Weder Putin noch NATO: Streiks gegen Krieg, Aufrüstung und Inflation

24.02.2023, Lesezeit 15 Min.
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Foto: Simeon Zinnstein

Der Krieg dauert an, die Inflation auch. Geld für weitere Entlastungen ist nicht in Sicht. Denn die Bundesregierung will weiter aufrüsten. Es ist höchste Zeit für Demonstrationen und Streiks mit dem folgenden 5-Punkte-Programm.

Während der Krieg in der Ukraine seit einem Jahr tobt, rollen nun auch NATO-Panzer. Der brutale Vormarsch Russlands in den ersten Wochen wandelte sich zu einem Stellungskrieg, der inzwischen zehntausende Tote und Millionen Geflüchtete gefordert hat. Spätestens mit dem Ukrainekrieg ist offensichtlich geworden: Wir befinden uns in einer neuen Etappe schärferer Konfrontationen zwischen den Großmächten. Mittlerweile beschuldigen die USA China, Waffen an Russland liefern zu wollen. Ob nun wahr oder nicht – allein dieser Streit weist auf eine weiter eskalierende Konfliktdynamik hin.

Die beispiellose Aufrüstung, die arbeiter:innenfeindlichen Sanktionen und die immer größeren Waffenlieferungen haben aber den Krieg nicht beendet. Im Gegenteil stehen alle Ampelzeichen auf mehr Militarisierung: Bei 100 Milliarden Euro Sondervermögen soll es nicht bleiben. Die Aufrüstung soll aber „fortschrittlich“ und „feministisch“ angemalt werden, wie Außenministerin Baerbock immer wieder proklamiert. Dabei geht es bei den Waffenlieferungen und den Deals mit frauenfeindlichen Regimen wie Saudi-Arabien und Qatar um die Interessen des deutschen Kapitals – nicht zuletzt der florierenden Rüstungsindustrie.

Die Konfrontation der Mächte und die Waffenlieferungen machen immer mehr Menschen Angst. Je nach Umfrage ist eine leichte Mehrheit oder eine große Minderheit gegen Panzerlieferungen. Zu Recht: Sie drohen den Krieg auf Jahre zu verlängern und eine noch größere Eskalation herbeizuführen. Weite Teile der linken Friedensbewegung fordern daher Verhandlungen. Klar ist: Die Waffen müssen ruhen, der Krieg muss beendet werden. Wir können aber kein Vertrauen in die NATO und Putin haben, dass sie in Verhandlungen dauerhaften Frieden schaffen. Beide Seiten sind auf die Ausplünderung der Ukraine und die Verbesserung ihrer geostrategischen Positionen bedacht, so dass sie in Verhandlungen nur neue Kriege vorbereiten würden. Damit die Ergebnisse von Friedensverhandlungen vorteilhaft für die Arbeiter:innen sein können, braucht es Streiks und Mobilisierungen auf beiden Seiten für den Abzug aller Truppen. Die Massen müssen den Kriegstreiber:innen ihren Willen aufzwingen und können nicht auf ihr Einsehen hoffen. Ein Zurück zum „Frieden“ der letzten Dekaden unter dem globalen Freihandelssystem mit den USA als Weltpolizisten, die ihrerseits Kriege wie in Afghanistan und dem Irak führten, ist nicht mehr möglich. Die Welt steuert auf größere Konflikte zu.

Das spürt auch die politische Rechte, die versucht, sich als Friedenskraft zu inszenieren. „Nein zu Rüstung und Krieg“ ist auf Schildern ihrer Anhänger:innen zu lesen. Doch die AfD spricht sich in ihrem Wahlprogramm deutlich für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und eine finanziell gut ausgestattete Bundeswehr aus – von den Lobgesängen auf die innere Militarisierung ganz zu schweigen. Für die Rassist:innen ist klar: je mehr, umso besser. Mehr Abschiebungen, mehr Polizist:innen, mehr Abschottung. Der Vorschlag der AfD, das Wohl „unseres“ Landes allem anderen voranzustellen, ist aber vor allem ein zutiefst reaktionärer. Denn gemeint ist die deutsche Wirtschaft, die auch den Arbeiter:innen hierzulande mit real fallenden Löhnen und Entlassungen droht.

