns zukommen kann.

In Zeiten scharfer Krisen beschleunigt sich das Tempo der Geschichte. Was noch vor wenigen Wochen – oder sogar Tagen – undenkbar schien, ist nun bereits Realität oder in unmittelbare Reichweite gerückt. Während die staatlichen Abschottungsmaßnahmen immer tiefer greifen und nicht nur in Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich polizeilich-militärische Ausgangssperren eingeführt wurden, sondern auch in Deutschland erste Städte, Landkreise und sogar Bundesländer abgeriegelt, Versammlungen verboten, der innerdeutsche Verkehr eingeschränkt wurden und auch eine bundesweite Ausgangssperre in den nächsten Tagen eine reale Möglichkeit darstellt, gibt es in vielen Ländern ebenfalls tiefgreifende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Diese bestehen bisher aus drei grundsätzlichen Maßnahmen: 1. die massenhafte Bereitstellung von staatlichen Geldern als Kredit oder direkte Subventionen für Unternehmen in Höhe von jeweils hunderten Milliarden Euro, mehr als zur Zeit der Finanzkrise 2008; 2. die Schließung von Geschäften, Kultureinrichtungen etc. bei gleichzeitiger Offenhaltung nicht nur versorgungskritischer Bereiche, sondern auch zentraler Bereiche der kapitalistischen Wertschöpfung; und 3. in begrenztem Maße der Eingriff in die private Gesundheitswirtschaft zur Bereitstellung von Betten und medizinischem Material. In Ausnahmefällen haben die Regierungen sogar Industriekonzerne angewiesen, ihre Produktion auf in der Corona-Krise notwendige Produkte umzustellen, und in einigen Fällen haben Konzerne selbst angefangen oder angeboten, das zu tun. Wer hätte sich letzte Woche vorstellen können, dass Konzerne wie General Motors oder Zara anbieten, Beatmungsgeräte und Mundschutz herzustellen?

Das zeigt uns, wie tief die aktuelle Krise schon ist und wie tief sie in den Augen der Kapitalist*innen noch werden kann. Sie bereiten sich auf eine „Kriegswirtschaft“ mit starken staatlich gelenkten Elementen, eine Art „Staatskapitalismus“, vor. Der zentrale Widerspruch ist dabei, dass diese Maßnahmen nicht dazu getroffen werden, um möglichst effizient die Gesundheitskrise in den Griff zu bekommen, sondern um die kapitalistische Profitmaschine so gut wie möglich am Laufen zu halten. Deshalb kündigte die EZB einen 750 Milliarden Euro großen Rettungsschirm an, Bundeswirtschaftsminister Altmaier versprach „unbegrenzte“ KfW-Kredite und massive Subventionen, Steuererleichterungen und Gesetzesänderungen, um die zentralen Sektoren der Ökonomie zu stützen. Und zugleich müssen Millionen von Menschen weiterhin zur Arbeit gehen, obwohl allerorts beschworen wird, soziale Distanz zu wahren und möglichst zuhause zu bleiben, und obwohl sie nicht in Bereichen arbeiten, die versorgungskritisch sind. Der Grund? Ihre Betriebe sind weiterhin geöffnet, weil ihre Bosse weiterhin Profit machen wollen.

Massive Tests statt mittelalterlicher Ausgangssperre!

Die Regierung und die bürgerlichen Medien wollen uns darauf vorbereiten, weitere Einschränkungen in unseren demokratischen Rechten hinzunehmen. In ihrer außerordentlichen Regierungsansprache betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch abend vor allem die individuelle Verantwortung und drohte damit, weitere demokratische Rechte zu beschneiden.

Dazu bemühte sie den Vergleich zur Nachkriegszeit: „Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“ Doch welche „Solidarität“ ist hier gemeint, wenn viele Betriebe und Fabriken weiterhin offen bleiben und Millionen Menschen weiterhin zur Arbeit gehen müssen, weil sie weiterhin ihre Miete, ihre Lebensmittel etc. bezahlen müssen? Nein, mit diesem „Churchill-Moment“ (FAZ) beschwörte Merkel die nationale Einheit, um Akzeptanz für alle kommenden Maßnahmen zu erlangen und Kritik schon im Vorhinein im Keim zu ersticken. Zugleich ist hier vor allem die „nationale“ Solidarität gemeint, wenn Geflüchtete weiterhin in Lagern gehalten werden, die Außengrenzen geschlossen werden und sogar Genehmigungsvorbehalte für den Export von Beatmungsgeräten eingeführt werden, was potenziell die Bereitstellung dieser lebenswichtigen Geräte in Länder mit scharfen Gesundheitskrisen verhindert. So führt der steigende Nationalismus der Bourgeoisien zu einer Verschärfung der Krise für Millionen von Menschen.

