LINKE-Bürokrat und Springer-Presse hetzen gegen den jüdischen Sozialisten Dan Kedem

14.04.2022, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Klasse gegen Klasse

Dan Kedem, ein sozialistischer, antizionistischer Jude, wird bei einer rechten Zeitung von Linkspartei-Bürokraten als konspirativer Strippenzieher dargestellt. Wir widersprechen diesem antisemitischen Narrativ. Volle Solidarität mit Dan!

Am Wochenende hat die Berliner Linksjugend auf einer Mitgliederversammlung eine Reihe politischer Beschlüsse verfasst. Unter anderem beschlossen die Aktivist:innen der solid Berlin, dass sie nicht mit der Springer-Presse reden: „Vertreter*innen der Linksjugend [’solid] Berlin werden jegliche Interviews, Presseanfragen, öffentliche Veranstaltungen etc. mit Vertreter*innen der Medien, die dem Axel-Springer-Verlag zugehörig sind, verweigern.“ Stattdessen treten sie für dessen Vergesellschaftung ein. Ganze vier Tage hat der Parteibürokrat Paul Schlüter gebraucht um diesen Beschluss zu brechen.

Dass Die Welt, das vorgeblich „seriöse“ Organ des rechtspopulistischen Springer-Verlags, diese Beschlüsse mit Zitaten von Schlüter ablehnt, müsste für jeden sozialistischen Jugendverband eine Bestätigung sein. Schließlich hat Die Welt schon vor 50 Jahren eine Hetze gegen die damalige Studentenbewegung betrieben, die im Mord an Rudi Dutschke gipfelte.

Schlüter und die Springer Autorin Luisa Hofmeier werfen nun der Linksjugend so viel „Antisemitismus“ vor, dass es „körperliche Schmerzen“ auslöst. Leser:innen brauchen bis zum fünften Absatz des Artikels, um ein Beispiel von diesem angeblichen „Antisemitismus“ zu erfahren. Es geht hier um das „Rückkehrrecht für Palästinenser:innen“, sowie um die „Benennung Israels als Apartheidstaat.“ Die Argumentation in dem Beschluss wird auch gekonnt ignoriert: „Der deutsche Israeldiskurs ist eine Farce, wiegen die Verbrechen Israels gegen Palästinser*innen und gegen arabische Israelis doch so schwer, dass selbst bürgerliche Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International Israel klar als Apartheidstaat benennen.“ Auch der positive Bezug auf den jüdischen Kommunisten Abrahmam Léon, der „dokumentierte inwiefern ein zionistischer Staat grundsätzlich nur einen reaktionären Charakter haben könne und fortschrittlicher Kampf gegen Antisemitismus nicht über die Errichtung eines jüdischen Staates, sondern nur durch den Kampf für den Sozialismus erfolgen könne“, wird unter den Tisch gekehrt. So wird ein Antrag, der auch einen positiven Vorschlag im Kampf gegen Antisemitismus macht, als antisemitisch diffamiert.

Hofmeier kommt in ihrem Artikel schnell auf den ehemaligen Solid-Landessprecher Dan Kedem zu sprechen. Warum? Über 40 Solid-Mitglieder haben für den entsprechenden Beschluss gestimmt, dies könnte jeder Mensch, der Journalismus betreiben möchte, schnell ermitteln. Dennoch wird der Fokus auf eines der wenigen jüdischen Mitglieder im Verband gelegt.

Kedem, ein Migrant aus England und Misrachi-Jude, wird im Artikel als Drahtzieher und als Quelle des Übels präsentiert. Hofmeier stellte auch eine Anfrage bei der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, der Staat soll scheinbar, wenn es nach ihr ginge, gleich gegen jüdische Einwanderer:innen in Berlin tätig werden, wenn diese eine andere Meinung als sie vertreten.

Erst am Ende des Artikels erfahren wir, wo die im Titel erwähnten „körperliche Schmerzen“ entstanden sind. Nämlich bei Paul Schlüter, ein „Nachwuchskarrierist“ der Linkspartei. Und hier wird deutlich, wie die Springer-Presse den Begriff „Antisemitismus“ verwendet. Für uns als Marxist:innen bezeichnet dieser Begriff Rassismus gegen Jüd:innen. Sozialist:innen bekämpfen den Antisemitismus konsequent seit 150 Jahren.

Aber in der Welt von Springer-Schreiblingen und Linkspartei-Bürokrat:innen können die Opfer von Antisemitismus nicht-jüdische Deutsche sein, (sie erleiden sogar körperliche Schmerzen!), während die Täter:innen jüdisch sind. Aus dieser rechten Perspektive geht es einzig und allein darum, ob jemand bedingungslos die rechte Regierung Israels unterstützt. Deutsche, die Naftali Bennet mit genug Elan bejubeln, hätten sich dann von jeglichem Antisemitismus befreit und können nach Belieben gegen jüdische Menschen hetzen, die nicht die geforderte Solidarität mit „ihrer“ Regierung zeigen.