Auch das „Manifest für Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer ist nach rechts offen. Sie sagen „Nein“ zum Krieg, aber nicht „Nein“ zur Aufrüstung und nicht „Nein“ zur Stärkung des deutschen Militarismus. Die Positionen der Rechten und diejenigen Wagenknechts überschneiden sich darin, dass sie für eine von der NATO und den USA unabhängigere Rolle Deutschlands in der Welt eintreten – mit einem konsequenten Antiimperialismus hat das nichts zu tun. Und auch Schwarzers transfeindlicher „Feminismus“ ist keine Alternative zu der reaktionären Außenpolitik mit „feministischem“ Anstrich von Außenministerin Annalena Baerbock.

Dennoch haben Hunderttausende das „Manifest“ von Wagenknecht und Schwarzer aus berechtigter Sorge vor dem Krieg unterschrieben. Die Rückkehr der Friedensbewegung steht im Raum. Doch ist es im Hinblick auf die Zeitenwende unmöglich, für den Frieden einzustehen, ohne eine klare antiimperialistische Haltung gegen Bundeswehr, NATO und EU einzunehmen. Es ist auch unmöglich, Frieden durch Verhandlungen zu schaffen, bei denen die altbekannten Blöcke sich die Ukraine untereinander aufteilen würden.

Einen fortschrittlichen Ausweg kann nur eine unabhängige Politik der Arbeiter:innen auf beiden Seiten der Front hervorbringen. Deshalb schlagen wir eine große Kampagne für Demonstrationen und Streiks mit einem 5-Punkte-Programm vor, um klar zu sagen: Weder Putin noch NATO: Streiks gegen Krieg, Aufrüstung und Inflation!

1. Wir zahlen nicht für eure Profite: Streiks gegen Inflation und Krieg zusammenführen

Verteidigungsminister Pistorius will, dass zusätzlich zum Bundeswehrsondervermögen von 100 Milliarden Euro jedes Jahr noch 10 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr ausgegeben werden. Und: Dass wir dafür auf längst überfällige Lohnerhöhungen verzichten. Währenddessen profitieren Rüstungsunternehmen, Energiekonzerne und Immobilienriesen mit Rekordprofiten vom Krieg. Aber wir wollen nicht länger für ihre Profite zahlen! Europaweit gibt es Streiks gegen die Inflation und die sozialen Auswirkungen des Krieges, in Deutschland im öffentlichen Dienst, Bildung, Gesundheit, bei der Post und vielen mehr. Um zu gewinnen, müssen die Streiks zusammengeführt werden, anstatt jeder für sich zu kämpfen.

Zugleich müssen wir in den gerade wieder aufflammenden Streiks über die Forderungen nach mehr Gehalt hinausgehen. Denn die Ursache von Inflation und Krise ist gerade der Krieg und die Spirale der Aufrüstung. Deshalb sehen wir die Notwendigkeit, uns nicht nur gegen die Inflation zu stellen, sondern auch eine politische Opposition zur weiteren Aufrüstung und der Fortführung des Krieges zu sammeln.

Dafür müssen wir auch die Gewerkschaftsführungen konfrontieren, die die Streiks getrennt halten und die Kriegspolitik der Regierung mittragen. Gleiches gilt für die Führungen der reformistischen Parteien: Die SPD führt den Krieg selbst aus der Regierung, DIE LINKE trägt mehrheitlich die Sanktionen mit und formiert keine entschlossene Opposition gegen den Regierungskurs. Lasst uns, uns deshalb selbst organisieren: In flächendeckenden Betriebsversammlungen können wir entscheiden, wann, wo, mit wem und wofür wir streiken wollen. Für gemeinsame Streiks gegen Inflation und Krieg!

2. Kein Cent, kein Mensch für die Bundeswehr: Geld für Klima & Soziales statt für Aufrüstung

Geld sei nicht genug – die Wehrfähigkeit Deutschlands müsse durch die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht wiederhergestellt werden, so die AfD. Die Regierung pumpt Milliarden in die Bundeswehr und diskutiert über eine allgemeine Dienstpflicht, um den Personalmangel in Gesundheit, Erziehung und Pflege durch Niedriglohnzwang zu überdecken. Die Bundeswehr macht immer größere Rekrutierungskampagnen an Schulen – letztes Jahr waren zehn Prozent aller neuen Rekrut:innen noch minderjährig. Staatliche Gelder werden an den Universitäten für Rüstungsforschung ausgegeben. Stattdessen sagen wir: Kein Cent, kein Mensch für Bundeswehr und Militarismus! Geld für zivile Forschung statt für Rüstungsforschung, für ein Verbot von Bundeswehrwerbung an Schulen.