Die Ausgangssperre ist in einigen Städten und Landkreisen und in ganz Bayern schon Realität. Eine bundesweite Ausgangssperre könnte am Sonntag in einer Kabinettsbesprechung beschlossen werden. Doch dabei handelt es sich im 21. Jahrhundert um die Anwendung einer völlig mittelalterlichen Methode.

Dass Versammlungen mit vielen Menschen der Ausbreitung des Virus Vorschub leisten können, steht außer Frage. Aus epidemiologischer Sicht ist die Einschränkung zwischenmenschlicher Kontakte natürlich zweifelsohne dringend geboten. Gerade deshalb ist es auch tatsächlich sinnvoll, größere Menschenansammlungen zu vermeiden.

Jedoch sind generalisierte Ausgangssperren im Zeitalter der Digitalisierung und des wissenschaftlichen Fortschritts aus medizinischer Sicht absurd, viel effektiver wären massive Tests und Quarantäne für die tatsächlich Betroffenen. In Deutschland wurden im Vergleich zu vielen anderen Ländern schon mehr Tests durchgeführt, jedoch weit weniger als beispielsweise Südkorea, wo die Pandemie mithilfe massiver Tests eingedämmt wurde. In Deutschland sind wir noch weit entfernt von Massentests für die gesamte Bevölkerung, wie sie selbst die WHO fordert. Stattdessen werden wir darauf vorbereitet – ohne zu wissen, wo und wie sich das Virus ausbreitet –, verallgemeinerte Isolierungsmaßnahmen zu ergreifen. Das heißt, ohne zu wissen, ob die Orte und Menschen, die isoliert sind, auch die sind, die isoliert werden sollten. Das bedeutet, dass es keine ernsthafte Grundlage dafür gibt, zu wissen, wo die Gesundheitsressourcen konzentriert werden müssen und wo die schwerwiegendsten Fälle behandelt werden müssen.

Falls die Produktion und Verteilung von Tests nicht in ausreichendem Maße stattfindet, braucht es eine Untersuchungskommission unter Beteiligung der Gewerkschaften und Wissenschaftler*innen, die analysieren, welche Unternehmen ihre Produktion umstellen können, um die Tests herzustellen oder zu garantieren.

Gegen den Burgfrieden!

Die aktuelle Situation ist nicht nur gesundheitspolitisch ineffizient – und potenziell tödlich –, sondern birgt auch die Gefahr eines Sprungs in der Bonapartisierung und Militarisierung des Staates. In anderen Ländern wurde die Militärpräsenz auf den Straßen schon massiv erhöht, auch in Deutschland werden wir auf patrouillierende Bundeswehr-Einheiten und einen praktischen Belagerungszustand vorbereitet.

Vor dem Hintergrund ist die aktuelle „Burgfriedens“-Politik der Gewerkschaften und der Linkspartei kriminell. In vorauseilendem Gehorsam haben die Spitzen der Linkspartei jede grundsätzliche Kritik an der Politik der Regierung eingestellt. Die DGB-Gewerkschaften haben signalisiert, keinerlei Kampfmaßnahmen einzusetzen, um die sozialen Auswirkungen der Krise und die Angriffe auf die Arbeiter*innen in Form von Entlassungen, Lohnverlust etc. zu verhindern. Stattdessen wollen sie gemeinsam mit den Bossen verhandeln – doch Millionen von Arbeiter*innen werden weiter unter unsicheren Bedingungen arbeiten müssen. Um nur zwei verheerende Beispiele zu nennen: Die IG Metall hat sich gestern verpflichtet, 2020 keinerlei Lohnkampf zu führen (was bei einer möglichen Inflation in Folge der Corona-Krise fatal wäre). Der ver.di-Bundesvorstand hat erst Anfang März mit Hinweis auf den Coronavirus den Arbeitskampf bei der Charité Facility Management (CFM) bis auf Weiteres abgebrochenohne jegliche Mitbestimmungsmöglichkeit der Streikenden selbst. So wird der „Burgfrieden“ dazu führen, die jahrelangen Kämpfe der Beschäftigten erneut im Sande verlaufen zu lassen.