Dieser Fall ist nichts neues. Jutta Dittfurth etwa, Nachkommin von Nazi-Adeligen, präsentierte sich schonmal als Opfer von „antisemitischer Hetze“  und forderte den Ausschluss von allen jüdischen Mitgliedern eines Demo-Bündnisses. Die Berliner Polizei hat auch Jüd:innen wegen Antisemitismus verhaftet. Jüdische Queers wurden von einem Linkspartei-Politiker physisch angegriffen. Eine jüdische NGO bekam ein Bankkonto gesperrt. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Diese Kampagne gegen angeblichen „Antisemitismus“, die in Wirklichkeit eine Kampagne zur Unterstützung der israelischen Regierung ist, richtet sich in erster Linie gegen linke jüdische Stimmen, die das siedlerkoloniale Regime Israel kritisieren. Hier fallen die Anknüpfungspunkte zum traditionellen deutschen Antisemitismus sofort auf: Die Leute von Springer haben ja nichts gegen Jüd:innen, aber sie fühlen sich scheinbar wohler, wenn sich jüdisches Leben weitab der deutsche Grenzen abspielt. Wenn sich jüdische Menschen trotzdem in Deutschland zu Wort melden, sind sie immensen Hetzkampagnen ausgesetzt. Ähnlich wie die Springer-Presse hat auch die LINKE offensichtlich ein Problem damit, wenn jüdische Genoss:innen ihre Meinung kundtun.

Wahrscheinlich wird Die Welt jetzt sagen, dass der Fokus auf Kedem als Quelle der abzulehnenden Beschlüsse, oder wie rechte Zeitungen früher gesagt hätten: die Jüd:innen als Urheber:innen des Antisemitismus, nur ein Zufall sei. Aber genau darum geht es ja. Dass der rechte Hass auf Sozialismus und jeglichen Fortschritt sich oft besonders gegen jüdische Menschen richtet, auch ohne dass die Autor:inenn bewusst darüber nachdenken, ist ein jahrhundertealtes Merkmal des europäischen Antisemitismus.

In die Hetztiraden von Springer stimmen neben bürgerlichen Kräften auch die antisemitische und israelsolidarische Berliner AfD mit ein. Einer ihrer Abgeordneten forderte die Beobachtung des Verbandes durch den Verfassungsschutz. Der Hass auf linke Jüd:innen und die unkritische Solidarität gegenüber Israel vereint die Reformer:innen in der Linkspartei mit der Springer-Presse und der AfD.

Der Druck von rechts auf die Linksjugend Berlin wird immer stärker, neben der Forderung ihre Finanzierung durch die Partei einzustellen wird im Artikel auch die Möglichkeit einer Auflösung durch den antideutsch dominierten Bundeskongress thematisiert. Dafür bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, was durchaus möglich erscheint, wenn man sich die Beschlüsse der Linksjugend zum Nahostkonflikt anschaut. Teile ihrer politischen Führung machen dafür bereits in den sozialen Netzwerken Stimmung.

Wir sprechen unsere volle Solidarität mit Dan Kedem aus. Wir sind solidarisch mit Sozialist:innen in Palästina/Israel, die genauso für die gleichen Prinzipien der internationalen Solidarität kämpfen. Wir stehen in der Tradition von jüdischen Sozialist:innen wie Abraham Léon, Martin Monath, Leo Trotzki, Ernest Mandel, Tony Cliff (Yigael Gluckstein), Jakob Moneta, und Rudolf Segall, die genauso für ein friedliches Miteinander von Jüd:innen und Palästinenser:innen in einem sozialistischen Palästina kämpften. Wir stehen in der Tradition der Kämpfer:innen des Warschauer Ghettos, deren Anführer:innen wie Marek Edelmann nach der Logik der Welt ebenfalls als „antisemitisch“ zu brandmarken wären, weil sie das Ziel eines rein jüdischen Staates im Nahen Osten ablehnten. Alle linken und palästinasolidarischen Kräfte müssen eine gemeinsame Front hinter Solid Berlin gegen die Angriffe von rechts bilden. In diesem Sinne rufen wir nicht nur dazu auf, Springer zu enteignen, wie es die Genoss:innen der solid Berlin beschlossen haben, sondern rufen auch alle linken Parteien, Organisationen und Einzelpersonen dazu auf, sich mit Dan Kedem solidarisch zu erklären.

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