Während weltweit Milliarden und Abermilliarden für Panzer, Kriegsschiffe, Kampfjets ausgegeben werden, fehlt angeblich überall das Geld für Schulen, Kreißsäle und Sozialleistungen. Deshalb: 100 Milliarden für Bildung, Gesundheit, Soziales und Klima statt für Aufrüstung.

Parallel zu der sozialen Krise verschärft sich die Klimakrise in drastischen Schritten, davon zeugen die vielen Klima- und Umweltkatastrophen, die die Menschheit in den letzten Monaten und Jahren getroffen haben. Extreme Dürren, Überschwemmungen und das Artensterben werden in der kommenden Periode noch heftiger. Der militärisch-industrielle Komplex  zählt zu den größten Umweltsündern der Welt. Die Militarisierung heizt nicht nur den Klimawandel an, sondern bewirkt auch, dass Menschen, die vor Katastrophen fliehen, von Repressionen durch Militär und Polizei im Inneren und an den Grenzen betroffen sind. Für die Umwandlung der Bundeswehr in einen zivilen Katastrophenschutz. Klimaschutz heißt, gegen den Krieg zu kämpfen!

Inflationsausgleich und Milliardeninvestitionen in Bildung, Gesundheit, Klima und Soziales müssen von den Kriegs- und Krisenprofiteur:innen bezahlt werden. Rheinmetall machte 2022 beispielsweise Rekordgewinne, während wir so viel Reallohn verloren haben wie nie zuvor. Begrenzte Preisstopps und Entlastungspakete reichen nicht aus. Die Kriegsindustrie muss auf zivile Produktion umgestellt werden. Kriegs- und Krisenprofiteur:innen müssen durch hohe Gewinn- und Vermögenssteuern zur Kasse gebeten werden, in der Perspektive ihrer Enteignung unter Kontrolle von Arbeiter:innen und Verbraucher:innen.

3. Weder Putin noch NATO: Krieg beenden, Aufrüstung stoppen

Das russische Regime führt diesen Krieg, um seine eigene Macht in Osteuropa mit militärischen Mitteln gegen den Einfluss der NATO zu stärken und selbst Beute zu machen. Putin hat nicht die Befreiung der Ukraine im Sinn, sondern ihre Unterwerfung unter die Interessen des russischen Kapitals. Doch auch die NATO-Staaten wie die USA, Frankreich und Deutschland wollen sich das Land wirtschaftlich, militärisch und geopolitisch völlig unterordnen. Mit einem EU-Beitritt würde ein großer Ausverkauf der Ukraine an westliches Kapital erfolgen: Die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen, der Verkauf von Firmen und Boden an europäische und US-Investor:innen, die Ausplünderung der Bestände an Eisen, Stahl und Getreide, der Wiederaufbau durch Kreditschulden in westlichen Staaten. Hunderte Staatsbetriebe wurden zum Verkauf ausgeschrieben. Der Chef des US-Investmentfonds Blackrock sprach bereits davon, die Ukraine zu einem „Leuchtturm des Kapitalismus“ zu machen.

Sich gegen die Interessen der Kapitalist:innen zu stellen, bedeutet auch, dass wir gegen Sanktionen und Waffenlieferungen eintreten. Die Sanktionspolitik hat nicht dazu geführt, den Krieg zu stoppen, sondern nur Millionen von Arbeiter:innen und armen Menschen auf beiden Seiten der Front in die Krise gestürzt und eine weltweite Inflation ausgelöst. Auch die Waffenlieferungen mit immer schwereren Waffen heizen die militaristische Eskalation weiter an, anstatt den Krieg zu beenden. Die voranschreitende imperialistische Aufrüstung wird nur zu weiteren Kriegen und Zerstörung führen, bezahlt mit dem Blut der Arbeiter:innenklasse.

