Die Polizei hat die Bilder aus dem Schanzenviertel selbst produziert

08.07.2017, Lesezeit 5 Min.
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In der Nacht von Freitag auf Samstag stand das Schanzenviertel unter Flammen. Brennende Barrikaden und harte Straßenschlachten verwandelten das Viertel in ein Schlachtfeld. Nachdem auch Plünderungen stattfanden, kam ein Sondereinsatzkommando der Polizei mit gezogenen Maschinenpistolen und verfolgte die Aktivist*innen mit Tränengas und bis in die Häuser hinein.

Rauchwolken, die über der Schanze aufsteigen, lodernde Feuer und Explosionen in der Schulterblatt-Straße, dazu Plünderungen: Mit diesen Bildern versucht der Staat die Proteste gegen G20 zu delegitimieren und alle Demonstrant*innen als Terrorist*innen darzustellen. Bilder, die die Bild-Zeitung nutzt, um mehr Repression zu fordern und das heilige Privateigentum zu schützen – denn um nichts anderes geht es ihnen. Jegliche Proteste, die sich gegen das Privateigentum reicher Kapitalist*innen richtet, zu kriminalisieren und zu zerschlagen.

Klar: Plünderungen haben nichts mit Enteignung der Produktionsmittel zu tun. Wir wollen nicht nur ein IPhone, wir wollen die ganze Fabrik. Wir wollen eine Welt ohne Ausbeutung. Eine Welt, in der wir Arbeiter*innen die Quelle des Wohlstandes kontrollieren: die Produktionsmittel. Durch Plünderungen kommen wir diesem Ziel nicht näher. 

Doch die Bilder von der gestrigen Nacht hat die Polizei selber produziert. Von Tag zu Tag steigerte sie ihre Repression. Angefangen mit Schlafentzug für Aktivist*innen durch das Verbot von Protestcamps, bis hin zu der brutalen Repression, die Anfahrt der Gipfelteilnehmer*innen zu behindern. Mit ihren provokanten Einsatz im Schanzenviertel brachten sie den Konflikt zur Eskalation. 

Der Neue Pferdemarkt war schon seit dem letzten Wochenende eine Straßenkreuzung von der immer wieder Repression ausging. Gestern stellten sie provokant sechs Wasserwerfer und ein Großaufgebot an Polizei neben einer dort stattfindenden Kundgebung. Die Annäherung an die vermeintliche Straßensperre – die keine war – beantwortete die Polizei mit Wasserwerfern. Selbst als alle Menschen auf den Bürger*innensteigen waren, liefen die Wasserwerfer weiter und trafen auch unbeteiligte Menschen.

Daraufhin flogen erst vereinzelt, später massiv Flaschen und Steine. Demonstrant*innen mischten sich mit Partygästen, die ihren Freitag Abend trinkend im Partybezirk Schanzenviertel verbrachten. Nach dem Verbot der 20 Uhr-Demo begann die Polizei massiv und wahllos Passant*innen anzugreifen. Die zahlreichenden Wasserwerfer richteten sie gegen Passant*innen, aber nicht gegen die brennenden Mülltonnen. Ebenso wenig wurden die Plünderungen unterbunden.

Bilder, die den Protest delegitimieren sollten und die Meinung der Hamburger*innen, die sich in den letzten Tagen mehr und mehr zum Gunsten der Protestierenden verschob, gegen die Proteste kippen sollten. Und die einen Schrei nach noch mehr Repression und Verfolgung von Linken auslöste.

Hass der Bevölkerung

All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Hass eines Großteils der Hamburger Bevölkerung auf das Treffen der G20 ungebrochen ist. Zur internationalen Großdemo am Samstag werden 100.000 Menschen erwartet; die unfassbare Polizeigewalt der letzten Tage zeigte, dass die Staatsmacht kein Interesse daran hatte, die Proteste ungehindert stattfinden zu lassen.

Doch keinerlei Konsequnzen erfolgten. Ganz im Gegenteil: Die Polizei inszenierte sich als jammerndes Opfer, das bundesweit nach noch mehr Verstärkung rief. Um es immer wieder zu betonen: Es ist der Staat, von dem die Aggression ausgeht und der nicht erst seit zwei Tagen die lokale Bevölkerung mit Hubschraubern, massiver Präsenz und Einschüchertung terrorisiert.

Die endlose Gewaltfrage

Die Anbeter*innen der Bourgeoisie sind nun aufgeschreckt. Ein paar zersplitterte Scheiben und Flaschen scheinen in dieser kapitalistischen Gesellschaft inkl. der bürgerlichen Medien für mehr Aufsehen zu erregen als Demonstrationsverbote, teilweise schwere Verletzungen der Protestierenden, SEK-Einsätze mit gezogenen Maschinenpistolen oder schlicht und einfach der Tatsache, dass für diesen Gipfel rund 150 Millionen Euro verpulvert werden. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das Bündnis „Block G20“ berichtete, dass die Polizei „uns den ganzen Tag geschlagen und mit Wasserwerfern attackiert“ hat.

Von der Staatsmacht geht eine permanente Gewalt aus, die sich in Form der Ausbeutung in den Betrieben seitens der Unternehmen fortsetzt.

Zudem wurden in dieser Nacht nicht nur die Aktivist*innen angegriffen, sondern auch viele Journalist*innen. Bei der Pressekonferenz wurde erwähnt, dass „sechs Journalist*innen ihrer Akkreditierung entzogen wurden“, so Renate Angstmann-Koch. Müßig zu erwähnen, dass es ausschließlich linke Medienvertreter*innen sind. Sexistische Beleidigungen seitens der Polizei fanden ebenso statt neben weiteren Angriffen auf sie.

Die Nacht der Barrikaden in Hamburg hat nochmals gezeigt, dass dieser G20-Gipfel gescheitert ist. Die beiden Hamburger Politiker Olaf Scholz als Bürgermeister und Andy Grote als Innensenator (beide SPD) sollten sofort gemeinsam mit der rot-grünen Koalition ihren Rücktritt erklären. Ebenso fordern wir die sofortige Einstellung aller Verfahren gegen Aktivist*innen sowie ihre Freilassung.

Durch den Diskurs über die Gewaltfrage wird weiterhin versucht, die Proteste zu spalten und sie in gute und schlechte, friedliche und gewalttätige Protestierende zu unterteilen. Doch dieser Versuch wird scheitern, weil das Verhalten des Staates zu offensichtlich skandalös ist. Die massiven Attacken der letzten Tage haben dazu geführt, dass sich noch mehr Menschen solidarisiert haben; trotz einer monatelangen beispiellosen Hetze gegen die Proteste werden am Samstag massenhaft Menschen auf die Straßen gehen!

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