Einheitsfront oder „Einheitsfront von unten“?

29.05.2025, Lesezeit 20 Min.
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Foto: Mo Photography/shutterstock.com

Soll man die Führung des Reformismus ignorieren oder sie in einen politischen Kampf verwickeln? Dies ist spätestens seit den 20er-Jahren eine zentrale Diskussion in der Linken.

In einer Diskussionsrunde bei Fabian Lehr zwischen Freerk, einem Linksparteimitglied, Jakob von der Kommunistischen Partei (KP, ehemals Kommunistische Organisation) und Tom von RIO/Klasse Gegen Klasse war ein wichtiger Streitpunkt die Frage, wie Kommunist:innen ihren Einfluss auf die Arbeiter:innenklasse erweitern und die Basis des Reformismus erreichen können.

Jakob von der KP hat dazu vorgeschlagen, die Taktik der „Einheitsfront von unten“ anzuwenden. Das bedeute, man könne mit der Führung der Linkspartei grundsätzlich nicht zusammenarbeiten, da dies notwendigerweise zur Anpassung führe. Stattdessen sei der Vorschlag, dass die Kommunist:innen, etwa in betrieblichen Auseinandersetzungen, gemeinsam mit allen kämpferischen Kolleg:innen zusammenarbeiten sollten. Dies jedoch bei strikter Umgehung jeglicher Absprachen mit, oder Forderungen an reformistische Organisationen. Laut Jakob sei es egal, ob sich Mitstreiter:innen in Parteien wie Der Linken oder der CDU organisierten, quer durch das politische Spektrum fänden sich Menschen, die mit dem Sozialismus sympathisierten. 2023 beschrieb die Kommunistische Organisation ihre Vorstellung der Einheitsfronttaktik in ihrer Bilanz des Hamburger Aufstands:

Während für Lenin und Thälmann immer klar war, dass nur eine Einheitsfront von unten Erfolg haben kann, herrscht heute eine Vorstellung von der Einheitsfront vor, die die Führungen sozialdemokratischer Parteien beinhaltet und beim vermeintlichen Kampf gegen den Faschismus sogar offen bürgerliche Parteien.

Die KPD in der „dritten Periode“

Diese Konzeption von „Einheitsfrontpolitik“ war tatsächlich die Taktik der KPD unter Führung Ernst Thälmanns, die diese während der „dritten Periode“ der Kommunistischen Internationale (KomIntern) von 1928 bis 1935, anwendete. In der Periode des Zerfalls der Weimarer Republik und der Verschärfung des Klassenkampfes stellte sich die Frage, wie die Kommunist:innen die Millionen von Arbeiter:innen, welche von der SPD organisiert oder angeführt wurden, gewinnen konnte.

Die sozialdemokratische Führung weigerte sich programmatisch wie methodisch, über den Rahmen des bürgerlichen Systems hinauszugehen um die Faschisten zu schlagen und Arbeiter:innenmacht aufzubauen. In entscheidenden Momenten hatte sie immer wieder die Weimarer Republik gegen revolutionäre Arbeiter:innen verteidigt und stützte den reaktionären Reichspräsidenten Hindenburg. Sie stellte somit ein riesiges Hindernis für die soziale Revolution und den wirksamen Kampf gegen den aufsteigenden Faschismus dar. Auch wenn die KPD teilweise mehrere Millionen Wähler:innenstimmen auf sich vereinigte und zum Ende der Weimarer Republik hin hunderttausende Mitglieder zählte, musste sie aus einer Minderheitenposition heraus Politik machen. Dazu kam, dass die KPD ihren Einfluss vor allem unter Arbeitslosen steigern konnte, während die Arbeiter:innen, die noch in Betrieben, insbesondere in strategisch wichtigen Stellungen, tätig waren, mehrheitlich der SPD – die auch den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund dominierte – folgten.

Die KPD gründete die antifaschistische Aktion und forderte alle Arbeiter:innen auf, dieser beizutreten, weigerte sich allerdings, antifaschistische Aktionseinheiten mit der SPD zu bilden. In seiner 1932 erschienenen Broschüre „Wie schaffen wir die Rote Einheitsfront?“ veranschaulicht Thälmann diese Logik der „Einheitsfront von unten“, indem er auf die Fragen eines (fiktiven) sozialdemokratischen Arbeiters antwortet. 