Für uns muss weiterhin gelten: Weder Putin noch NATO und EU. Weder das russische Regime noch die westlichen Imperialist:innen können einen fortschrittlichen Weg aus dem Krieg in der Ukraine weisen. Ein solcher kann nur von der Arbeiter:innenklasse erkämpft werden. Dazu braucht es auf beiden Seiten der Front eine von den Regierungen unabhängige Position in der Perspektive von Streiks gegen Waffenlieferungen, gegen Aufrüstung und für ein sofortiges Ende des Kriegs. Russische Truppen raus aus der Ukraine, nein zu jeder Intervention von NATO, EU, IWF und Bundeswehr in die Ukraine, NATO raus aus Osteuropa!

4. Offene Grenzen für Menschen statt für Waffen

Während im Krieg immer mehr Waffen, Munition und Panzer geliefert werden, bleiben die Grenzen für Viele geschlossen. Ukrainische Geflüchtete werden vorübergehend aufgenommen, doch für russische Deserteur:innen bleiben die Grenzen zu. Abschiebungen und Abschottung gehen für Millionen Geflüchtete weiter, an den Grenzen Europas sterben jährlich immer noch Tausende. Die Grenzen müssen für alle Geflüchteten vollständig geöffnet werden: Festung Europa einreißen!

Für alle, die hier leben, braucht es volle Staatsbürger:innenrechte, Anerkennung aller Abschlüsse, Recht auf Bildung und Arbeit. Schluss mit Niedriglohnjobs, Prekarisierung und Outsourcing, von der Migrant:innen besonders betroffen sind. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit! Für das Recht auf Aufnahme in die Gewerkschaften für alle Geflüchteten, damit wir den Kampf für volle Rechte besser und gemeinsam führen können.

Die Militarisierung nach außen geht auch mit einer Militarisierung nach innen einher: Die Polizei wird aufgerüstet und bekommt mehr Befugnisse, sogar über eine weitere Einschränkung des Streikrechts wird diskutiert. Währenddessen nehmen rassistische Polizeigewalt und rechte Anschläge auf Geflüchtete, Migrant:innen und Linke zu. Gegen die nationalistische und rassistische Heuchelei von AfD und Co., die sich als Friedensparteien inszenieren, dabei aber nur Nationalismus schüren und im Innern gegen Geflüchtete und Migrant:innen hetzen, setzen wir den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt und für eine Antwort der Arbeiter:innen auf Krieg und Krise.

5. Gegen Imperialismus und Krieg, hoch die Internationale Solidarität

Ein Jahr nach dem Beginn des Ukrainekriegs ist der Klassenkampf zurück nach Europa gekehrt. Noch geht es den Millionen Arbeiter:innen auf der Straße und an den Streikposten vor allem darum, ihre Lebensbedingungen gegen die Angriffe ihrer Regierungen und die Inflation zu verteidigen. Doch diese Kämpfe können der Ausgangspunkt für einen gemeinsamen internationalen Kampf der Arbeiter:innen gegen Krieg und Aufrüstung werden.

Gegen die Stärkung des imperialistischen Militarismus wie in Deutschland sagen wir klar: Nieder mit der NATO und jeder imperialistischen Aufrüstungspolitik! Dabei knüpfen wir an die beste Tradition der deutschen Arbeiter:innenbewegung („Dem Militarismus keinen Mann und keinen Groschen“, wie Wilhelm Liebknecht sagte) vor dem Verrat der Sozialdemokratie durch die Unterstützung ihrer eigenen Bourgeoisie im Ersten Weltkrieg an.

Weder die NATO und EU noch Putin, aber auch nicht die ukrainische Selenskyj-Regierung haben eine fortschrittliche Lösung für die Arbeiter:innen und die Massen anzubieten. Im Gegensatz zu denjenigen, die den imperialistischen Ausverkauf des Landes vertiefen wollen, besteht für uns die einzige realistische Perspektive für die Unabhängigkeit der Ukraine darin, die Oligarchien zu enteignen und die Unterwerfung durch den Westen zu brechen. Alle Vereinbarungen mit dem IWF und die Vormundschaft der Finanzorganisationen müssen gebrochen werden, um zu verhindern, dass die natürlichen Ressourcen den multinationalen Konzernen überlassen werden. Mit anderen Worten: Kampf gegen die Kapitalist:innen, in der Perspektive einer unabhängigen sozialistischen Ukraine der Arbeiter:innen und den vereinigten sozialistischen Staaten von Europa.

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