Wagenknecht lobt die Schläger*innen des bürgerlichen Staates

14.07.2017, Lesezeit 4 Min.
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Am Dienstag hat Sahra Wagenknecht, eine der beiden Spitzenkandidat*innen der Linkspartei im September, der Springer-Presse ein bemerkenswertes Interview gegebenen. Zur Auswertung der G20-Proteste greift sie jede noch so absurde Behauptung der Polizei und der bürgerlichen Presse auf.

Letzten Samstag waren fast 100.000 Menschen auf den Straßen Hamburgs – eine der größten Demonstrationen seit Jahren. Doch in der deutschen Presse ist kaum ein Wort darüber zu finden. Stattdessen geht es um die Krawalle im Schanzenviertel am Freitagabend – ein Riot, den die Polizei selbst provoziert hat.

Katja Kipping, Parteichefin der Linkspartei, hatte das Offensichtliche festgestellt: „Die Eskalation ging eindeutig von den Behörden aus.“ Das war der Tenor in jeder seriösen Zeitung in Deutschland.

Doch Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin der Linkspartei für die Bundestagswahlen im September, wiederholt die Hetze der Regierung und der Boulevardpresse – nicht zufällig in einem Interview mit der Springerpresse.

In Hamburg haben wir vor allem marodierende Gewalttäter gesehen, die mutwillig Straßen verwüstet, Autos angezündet, Polizisten verletzt und Anwohner bedroht haben. Das hat mit links und dem Eintreten für eine gerechte Weltordnung gar nichts zu tun. Da waren kriminelle Gewalttäter am Werk, nichts anderes.

In der Tat haben wir marodierende Gewalttäter gesehen: Sie waren vermummt und bewaffnet, sie trugen schwarz, und auf ihrer Kleidung stand die Aufschrift „Polizei“. Die Polizei hat demokratische Grundrechte außer Kraft gesetzt und unzählige Menschen verletzt, Dutzende davon schwer. Doch Wagenknecht verliert kein Wort darüber. Sie interessiert sich kein bisschen dafür, dass die Polizei eine angemeldete und friedliche Demonstration mit 10.000 Teilnehmer*innen äußerst brutal auseinander trieb. Stattdessen bläst sie ins gleiche Horn wie SPD, CDU und AfD.

Bei den Ausschreitungen später kann selbstverständlich niemand behaupten, dass die Gewalt von der Polizei ausging. Im Gegenteil, 500 verletzte Polizisten sprechen eine deutliche Sprache.

Hier greift Wagenknecht die völlig absurden Zahlen der Polizei auf. Unter den angeblich „verletzten“ Bullen befinden sich 130, die ihr eigenes Tränengas einatmeten. Ebenfalls mit eingerechnet sind Bullen, die einen Motorradunfall bauten oder aufgrund ihrer schwarzen Uniform einen Sonnenstich bekamen. So weit wir das bisher ermitteln konnten, musste kein*e einzige*r Polizist*in stationär im Krankenhaus behandelt werden. Im Vergleich dazu gab es viele Demonstrant*innen mit Platzwunden und Knochenbrüchen. Auch das scheint Wagenknecht nicht zu interessieren.

Wagenknecht ist sicherlich nicht doof. Sie weiß, dass die Darstellung in der bürgerlichen Presse – ihre eigene Darstellung – nicht der Wahrheit entspricht. Ihr Kalkül ist jedoch, dass sie mit solchen Aussagen rechte Wähler*innen für die Linkspartei gewinnen kann. „Dieses Pack können wir auch unter einer linken Regierung vermöbeln“ – das ist ihre Botschaft. Und das stimmt. Die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern denunziert die angeblichen Randalierer. Und die Linkspartei in Berlin trägt die politische Verantwortung für stundenlange Polizeischikane gegen Aktivist*innen auf dem Heimweg.

Einige tausend Mitglieder der Linkspartei waren gegen die G20 auf der Straße. Das ist gut. Aber warum sollen sie jetzt Wahlkampf machen für zwei Spitzenkandidat*innen, Wagenknecht und Bartsch, die gewalttätige Bullen loben und Demonstrant*innen denunzieren? Diese zwei bürgerlichen Politiker*innen, die das kapitalistische System sehr ausdrücklich loben, stehen nicht zufällig an der Spitze der Linkspartei. Ihr Sozialchauvinismus ist repräsentativ für eine Partei, die um jeden Preis in eine bürgerliche Regierung will.

Wir brauchen eine linke Partei, die eindeutig auf der Seite der Demonstrant*innen steht – und die Zerschlagung der bürgerlichen Polizei fordert. Wir brauchen eine linke Partei, die im Sinne Rosa Luxemburgs die Teilnahme an einer bürgerlichen Regierung ablehnt und stattdessen für eine revolutionäre Arbeiter*innenregierung kämpft.

Wagenknecht erlaubt sich so viele chauvinistische Sprüche, weil sie sicher sein kann, dass viele linke Aktivist*innen – auch solche mit revolutionär-marxistischem Selbstverständnis – trotzdem einen engagierten Wahlkampf für sie machen werden. Linke Mitglieder der Linkspartei sollten den Sozialchauvinist*innen einen Strich durch die Rechnung machen und auf den Aufbau einer revolutionären Partei zielen.

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