Dagegen sind die Beispiele des Widerstands der Arbeiter*innen aus dem Spanischen Staat oder aus Italien (oder selbst aus Österreich) sehr aufschlussreich: Obwohl längst eine Ausgangssperre etabliert worden war, mussten Millionen Menschen sich weiterhin in überfüllte U-Bahnen zwängen und zur Arbeit gehen. Erst auf Initiative der Arbeiter*innen selbst wurden mit (z.T. wilden) Streiks Ansteckungsherde geschlossen.

Der „Burgfrieden“ ist hingegen – besonders, wenn die Militarisierung voranschreitet – der vorherige Verzicht auf selbst die elementarste Verteidigung und lässt uns ohne Waffen. Doch wenn die aktuelle Krise dafür genutzt werden soll, Proteste zu verhindern oder unliebsame Maßnahmen autoritär und ohne Widerstand durchzusetzen, müssen wir uns trotzdem mobilisieren. Denn wenn wir gezwungen werden, auf die Straßen zu gehen, um uns und unsere Lebensbedingungen zu verteidigen, darf die Entscheidung, ob wir für unsere sozialen, demokratischen usw. Rechte kämpfen können oder nicht, nicht vom Staat und seinen Repressionsorganen getroffen werden. Deshalb müssen selbst bei Eingriffen in die Bewegungsfreiheit die Versammlungen von sozialen, gewerkschaftlichen usw. Organsationen weiterhin stattfinden dürfen, wenn diese Organisationen – beraten von Gesundheitsspezialist*innen – das für notwendig halten.

Zentralisierte internationale Koordinierung statt borniertem Föderalismus und Abschottung

Besonders absurd ist in der aktuellen Situation der herrschende bundesrepublikanische Föderalismus. Jedes einzelne Bundesland und in einigen Fällen sogar jede einzelne Kommune entscheidet selbst über zu treffende Maßnahmen, es gibt überall unterschiedliche Regelungen zu Schließungen, Kompensationen, Kinderbetreuung usw.. Und auch die Gesundheitsversorgung selbst ist extrem föderalisiert, wenn sie nicht sogar vollständig privatisiert wurde. Zugleich werden die nationalstaatlichen Grenzen geschlossen und an den EU-Außengrenzen werden zehntausende Menschen in Lagern festgehalten, wo die Ansteckungsgefahr für sie extrem ist. Diese Art der Abschottung hilft nicht bei der Eindämmung des Virus, sondern verdammt zehntausende Menschen zum Tod.

Ein zentralisierter Gesundheitsplan zur Bekämpfung des Virus existiert auf bundesweiter Ebene nicht – und schon gar nicht auf internationaler Ebene, wo dies angesichts der weltweiten Ausbreitung der Pandemie doch notwendig wäre. So wird sogar die Forschung an einem Impfstoff gegen das Coronavirus zu einer Angelegenheit interimperialistischer Konkurrenz.

Das zeigt den verfaulten Charakter der imperialistischen Staaten und der EU angesichts dieser Krise: Anstatt dass der Staatenverbund zur internationalen Koordination der Forschung und der Gesundheitsversorgung eingesetzt wird, schottet sich jedes Land zunehmend selbst ab und konkurriert auch noch mit den anderen Ländern um medizinisches Material. Während die Grenzen für Personen und für lebenswichtige Güter wie Beatmungsgeräte geschlossen werden, sollen sie für den Export von Autos und anderen Waren weiter offen bleiben. Zugleich verschärft sich der reaktionäre Nationalismus der imperialistischen Staaten, die die Schließung der Grenzen mit einer inneren Bonapartisierung und dem „Alarmzustand“ gegenüber dem „äußeren Feind“ kombinieren.

Sollte nicht jede Forschung an einem Coronavirus-Impfstoff sofort und frei verfügbar für alle Labors auf der Welt sein, damit möglichst viele Forscher*innen gleichzeitig Tests machen, Ergebnisse auswerten und mögliche Impfstoffe liefern und verbessern können? Laut dem Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) gibt es mindestens 46 Unternehmen und Forschungseinrichtungen (Stand 17. März 2020), die an Coronavirus-Impfstoffen arbeiten – jedoch fast alle voneinander getrennt.

