Ampelregierung will an Paragraph 218 festhalten: Körperliche Selbstbestimmung muss erkämpft werden

23.04.2024, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Ricarda Julia (Klasse Gegen Klasse)

Die Ampelregierung stellt sich gegen die Empfehlung der Expert:innenkomission und will den Paragraphen 218, der Abtreibungen grundsätzlich kriminalisiert, beibehalten. Es braucht eine schlagkräftige feministische Bewegung für das bedingungslose Recht auf Schwangerschaftsabbruch und gegen die reaktionäre Regierungspolitik.

Die von der Regierung vor etwa einem Jahr eingesetzte Expert:innenkomission, bestehend aus 15 Mediziner:innen, Jurist:innen und Ethiker:innen veröffentlichte Anfang April ihren Abschlussbericht zum Abtreibungsrecht. Laut dem aus dem Jahr 1871 stammenden Paragraphen 218 des Strafgesetzbuches sind diese in Deutschland grundsätzlich illegal, auch wenn Abtreibungen in bestimmten Situationen – in den ersten zwölf Wochen und bei vorheriger Beratung – nicht strafrechtlich verfolgt werden. Zu einer klaren Forderung nach der Abschaffung des Paragraphen konnte sich die Kommission leider nicht durchringen, sie empfiehlt aber, Abbrüche in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft zu legalisieren. Der jetzige Zustand sei weder medizinisch sinnvoll, noch juristisch haltbar.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben die Minister:innen Lauterbach (SPD), Paus (Grüne) und Buschmann (FDP) bekannt, dass sie die unverbindliche Empfehlung der Kommission ignorieren wollen. Eine baldige Gesetzesänderung wird die Ampelregierung aller Voraussicht nach nicht umsetzen. Diese Entscheidung begründeten sie mit scheinheiligen Argumenten wie der „besonderen Sensibilität“ des Themas, welches drohe „die politische Mitte zu spalten“. Doch mit der Absage an die Gewährleistung des grundlegenden Rechts, über den eigenen Körper zu bestimmen, stellt sich die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ wieder einmal auf der Seite der Konservativen bis extremen Rechten und zementiert die sexistische Unterdrückung. Ihre Entscheidung ist ein weiterer Ausdruck des Rechtsrucks aus der „Mitte“, der sich auch an der steigenden Zahl von Femiziden, der zunehmden Hetze gegen LGBTIAQ+-Personen und den drastischen Kürzungen in feminisierten Sektoren wie Gesundheit und Bildung, zeigt. Indem sie die reaktionäre Position von AfD, CDU/CSU und konservativen Christ:innen übernimmt, hat die Ampel ein weiteres Mal bewiesen, dass sie nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist. 

Dass die Selbstbestimmung von gebärfähigen Personen über ihren eigenen Körper immer noch rechtlich beschnitten wird, ist ein Skandal. Notwendig ist eine sofortige und vollständige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Auch die Pflicht zur sogenannten Schwangerschaftskonfliktberatung, welche häufig von rechten religiösen Verbänden durchgeführt wird und darauf abzielt, schwangere Personen unter Druck zu setzen, doch keinen Abbruch durchzuführen, muss abgeschafft werden. Dabei muss jedoch weiterhin die Möglichkeit für Schwangere bestehen, sich zu ihrer Schwangerschaft und zu Fragen oder Unsicherheiten diesbezüglich beraten zu lassen, falls sie das möchten. Wenn Personen Fragen haben, müssen sie kostenlosen und zeitnahen Zugang zu einer ausführlichen Beratung bekommen. Angebote für diese dürfen jedoch keinesfalls von religiösen Verbänden durchgeführt werden und müssen fachlich hochwertigen Standards entsprechen. Das bedeutet auch, dass es eine ausreichende Finanzierung für solche Stellen und qualifiziertes Personal braucht.

Doch die Legalisierung allein ist nicht ausreichend. Denn es fehlt an Kliniken und Personal, die Schwangerschaftsabbrüche sicher durchführen können. Diese Situation wird sich mit der von Lauterbach geplanten Krankenhausreform, die vorsieht, zahlreiche Kliniken zu schließen, nur verschlimmern. Zudem werden Schwangerschaftsabbrüche meist nicht von den Krankenversicherungen bezahlt und bedeuten eine erhebliche finanzielle Belastung für abtreibende Personen. 

Daher braucht es neben der Entkriminalisierung auch einen massiven Ausbau des Gesundheitswesens und höhere Löhne für Gesundheitsarbeiter:innen, um allen gebärfähigen Menschen das Recht auf einen sicheren, kostenlosen Schwangerschaftsabbruch zu garantieren. Die Regierung hat klar gemacht, dass sie nicht bereit ist, solche grundlegenden feministischen Forderungen umzusetzen. Es braucht eine große feministische Bewegung, die in den Betrieben, Schulen und Universitäten verankert ist und den Kampf gegen die reaktionäre Regierungspolitik und die extreme Rechte aufnimmt. Die Gesundheitsarbeiter:innen, welche in den vergangenen Jahren für Entlastung und gegen die Schließung von Kliniken gekämpft haben, haben das Potenzial, an vorderster Front des feministischen Kampfes zu stehen. Dafür ist es auch notwendig, Druck auf die bürokratischen Führungen der Gewerkschaften auszuüben, welche ökonomische und politische Forderungen trennen und so der Arbeiter:innenbewegung wie auch der feministischen Bewegung den Wind aus den Segeln nehmen will.

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