2016: Die Frauenbewegung lebt doch noch, zumindest ein bisschen

04.01.2017, Lesezeit 4 Min.
1

Über all den Rechtsruck, Rassismus und Imperialismus gerät eine Entwicklung leicht aus dem Blick: Im Jahr 2016 ist auch die Frauenbewegung sichtbarer geworden, wenn auch vorerst vor allem in Form von Abwehrkämpfen.

Das Jahr 2016 begann mit einem Knall: Rassistisch aufgeladen berichteten die Medien von massenhaften sexualisierten Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht. Der Vorfall sollte den Ton setzen für das restliche Jahr und entwickelte noch seine rassistische Kraft für das Jahr 2017. Wohin man auch sah: Rechtsruck, imperialistischer Krieg und der Versuch, Frauenrechte für rassistische oder imperialistische Zwecke zu instrumentalisieren.

So versuchten die Frauenfeind*innen von der AfD, aus den Vorfällen in Köln Profit zu schlagen. Die Kriegstreiberin Hillary Clinton inszenierte sich in ihrer Kampagne als Vertreterin der Frauen. Und die Verschärfung des Vergewaltigungsparagraphen wurde mit rassistischen Abschiebeerleichterungen verknüpft.

Wie wenig es den Rassist*innen von AfD und Co. einerseits und den bürgerlichen Regierungen andererseits tatsächlich um das Wohlergehen der Frauen ging, sah man an der rassistischen Debatte um den sogenannten Burkini. Ebenso zeigte es sich an der massiven und ständig weiter ausgebauten Abschottungspolitik, die sich auch gegen geflüchtete Frauen richtete.

Terroristische Anschläge wurden dennoch nicht verhindert: So gelangte der Krieg endgültig in die imperialistischen Zentren – und riss dabei auch die Unterdrückten mit, beispielsweise bei der Tragödie in Orlando.

Die Frauenbewegung wird etwas sichtbarer

Aber 2016 war auch das Jahr, in dem die Frauenbewegung in vielen Ländern sichtbarer wurde. Auch wenn dies bislang vor allem unter reformistischer Führung und in Form von Abwehrkämpfen gegen zunehmende Gewalt und gegen Angriffe auf körperliche Selbstbestimmung und gesichert geglaubte Rechte stattfand. Es setzte sich damit ein Trend weiter fort, der in den letzten Jahren vor allem in Lateinamerika und in den europäischen Ländern, die besonders von der Wirtschaftskrise betroffen waren – insbesondere im Spanischen Staat –, seinen Anfang gefunden hatte.

So streikten Frauen in Polen gegen die Abschaffung praktisch jeglicher legaler Abtreibung, bei einem eh schon kaum existierenden Recht auf Abtreibung. Sie erreichten einen Stopp des Gesetzesprojekts. Auch in Argentinien streikten Frauen und solidarische Männer gegen Frauenunterdrückung, als Reaktion auf einen besonders brutalen Frauenmord. Die Bewegung #NiUnaMenos, die sich gegen die steigende Gewalt an Frauen richtete, erreichte damit einen neuen Höhepunkt.

Dadurch, dass die Frauenbewegung den Streik für sich entdeckte, macht sie außerdem einen wichtigen Schritt hin zur Arbeiter*innenbewegung und eroberte sich ein Werkzeug, um Forderungen tatsächlich durchsetzen zu können.

In den USA brach nach der Wahl Donald Trumps die Fassungslosigkeit aus. Wie konnte es sein, dass ihn so viele gewählt hatten – und auch so viele weiße Frauen? Gleichzeitig führte das auch hier verstärkt zu Diskussionen darüber, wie Frauen sich gegen die kommenden Angriffe von Trump wehren können. Es deutet sich ein neues Potential der Frauenbewegung auch in den USA an.

Kämpfe in Deutschland

In Deutschland war die Reaktion der (reformistischen) Frauenbewegung auf Köln die Kampagne #ausnahmslos. Sie markierte einerseits die Suche von Frauen nach einer antirassistischen Antwort auf sexistische Gewalt und frauenfeindliche Angriffe von rechts. Andererseits wurden auch ihre Grenzen deutlich, solange sie genehm für die Führungen von SPD und Grünen sein sollte. Der Reformismus versuchte diese Verbindung auch im weiteren Verlauf des Jahres nicht abbrechen zu lassen und präsentierte Gesetzesentwürfe, die die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ein wenig lindern sollten.

Gleichzeitig gab es auch konkretere Kampagnen und Mobilisierungen. Sie waren noch nicht sehr groß, aber im Vergleich mit der Situation vor einigen Jahren noch zeigt sich durchaus ein größeres Potential für eine tatsächliche Frauenbewegung. Rund um die Verteidigung von Gina-Lisa Lohfink demonstrierten Frauen gegen sexistische Vorurteile und für eine Verbesserung des Sexualstrafrechts – und gingen dabei im Allgemeinen nicht in die Falle, auf eine Verurteilung der rassistischen Instrumentalisierung zu verzichten. Auch die Proteste gegen Abtreibungsgegner*innen beim reaktionären Marsch für das Leben machten deutlich, dass dieser Protest in den letzten drei Jahren zu einem festen Termin der radikalen und feministischen Linken geworden ist – trotz einer allgemeinen Konjunktur der Krise der radikalen Linken.

Auch im Jahr 2017 gilt es weltweit weiter gegen Rechtsruck und imperialistischen Krieg zu kämpfen. Die Frauenbewegung kann ihren Teil dazu beitragen, wenn sie ihr Potential realisiert und den kollektiven Kampf wiederentdeckt.

Mehr zum Thema