Das ist nicht nur ein Risiko für Millionen von Menschenleben, sondern auch noch äußerst ineffizient. Eine umfassende Kooperation, bei der alle Forschungsstände und Zwischenergebnisse miteinander geteilt werden, würde eine viel schnellere Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen ermöglichen. Doch das ist nicht gewollt. Denn in der kapitalistischen Logik gewinnt am Ende die Firma oder das Institut, das den Impfstoff patentiert und sich so Milliardenprofite sichert.

Das reiht sich ein in die jahrelange neoliberale Kürzungs- und Privatisierungspolitik im Gesundheitssystem im Interesse privater Investor*innen und Aktionär*innen. Im Profitinteresse wurden das DRG-/Fallpauschalen-System eingeführt, massive Ausgliederungen zum Zwecke des Lohndumpings und der Tarifflucht betrieben, Kliniken privatisiert und vieles mehr. Zugleich feierte der aktuelle Gesundheitsminister Jens Spahn noch 2018 die Schließung von über 600 Notfallambulanzen.

Gegen diese Politik von Kürzung, Outsourcing und Privatisierung lehnen sich Beschäftigte der Krankenhäuser und ihrer ausgegliederten Tochterunternehmen seit Jahren auf. Sie kämpfen bereits seit Langem für Verstaatlichungen oder Rekommunalisierungen von Krankenhaustöchtern – zum Teil erfolgreich wie bei den Therapeut*innen von Charité und Vivantes in Berlin –, und zwar häufig gegen die verantwortlichen Regierungen selbst, die Versprechungen machen (wie der rot-rot-grüne Senat in Berlin), aber keinerlei Taten folgen lassen.

Angesichts dieser konkreten Kampferfahrungen der letzten Jahre ist ersichtlich, dass die Regierung von alleine keine Maßnahmen im Interesse der Bevölkerung und der Arbeiter*innen treffen wird. Stattdessen braucht es einen Kampf der Beschäftigten selbst, in dem sie die gesamte Bevölkerung mit einem hegemonialen Programm hinter sich sammelt. In dieser Situation des Coronavirus-Notstands beinhaltet das, die Pharmaunternehmen ohne jegliche Entschädigung zu verstaatlichen und alle Bereiche der medizinischen Forschung unter die Kontrolle von Fachleuten und Techniker*innen zu stellen. Patente auf Medikamente müssen abgeschafft und die medikamentöse Versorgung aller Menschen, die sie benötigen, staatlich und kostenfrei sichergestellt werden. Alle Labors, die Tests produzieren und an Impfstoffen forschen, müssen dazu gezwungen werden, ihre Zwischenergebnisse zu koordinieren und ihre Tests und Impfstoffe frei und kostenlos verfügbar zu machen – und zwar weltweit, damit Länder, in denen die Pandemie erst beginnt, sich diese zu Nutzen machen können.

Dazu braucht es eine Zentralisierung des gesamten Gesundheitssystems unter einen zentralisierten Gesamtplan – demokratisch kontrolliert von den Arbeiter*innen –, einschließlich der Labors, Privatkliniken, der Produzent*innen von medizinischen Hilfsmitteln, Handschuhen, Desinfektionsmitteln etc., in der Perspektive ihrer vollständigen und entschädigungslosen Enteignung unter öffentlicher Verwaltung und demokratischer Kontrolle von Arbeiter*innen und Spezialist*innen. Dazu gehört auch die massenhafte Bereitstellung von Testkits, Intensivbetten mit Beatmungshilfen usw., um die gesamte Bevölkerung umfassend versorgen zu können, sowie die sofortige Organisation des gesamten notwendigen medizinischen und pflegerischen Personals (einschließlich Schulungen von Medizin- und Krankenpflegestudierenden).

Das gesamte Gesundheitssystem muss von Ausschüssen von Gesundheitspersonal und Patient*innen kontrolliert werden. Diejenigen Unternehmen, die weiterhin produzieren müssen, um die Gesundheitskrise zu bewältigen und lebenswichtige Güter und Dienstleistungen – wie Transport, Energie, Supermärkte oder andere Dienstleistungen – bereitzustellen, müssen unter die Kontrolle von Gesundheits- und Sicherheitsausschüssen gestellt werden, die Schichten, Sicherheitsmaßnahmen und Neueinstellungen kontrollieren können. Volle Arbeits- und Gewerkschaftsrechte sind dabei zu gewährleisten.