Dort heißt es, aufgrund der „prinzipiellen Unterschiede zwischen der KPD und der SPD lehnen wir Spitzenverhandlungen mit der SPD ab. Mit den SPD-Führern, die den Faschismus fördern, kann man nicht über „Kampf gegen den Faschismus“ verhandeln.“ 

Auf die Frage, ob die KPD die Einheitsfront ehrlich meint, antwortet er: „Wir stellen die Frage die Kampfes, und zwar gegen das ganze System, gegen den Kapitalismus, Und hier liegt der Kernpunkt der Ehrlichkeit unserer Einheitsfront.“

Leo Trotzki kritisierte in seiner Broschüre „Der einzige Weg“ treffend:

Thälmann begreift offenbar nicht, wovon die Rede ist. Die sozialdemokratischen Arbeiter bleiben gerade deshalb Sozialdemokraten, weil sie noch immer an den allmählichen, reformistischen Weg der Umwandlung des Kapitalismus in Sozialismus glauben. Da sie wissen, dass die Kommunisten für den revolutionären Sturz des Kapitalismus sind, fragen die sozialdemokratischen Arbeiter: Schlagt Ihr uns die Einheitsfront ehrlich vor? Darauf erwidert Thälmann: Natürlich ehrlich, denn für uns geht es darum, das ganze kapitalistische System zu stürzen.

In anderen Worten: Anstatt mit den sozialdemokratischen Arbeiter:innen gemeinsame Erfahrungen zu machen und sich konkret gemeinsam gegen die Faschisten zu wehren, macht die KPD es faktisch zur Vorraussetzung für eine gemeinsame Politik gegen den Faschismus, dass sozialdemokratische Arbeiter:innen bereits mit den zentralen strategischen Annahmen der SPD gebrochen haben und das Programm der KPD akzeptieren, um zusammenzuarbeiten.

Was ist die Einheitsfronttaktik?

Die Einheitsfronttaktik wird so ad absurdum geführt. Entwickelt wurde sie zunächst zu Beginn der 1920er, um nach der notwendigen Spaltung von Reformismus und Zentrismus, aus einer Position heraus, wo die Parteien der jungen KomIntern nur eine Minderheit der Arbeiter:innenklasse erreichte, die Fragmentierung der Klasse zu überwinden, einen erfolgreichen politischen Kampf mit der weiterhin mächtigen Sozialdemokratie zu führen und „einen kommunistischen Einfluss unter der Mehrheit der Arbeiterklasse zu gewinnen und den entscheidenden Teil dieser Klasse in den Kampf zu führen“. 

Wie war das Verhältnis zwischen den Kommunist:innen und den reformistischen Führungen der Sozialdemokratie und Gewerkschaften konzipiert? In den „Thesen über die Taktik„, die auf dem Vierten Weltkongress der Kommunistischen Internationale verabschieden wurden, heißt es: 

Die Reformisten brauchen jetzt die Spaltung. Die Kommunisten sind an der Zusammenfassung aller Kräfte der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus interessiert.

Die Taktik der Einheitsfront bedeutet das Vorangehen der kommunistischen Avantgarde in den täglichen Kämpfen der breiten Arbeitermassen um ihre notwendigsten Lebensinteressen. In diesem Kampfe sind die Kommunisten sogar bereit, mit den verräterischen Führern der Sozialdemokraten und der Amsterdamer zu unterhandeln. […]

Das Wichtigste in der Taktik der Einheitsfront ist und bleibt die agitatorische und organisatorische Zusammenfassung der Arbeitermassen. Der wirkliche Erfolg der Einheitsfronttaktik erwächst von „unten“. aus den Tiefen der Arbeitermasse selbst. Die Kommunisten können dabei aber nicht darauf verzichten, unter gewissen Umständen auch mit den Spitzen der gegnerischen Arbeiterparteien zu unterhandeln.

