Freedom Flotilla: Bewegung von Gaza bis zum Hafen

Die Bilder der Mobilisierungen von gestern Abend geben Hoffnung. Während Israel zwölf Aktivist:innen der Freedom Flotilla festgenommen hat und die Armee ihren Völkermord gegen die Bewohner Gazas verschärft, müssen diese Mobilisierungen an Umfang gewinnen. Eine Aufgabe, bei der die Arbeiter:innenbewegung eine entscheidende Rolle spielt.
Gestern Abend sind in ganz Europa zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität mit den zwölf Aktivist:innen der Freedom Flotilla zu bekunden, die in der Nacht von Sonntag auf Montag 57 Kilometer vor der Küste Gazas von einem israelischen Kommandounternehmen festgenommen und sofort in ein Gefängnis in der Nähe des Hafens von Ashdod gebracht wurden.
Die Besatzung der Madleen wurde in internationalen Gewässern abgefangen und wollte die seit 2006 verhängte Blockade des Gazastreifens durchbrechen, mit der die palästinensische Bevölkerung ausgehungert werden soll. Auf Aufruf der Freedom Flotilla fanden überall in Europa dutzende Kundgebungen und spontane Demos statt, ganze Plätze waren überfüllt mit Demonstrant:innen.
Aber die Wut, die die Verhaftung von Rima Hassan, Greta Thunberg und anderen Aktivist:innen der Madleen hervorruft, hat noch viele andere Gründe. Seit März hat Israel seine Völkermordoperationen deutlich beschleunigt, mit einem Plan, der am 6. Mai vom Kriegskabinett gebilligt wurde: Die Bewohner Gazas sollen in den Ruinen von Rafah konzentriert werden, bevor sie deportiert oder, schlimmer noch, ausgerottet werden.
Israel hat einen besonders grausamen Mechanismus eingerichtet: Wenn die massiven Bombardements, die auf den Gazastreifen niedergehen, nicht ausreichen, um die Bevölkerung zur Flucht zu zwingen, wird die Hungersnot dies tun. Die Armee hat im Süden Konzentrationslager für die Verteilung von Lebensmittelhilfen errichtet, um die Bewohner:innen Gazas dorthin zu bringen. Oftmals endet die Verteilung in Massakern, bei denen die Armee wie in Tal al-Sultan das Feuer auf die hungernde Bevölkerung eröffnet. Israel bewaffnet auch Banden in den von ihm kontrollierten Gebieten, um die wenigen humanitären Lastwagen zu plündern, die es aufgrund des internationalen Drucks einlassen muss.
Gleichzeitig unterstützen die europäischen Staats- und Regierungschefs, allen voran Merz und Macron, Israel weiterhin bedingungslos. Ohne Reaktion auf den Piratenakt gegen die Madleen haben diese Staatschefs sogar darauf verzichtet, den palästinensischen Staat anzuerkennen, ein heuchlerisches Versprechen, das sie vor einigen Wochen inmitten zaghafter Kritik an den israelischen Verbrechen in Gaza abgegeben hatten.
Denn wenn Macron und seine Gefolgsleute ihre Meinung ändern, dann sicherlich nicht aus Mitgefühl für das Leiden des palästinensischen Volks, sondern um die Interessen ihres jeweiligen Imperialismus in der Region zu schützen, da das Massaker in Gaza zu massiven Mobilisierungen der Arbeiter:innen im Nahen und Mittleren Osten führen könnte. Gleichzeitig gehen sie weiterhin brutal gegen Unterstützer:innen des palästinensischen Volkes und Stimmen vor, die den Völkermord anprangern, wie Anasse Kazib, dessen Prozess am 18. Juni stattfindet, Rima Hassan und viele andere.
Während die Bewohner Gazas – und alle Palästinenser:innen in den besetzten Gebieten und in Israel – von der Vernichtung bedroht sind und die imperialistischen Mächte den Staat Israel weiterhin bedingungslos unterstützen, sind die Mobilisierungen vom Montag eine absolute Notwendigkeit.
Mobilisierungen, die auch auf der anderen Seite des Atlantiks wieder aufleben. Während Trump die Nationalgarde und die Marines entsendet, um die Mobilisierungen gegen die Abschiebungen und die Anti-Migrant:innen-Offensive, die in Los Angeles ausgebrochen sind, zu unterdrücken versucht , taucht die Solidaritätsbewegung mit Palästina an den Universitäten, insbesondere in Harvard und Columbia, wieder auf.
Vor allem in den letzten Tagen haben sich bestimmte Sektoren der Arbeiter:innenbewegung in den Kampf eingeschaltet: Die Hafenarbeiter:innen in Frankreich setzen ihre heldenhaften Aktionen zur Blockade von Waffenlieferungen an Israel fort. Eine Initiative, der sich die Hafenarbeiter von Genua und Piräus nach denen von Tanger angeschlossen haben. Die Welle der Solidarität mit der Flottille muss sich in neuen Machtdemonstrationen wie denen der Hafenarbeiter:innen in Frankreich an allen unseren Arbeits- und Studienorten niederschlagen, um den Völkermord mit den Methoden des Klassenkampfs zu beenden.
Nach anderthalb Jahren Völkermord wissen wir, dass das Völkerrecht – das maßgeschneidert ist, um die Politik der Großmächte zu rechtfertigen – den Menschen in Gaza keine Hilfe ist. Die Aktionen der Hafenarbeiter:innen zeigen, dass unsere soziale Bewegung den Schlüssel dazu hat, die Unterstützung der imperialistischen Staaten für Israel zu beenden. Die Mobilisierungen von heute Abend müssen fortgesetzt und ausgeweitet werden. Die Gewerkschaftsführungen müssen ihr Schweigen und ihre Passivität beenden, die sie zu Komplizen des andauernden Massakers machen, und sich voll und ganz in den Kampf zur Beendigung des Völkermords einbringen: Die Arbeiter:innenbewegung muss einen ersten Streiktag für Gaza organisieren, wie es Anasse Kazib, Eisenbahner, Gewerkschafter und Präsidentschaftskandidat in Frankreich, in seiner Rede auf der Place de la République gefordert hat. Die Bilder von gestern Abend geben Hoffnung. Es ist dringend notwendig, diese Hoffnung in eine mächtige Bewegung zu verwandeln, die dem unerträglichen Gemetzel, das wir seit zu langer Zeit erleben, ein Ende setzen kann.
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer französischen Schwesterzeitung Révolution Pérmanente am 9. Juni.