Die Kontrolle in die Hände der Arbeiter*innen legen

Angesichts der Corona-Pandemie wird die Notwendigkeit einer zentralisierten, demokratisch kontrollierten Planwirtschaft immer deutlicher. Die kapitalistischen Staaten haben in Zeiten der extremen Krise immer wieder darauf gesetzt, Teile der kapitalistischen Ökonomie in Form einer “Kriegswirtschaft” zu verstaatlichen, weil sie die Notwendigkeit der Zentralisierung und Kontrolle in der Krise erkannt haben. Auch heute spricht beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) davon, im Notfall für die Infrastruktur kritische Unternehmen zu verstaatlichen. Die spanische Regierung hat bereits eine teilweise Verstaatlichung der privaten Gesundheitskonzerne beschlossen. Doch sie tun dies nur im Interesse der Rettung der kapitalistischen Profite – und der Verstaatlichung der Verluste, die später die große Masse der Bevölkerung zurückzuzahlen gezwungen wird, wie es auch bei der letzten weltweiten Krise 2008/9 der Fall war.

Die Weigerung des Staates, einen zentralisierten Gesundheitsplan umzusetzen, und die Vorankündigung von bundesweiten Ausgangssperren stehen dem Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung direkt entgegen. Währenddessen bleiben die Gewinne und die Interessen des Großkapitals, d.h. derjenigen, die die zur Lösung dieser Situation erforderlichen Mittel und Ressourcen monopolisieren, unangetastet.

Es macht nicht den geringsten Sinn, dass diejenigen, die Minderjährige oder Angehörige betreuen müssen oder zu einer Risikogruppe gehören, weiterhin täglich zu ihrem Arbeitsplatz fahren. Für sie alle ist es notwendig, von den Unternehmen volle Löhne und bezahlte Freistellung zu fordern. Hilfe oder flexible Arbeitszeiten reichen nicht aus und bedeuten eine Verringerung des Einkommens dieser Familien. Die Regelungen zur Kurzarbeit werden ebenfalls massive Einkommenseinbußen bedeuten. Erzwungene Stundenreduzierung ohne Bezahlung oder Entlassungen sind ein direkter Angriff auf die Lebensbedingungen. Doch genau das passiert aktuell in hunderttausenden Fällen.

Es macht auch keinen Sinn, weiterhin in Bereichen zu arbeiten, die nur auf die Profite der Bosse ausgerichtet sind. Jedoch könnten viele dieser Unternehmen unter sicheren Bedingungen weiterarbeiten, und zwar nicht, damit ihre Bosse weiterhin reich werden könnten, sondern damit sie in den Dienst der Bewältigung der großen gesundheitlichen und sozialen Probleme gestellt werden können, die sich aus dieser Krise ergeben.

Nicht nur aktuell versorgungskritische Bereiche könnten so in den Dienst der Bewältigung der Corona-Krise gestellt werden, sondern die gesamte Wirtschaft könnte unter Kontrolle der Arbeiter*innen umorganisiert werden. Automobilfabriken könnten Beatmungsgeräte produzieren, Textilfabriken könnten Masken und Schutzanzüge produzieren, Chemiekonzerne könnten die notwendigen Chemikalien für Tests, Desinfektionsmittel etc. herstellen. Die Arbeiter*innen (insbesondere die jungen Arbeiter*innen, die nicht zur Risikogruppe gehören) könnten alles produzieren und verteilen, was für das Leben von Millionen notwendig ist und dabei die allgemeine Kontrolle der Arbeiter*innen über alle gesundheitlichen und wirtschaftlichen Initiativen der Regierungen ausüben. Gleichzeitig kann die Kontrolle der Arbeiter*innen, ausgehend von den Arbeiter*innen in Geschäften, Supermärkten oder in der Industrie für lebenswichtige Güter, auch gegen Spekulant*innen angewandt werden, die ein Monopol ausüben oder die Preise von Produkten, die unentbehrlich geworden sind, erhöhen.

Zugleich könnte so ein großes Zeichen internationaler Solidarität praktiziert werden: Die deutsche Industrie könnte genügend Mittel herstellen, um viele Länder, die jetzt schon oder in Zukunft von der Corona-Pandemie betroffen sein werden, zu versorgen. Denn besonders in peripheren, halbkolonialen Ländern wird die Krise besonders viele Menschenleben fordern. Eine Produktion unter Arbeiter*innenkontrolle könnte dem Abhilfe schaffen, wenn sie alle verfügbaren Ressourcen in die Umgestaltung der Wirtschaft zu diesem Zweck steckt.