Einheitsfrontpolitik bedeutet also einen Aufruf an alle Organisationen der Arbeiter:innenklasse, seien sie reformistisch oder bürokratisch geführt, sich für einen Teilkampf um bestimmte Forderungen zusammenzuschließen. Dabei bedeutet sie jedoch keine beliebige Zusammenarbeit mit reformistischen Organisationen, unabhängig von den Forderungen und Methoden. Sie darf niemals eine bloße Absprache zwischen Apparaten bleiben und bedeutet keine „Wahlkombinationen der Spitzen, die diese oder jene parlamentarischen Zwecke verfolgen“. 

Es geht darum, Arbeiter:innen durch gemeinsame Kämpfe für Teilforderungen, beispielsweise gegen Entlassungen, Lohnkürzungen, faschistische Angriffe oder Angriffe auf demokratische Rechte, zu vereinen, selbst wenn sie unterschiedliche politische Überzeugungen vertreten. Durch die Einheitsfront werden sie in konkreten Kämpfen um ihre elementaren Lebensinteressen und Rechte politisiert und sehen dabei, dass ihre Interessen als Klasse nur kollektiv durchsetzbar sind. Entscheidend ist hierbei, dass diese Einheit durch die Methoden des Klassenkampfes und der Selbstorganisation der Arbeiter:innen — innerhalb derer Auseinandersetzungen der politischen Strömungen vor der Basis ausgetragen werden — verwirklicht wird.

Richtig angewandt bleibt die Einheitsfront aber nicht nur eine defensive Maßnahme für die Verteidigung gegen die Angriffe der Kapitalist:innen und Faschist:innen. Sie hat eine strategische Bedeutung in dem Sinne, dass sie den revolutionären Organisationen den Weg eröffnet, ihren Einfluss im Prozess der gemeinsamen Erfahrungen zu steigern. Innerhalb der Organe der Einheitsfront können diese die Überlegenheit ihrer Strategie in konkreten Kämpfen darstellen und die Unzulänglichkeit des Reformismus entlarven, um Stellungen an strategischen Positionen zu erobern und schließlich die Mehrheit der Arbeiter:innenklasse für die Offensive gegen das kapitalistische System zu gewinnen. 

Bei Thälmann hat sich der Zweck der Einheitsfront von einer Taktik, um das Bewusstsein reformistischer Arbeiter:innen zu radikalisieren und sie zum Bruch zu bewegen, wie es der vierte Weltkongress formuliert hatte, zu einer Taktik, um bereits der KPD zugeneigte Arbeiter:innen zu organisieren, gewandelt.

Woher kam diese Änderung? Mit dem Voranschreiten der 1920er Jahre übernahm die Fraktion rund um Stalin zunehmend die Führung der Sowjetunion. Als Konsequenz der ausbleibenden internationalen Revolution hat diese eine bürokratische und administrative Verwaltung der Mangelsituation innerhalb der Sowjetunion eingerichtet, von der sie selbst profitierte. Ein Aspekt dieser Art der Führung war die Aufgabe des politischen Kampfes, auch zum Zweck des eigenen Machterhalts. Konkret bedeutete dies, die eigene politische Führung nicht durch Überzeugung herzustellen, sondern durch Kommando von oben. 

Diese Politik wurde auch auf alle KomIntern Sektionen ausgeweitet. Hier hatte man nicht die materiellen Mittel, um die eigene Führung auch mit Zwang durchzusetzen angesichts der bürgerlichen Herrschaft. Sich international im Klassenkampf gegenüber anderen Strömungen beweisen zu müssen und mit den Führungen der anderen Parteien der Arbeiter:innenklasse zu konkurrieren hätte bedeutet, auch den unangefochtenen Führungsanspruch  Stalins in der Sowjetunion in Frage zu stellen.

Sinowjew, der Vorsitzende des Exekutivkomitees der KomIntern entwickelte 1924 die „Sozialfaschismusthese“, die von seinem (zeitweisen) Verbündeten Stalin übernommen wurde. Auf Basis der verräterischen Rolle, die die Führung der SPD zweifelsohne in der deutschen Geschichte mehrfach spielte, definierte Stalin diese als „gemäßigten Flügel des Faschismus“. Auch wenn die SPD mehrfach von ihrer Führung her für die Niederlage des deutschen Proletariats gesorgt hatte, versammelte sie dennoch den größten Teil der deutschen Arbeiter:innen. Es war also notwendig, Taktiken anzuwenden, um die Basis der SPD von der Führung zu spalten. 

