Mietendeckel: Justiz urteilt, RRG-Polizei prügelt

16.04.2021, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Simon Zamora Martin

Am gestrigen Tag mobilisierten sich über 15.000 Menschen in den Straßen Berlins um gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts gegen den Mietdeckel zu demonstrieren. Dem Urteil folgte der Einsatz von Reizgas, Tritten und Schläge durch den Polizeiapparat.

Der Mietendeckel Berlins, welcher als „Notbremse“ gegen den Mietenwahnsinn eingesetzt wurde, wurde gestern mit einem Urteil des Bundesverfassungsgericht juristisch begraben. Die Maßnahme, die eine schrittweise Verbesserung der Mietsituation anstrebte, bedeutete für die Bewohner:innen von 1,5 Millionen betroffenen Wohnungen Absenken und Einfrieren ihrer überteuerten Mietkosten. Eine Maßnahme, die für viele Menschen mitten in der Pandemie, von existentieller Bedeutung war.

Die Argumentation des Gerichts, welche auf föderale Entscheidungsbefugnisse fußt, steht im heuchlerischen Kontrast zur willkürlichen Corona-Politik der Bundes- und Landesregierungen. Das Urteil offenbart die wahre Funktion der Justiz im bürgerlichen Staat: Sie vermag es den Föderalismus zu koordinieren um Profite, nicht aber um Menschenleben zu schützen. Es urteilt für die Profite der Immobilienkonzerne und gegen das Recht auf Wohnraum. Im gleichen Sinne kann man ihre totale Zurückhaltung in der gegenwärtigen Gesundheitskrise als die Verteidigung der Profite der Pharmaindustrie deuten. Die Justiz verhindert, dass man ihren Besitz antastet und folgt damit nicht dem Motto „ Die Würde des Menschen ist unantastbar“, sondern eher „Die Würde des Profits ist unantastbar“.

Dieses unterdrückerische Leitmotiv beschränkte sich jedoch nicht auf juristische Papiere, denn aus diesen folgten Taten. Als die Berliner Massen, von denen der Großteil junge Menschen waren, sich ihrem Zielort, dem Kottbusser Tor, näherten, begann eine handgreifliche Auseinandersetzung mit der Polizei der RRG-Regierung. Diese Antwortete nach eigenem Bericht folgendermaßen: „kam es erneut zu Flaschenwürfen und körperlichen Angriffen auf Einsatzkräfte, wogegen sich diese mit Anwendungen unmittelbaren Zwanges durch Schieben und Drücken, Tritten und Schlägen sowie dem Einsatz von Reizgas wehren und mehrere Personen festnehmen mussten.“ Die Polizist:innen waren aber keineswegs Opfer der Demonstrierenden und ihrer Schilderungen verdrehen nur die Realität.

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Die zahlreichen Videos auf Twitter und einige Augenzeugen schildern ein anderes Szenario. Die Taten fanden statt, aber in einem anderen Verhältnis.

Die Täter-Opfer-Darstellung wird noch absurder, wenn man berücksichtigt, dass die Polizei 48 Menschen mit ihrer Prügelei und Einkassierung festnahm. Gegen die Festgenommenen wird nun juristisch vorgegangen.

Der gestrige Tag offenbarte somit vieles, das zuvor für viele Menschen nicht offensichtlich war: Der unterdrückerische Charakter der Justiz und der Polizei als moralischer und gewalttätiger Beschützerinnen des Profits, aber auch die Empörung, die sich in der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend seit Monaten anhäuft. Die Massenmobilisierung war, trotz der staatlichen Repression, ein Erfolg. Diese muss ein Beispiel für die Millionen von Menschen sein, die heute unbezahlbaren Mieten ausgesetzt sind.

Die RRG-Regierung, die zur Vorbereitung ihrer jeweiligen Wahlkampagnen schnellstmöglichst versucht die Empörung aus den Straßen zu treiben, stand nur vereinzelt in der Masse und ist für die polizeiliche Repression politisch mitverantwortlich. Der Kampf gegen den Mietenwahnsinn, besonders im Rahmen der Kampagne zu „Deutsche Wohnen und co. Enteignen“, darf sich nicht auf den juristischen Rahmen beschränken. Die Mobilisierung muss, zusätzlich zu dem Sammeln von Unterschriften, ein wesentlicher Bestandteil der Kampagne sein. Zusätzlich müssen die Betriebsversammlungen, die im Rahmen der Kampagne von IG Metall und Verdi einberufen wurden, aufhören bloß zu informieren und zu wahren demokratischen Mitteln der Beschäftigten werden. Nur so können wir mit Mitteln wie Streiks der Repression eine reale Kraft entgegensetzen. Gegen solche politische Streiks – die oftmals als verboten dargestellt werden, obwohl diese Annahme nur auf einem richterlichen Beschluss von 1952 fußt -,  würden ihre Schläge und Reizgase wie ein Armutszeugnis ausschauen.

 

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