11 Notfallmaßnahmen der Arbeiter*innenklasse, um die Pandemie zu bekämpfen

1) Außerordentliche Haushaltsspritze für die öffentliche Gesundheit. Drastische Sondersteuern auf Gewinne und Vermögen der Unternehmen und Reichen zur Finanzierung aller Auswirkungen der Krise.

2) Massive Tests für die gesamte Bevölkerung. Kostenfreie Sicherstellung der medikamentösen Versorgung aller Menschen. Abschaffung von Patenten auf Impfstoffe und Medikamente. Alle Labors, die Tests produzieren und an Impfstoffen forschen, müssen dazu gezwungen werden, ihre Zwischenergebnisse zu koordinieren und ihre Tests und Impfstoffe weltweit frei und kostenlos verfügbar zu machen.

3) Beschlagnahmung aller privaten Ressourcen, die für eine angemessene medizinische Versorgung und Untersuchung der Bevölkerung erforderlich sind. Verstaatlichung ohne Entschädigung und unter Kontrolle der Arbeiter*innen der privaten Gesundheitsversorgung, Labors und Unternehmen, die Medikamente und Elemente der Pflege und Prävention zur Bekämpfung der Pandemie herstellen.

4) Umstellung der gesamten industriellen Produktion unter Arbeiter*innenkontrolle auf notwendige Produkte wie Beatmungsgeräte, Schutzkleidung, Desinfektionsmittel. Demokratisch kontrollierte Verteilung dieser und anderer lebenswichtiger Güter. Internationale Koordinierung der Verteilung anstatt nationaler Abschottung.

5) Gesundheits- und Sicherheitsausschüsse von Beschäftigten und Patient*innen zur Kontrolle des gesamten Gesundheitssystems und aller Unternehmen, die weiterhin für die Bewältigung der Gesundheitskrise und die Produktion lebenswichtiger Güter und Dienstleistungen – wie Transport, Energie, Supermärkte oder andere Dienstleistungen – tätig sein müssen.

6) Verbot von Entlassungen und Lohnkürzungen. Bezahlte Freistellung für alle Arbeiter*innen in nicht wesentlichen Sektoren, die nicht umgestaltet werden können.

7) Verkürzung der Arbeitszeit bei gleicher Bezahlung in wesentlichen Bereichen der Versorgung und medizinischen Versorgung. Unverzügliche Eingliederung und Entfristung des erforderlichen Personals bei gleichzeitiger Bereitstellung von Mitteln zur Gesundheitssicherheit. Dafür müssen nötige Aufgaben übernommen werden, die das Personal entlasten. So können Hilfskräfte angelernt (und eingegliedert!) werden, die das Pflegepersonal von Aufgaben entlasten. Outsourcing soll beendet werden, Leute in die Pflege zurück geholt werden.

8) Enteignung aller leerstehenden Häuser und Wohnungen und Hotels zur Bereitstellung von Zimmern für die Versorgung von Patient*innen. Moratorium auf alle Mieten und Grundversorgung wie Strom, Wasser, Heizung, Aussetzung von Kreditzahlungen etc. Aussetzung aller Zwangsräumungen.

9) Keine Militarisierung unserer Straßen, keine mittelalterlichen Ausgangssperren, kein Burgfrieden! Versammlungen von sozialen, gewerkschaftlichen usw. Organisationen müssen weiterhin stattfinden dürfen, wenn diese Organisationen – beraten von Gesundheitsspezialist*innen – das für notwendig halten. Streiks und Widerstand gegen jegliche Entlassung, Aufstellung eines überbetrieblichen und überregionalen gewerkschaftlichen Netzwerks mit Delegierten aus den Betrieben, um die Forderungen der Krankenhäuser zu zentralisieren und einen Kampfplan zu erstellen.

10) Aussetzung aller Abschiebungen, sofortige Freilassung aller Personen in Abschiebegefängnissen und Lagern, dezentrale Unterbringung. Sofortige Aufnahme aller Geflüchteten an den EU-Außengrenzen. Aussetzung aller Auswirkungen der Ausländergesetze, die Sanktionen bedeuten können. Deckung aller Grundbedürfnisse von Obdachlosen und Geflüchteten.

11) Streichung aller Schulden der halbkolonialen Länder und Umwidmung des gesamten Militäretats in das Gesundheitswesen. Streichung aller Sanktionen gegen Iran, Venezuela und Kuba.

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