Noch dazu war es auch analytisch falsch: Die SPD-Führung wollte zwar sogar mit Gewalt den bürgerlichen Status Quo erhalten, der ihnen ermöglichte, sich als Bürokratie von Gewerkschaften, Arbeiter:innenvereinen und der Partei zu bereichern. Der Faschismus wollte jedoch genau diese Institutionen zerstören. Auch wenn die SPD keine geeigneten Methoden angewandt hat, um diesen wirksam zu bekämpfen, war sie Gegnerin des Faschismus. Es hätte die Möglichkeit gegeben, größere Teile der Basis in gemeinsamen Aktionen zu mobilisieren, wenn es dazu den Willen der Kommunist:innen gegeben hätte. Dieser essentiellen Aufgabe wurde mit der Sozialfaschismusthese jedoch eine Absage erteilt.

Die politischen Konsequenzen daraus beschrieb Trotzki 1932 in seiner Broschüre „Was Nun – Schicksaalsfragen des deutschen Proletariats“ folgendermaßen:

Die historische Aufgabe, welche die Kommunistische Partei erst zu lösen hat – Vereinigung der überwältigenden Mehrheit der Arbeiter unter ihrem Banner verwandelt die Bürokratie in ein Ultimatum, einen Revolver, den sie der Arbeiterklasse an die Schläfe setzt. Das dialektische Denken wird durch formalistisches, administratives, bürokratisches Denken ersetzt.

Die historische Aufgabe, die zu erfüllen ist, wird als schon erfüllt angesehen. Das Vertrauen, das zu erwerben ist, wird für schon gewonnen ausgegeben. Das ist natürlich äußerst einfach. Doch die Sache wird damit wenig vorwärtsgebracht. Man muß in der Politik ausgehen von dem, was ist, und nicht von dem, was man wünscht und was sein wird. Zu Ende geführt ist die Position der Stalinschen Bürokratie in Wirklichkeit die Negation der Partei. Denn worauf läuft deren historische Arbeit hinaus, wenn das Proletariat im voraus verpflichtet ist, Thälmanns und Remmeles Führung anzuerkennen?

Der schlimmste Feind könnte keine ungünstigere Lage ausdenken als jene, in die sich die kommunistischen Parteiführer begeben. Das ist der sichere Weg ins Verderben.

Einheitsfront oder Volksfront?

Dieser ultralinke Ultimatismus ist nur eine Seite der Medaille, deren andere Seite der Opportunismus ist. Ihnen gemeinsam ist das Zurückschrecken vor einem ehrlichen politischen Kampf mit anderen Strömungen vor den Massen. Kurz vor der Machtergreifung der Faschisten hat die KPD plötzlich begonnen, auf Parlamentsebene prinzipienlose mit der SPD und sogar der bürgerlichen katholischen Zentrumspartei zusammenzuarbeiten, so war etwa die KPD-Tolerierung einer SPD-Zentrums-Regierung in Preußen im Gespräch.

Trotzki schrieb dazu:

Diesen Salto mortale zu erklären ist aber nicht schwer. Bekanntlich witzeln viele oberflächliche Liberale und Radikale ihr Leben lang über Religion und himmlische Mächte, um angesichts des Todes oder schwerer Krankheit den Geistlichen herbeizurufen. So auch in der Politik. Das Mark des Zentrismus ist der Opportunismus. Unter dem Einfluss äußerer Umstände (Tradition, Druck der Massen, politische Konkurrenz) ist der Zentrismus in bestimmten Phasen gezwungen, mit Radikalismus Staat zu machen. Dazu muss er sich selbst überwinden [..]. Indem er sich mit aller Kraft anspornt, gerät er nicht selten an die äußerste Grenze des formalen Radikalismus. Kaum aber schlägt die Stunde ernster Gefahr, kommt die wahre Natur des Zentrismus zum Vorschein.

Diese Politik war ein erstes Anzeichen des Übergangs der Politik der stalinisierten KomIntern von der „dritten Periode“ mit der Taktik der „Einheitsfront von Unten“ zur Volksfronttaktik. Nachdem der Faschismus in Deutschland gesiegt hatte und damit auch die zersplitterte Arbeiter:innenbewegung zerschlagen, änderte die KomIntern ihren Kurs radikal. Für sie war die Charakterisierung der Sozialdemokratie als „linkem Flügel des Faschismus“ nun Geschichte und sie entdeckte stattdessen die „antifaschistischen Teile der Bourgeiosie“. In der Praxis bedeutete dies eine gemeinsame Front von Kommunistischen Parteien mit bürgerlichen Kräften, wie den liberalen Parteien PRRRS und AD in Frankreich. 

Dies bedeutete enstprechend auch einen programmatischen Klassenkompromiss und eine Begrenzung der Politik auf bürgerliche Methoden: Anstelle von Revolution trat nun die „Verteidigung der Demokratie“ und der Anspruch auf Teilhabe an bürgerlichen Regierungen. Statt Sozialdemokratie und Liberale als Faschisten zu beschimpfen, arbeitete man in einem prinzipienlosen Bündnis mit ihnen zusammen. Wichtiger Motivator dafür war die Außenpolitik der stalinistischen Sowjetunion, die versuchte, bürgerliche Staaten als Verbündete zu gewinnen, um sich für den kommenden Krieg mit dem faschistischen Deutschland zu wappnen. Dies ging entsprechend auch mit einer Deradikalisierung der eigenen Politik einher, um sich als verlässlicher Partner anzubieten.

In Spanien bedeutete diese Politik, dass die PCE gemeinsam mit den Republikanern dabei half, die spanische Revolution niederzuschlagen, um die Volksfront nicht zu gefährden und vermeintlich die Demokratie vor dem Faschismus zu schützen. Dies hat jedoch bedeutet die Arbeiter:innenmilizen der POUM zu zerschlagen und entwaffnen, Land und Fabriken, die in Katalonien bereits enteignet worden waren, wieder den Kapitalisten zu übergeben und eine bürgerliche Regierung zu stützen, die am Ende den Sieg Francos nicht verhinderte. 

Jakob sagte richtigerweise in der Diskussion, dass die Kommunistischen Parteien in dieser Periode „die Abgrenzung vom Reformismus [im Rahmen der Volksfront] nicht ausreichend betrieben haben.“

Diese Bilanz bleibt jedoch auf halbem Wege stehen, indem sie einfach zur Politik des Stalinismus vor dem Sieg des Faschismus in Deutschland zurückkehren will. Sowohl die Volksfront als auch die „Einheitsfront von Unten“ sind in ihrer politischen Logik eine Vermeidung des politischen Kampfes mit den Führungen des Reformismus.

In diesem Sinne hat die Verweigerung der Einheitsfront der KPD zentral dazu beigetragen, dass es nicht möglich war, die Mehrheit der Arbeiter:innen in einem erfolgreichen Kampf gegen den Faschismus zu vereinen und letztlich für die soziale Revolution zu gewinnen. Im Angesicht des drohenden Faschismus hat sie dazu umgeschwenkt, opportunistische Bündnisse mit der SPD-Führung auf Parlamentsebene zu bilden, ohne die Basis miteinzubeziehen und die praktische Aufgaben der Verteidigung der Stellungen der Arbeiter:innenbewegung gegen die Faschisten zu organisieren. Als Ergebnis hat der Faschismus gesiegt und alle Arbeiter:innenorganisationen in Deutschland zerschlagen.

Lehren für Heute

Diese Bilanz ist elementar, um in der heutigen Situation Politik zu machen. Auch wenn die KP die Linkspartei nicht als „sozialffaschistisch“ sondern als „reaktionär“ bezeichnet — statt einer von vielen faschistischen Parteien sei sie eine von vielen bürgerlichen Parteien — bleiben die Schlussfolgerungen dieselben. Die Charakterisierung der Linkspartei, die die KP in ihrer Erklärung zur Bundestagswahl vornahm, weist eine verblüffende Ähnlichkeit zur Stalins falscher Charakterisierung der SPD auf:

Die Linkspartei ist keine Antikriegspartei und keine Partei an der Seite der Armen, der Migranten, der Arbeiterklasse. Sie steht nicht gegen den Rechtsruck, sie ist der moderate Flügel des Rechtsrucks. Und der Rechtsruck lässt sich deshalb von den Herrschenden umsetzen, weil die bürgerliche Politik ihre verschiedenen Flügel hat, die sich gegenseitig ergänzen, die Illusion von Wahlfreiheit erzeugen – und am Ende doch an einem Strang ziehen.

Auch wenn es zweifellos richtig ist, dass die Partei Die Linke gegen das Ziel der sozialistischen Revolution und damit letztlich gegen das objektive Interesse der Arbeiter:innen agiert, greift eine Bestimmung als bürgerliche Partei mit rotem Anstrich zu kurz. Ihr Klasseninhalt ist dem Ursprung nach proletarisch, allerdings repräsentiert sie nicht das Interesse der Mehrheit der Klasse, sondern ihrer privilegierten Schichten, die sich durch eine Aussöhnung mit der Bourgeoisie Vorteile erkaufen und ihren materiellen Verkörperung in den Bürokratien der Gewerkschaften und reformistischen Parteien finden. Ihre objektive Basis besteht also weniger in der einseitigen Unterstützung durch die Bourgeoisie, sondern in der Vermittlung zwischen Arbeiter:innen und Kapitalist:innen, der Aushandlung von gewissen Zugeständnissen um den Preis der Einhegung und Integration von Arbeiter:innen- und sozialen Bewegungen. Die KP hat keinen Begriff von den aus der Arbeiter:innenklasse erwachsenen Bürokratien und verfällt somit in einen plumpem Schematismus. Die Linkspartei seien einfach glatte Lügner, die mit falschen Versprechungen einen „beschönigende[n] Anstrich für die Barbarei der kapitalistischen Ausbeutung“ geben. Die Position der KP läuft letztendlich darauf hinaus, von der Seitenlinie über die Linkspartei zu schimpfen, dabei aber in der Praxis dem politischen Kampf mit ihr auszuweichen und in eine passive Abwartehaltung gegenüber der Basis des Reformismus zu verfallen. Der reale Einfluss, den die Linkspartei unter gewerkschaftlich organisierten Arbeiter:innen und der sich nach links politisierenden Jugend hat, denjenigen, die für das Ziel der sozialen Revolution gewonnen werden müssen, bleibt so faktisch unangetastet.

Wir denken dahingegen, dass es auch heute notwendig ist, eine Einheitsfronttaktik anzuwenden, um aus der Minderheitenposition die Führung des Reformismus herauszufordern und damit das Bewusstsein der Basis weiterzuentwickeln und (mögliche) Widersprüche mit der Führung zuzuspitzen. Es geht also darum, die Grenzen der reformistischen Strategie aufzuzeigen und dies idealerweise mit Elementen der sowjetischen Strategie wie Versammlungen und Komitees zu verbinden.

In Bezug auf die Linkspartei bedeutet dies auch, nicht einfach nur schematisch den Parteivorstand zu Politiken aufzurufen, sondern zu versuchen, mit jeder Art der Führung Aktionseinheiten herzustellen. Dies ist besonders notwendig, da es auch linkere Kräfte in der Partei gibt, die zu progressiven Positionen vermitteln. Ferat Koçak, Cansın Köktürk und Ulrike Eifler versuchen beispielsweise alle die Palästinabewegung in den Reformismus zu integrieren. Gerade der Parteitag der Linkspartei mit den Beschlüssen zur Jerusalemer Erklärung hat ihnen dafür eine gute Grundlage bereitet, indem sich der linke Flügel zwar verteidigt hat, aber kein klar antizionistisches Programm vorschlägt. Genau das müssen Kommunist:innen tun und mit Antimilitarismus verbinden. Mit einem solchen Programm müssen sie mit allen Teilen der Linkspartei, die zu entsprechenden Aktionen bereit sind, zusammenarbeiten, um die notwendige Aufgabe, einen gegen das Regime gewandten Antizionismus und Antimilitarismus in Deutschland so stark wie möglich zu organisieren, zu erfüllen, und außerdem die Widersprüche zwischen der Führung und den linkeren Teilen der Basis der Linkspartei zu vertiefen.

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