Rechte verteidigen Polizeigewalt – Linksparteipolitiker macht mit

11.06.2020, Lesezeit 7 Min.
1

Einigen Jubel löst in sozialen Netzwerken ein Video aus, bei dem in Berlin ein Schwarzer von Polizist*innen in Kampfausrüstung verprügelt wird. Dabei hat die Polizei diese Szene erst selbst geschaffen, um anschließend gegen „Gewalttäter“ zu hetzen. Ein prominenter Linksparteipolitiker findet derweil: „Polizistinnen und Polizisten verdienen mehr Anerkennung.“ Wir meinen: Nein!

Foto: Simon Zamora Martin

Schwer gepanzerte Polizist*innen laufen nach der Black-Lives-Matter-Demonstration am letzten Samstag mit Hunden am Berliner Alexanderplatz herum. Sie attackieren alle, die nicht sofort aus dem Weg gehen. Es kommt zu mehreren Festnahmen. Eine besonders brutale darunter wird auf einem Video festgehalten, das sich über verschiedene Kanäle mehrere hunderttausende Male verbreitet hat.

Einer der Kommentare unter dem Video lautet: „Alles richtig gemacht. Polizei bringt Ordnung. Respekt an die Polizei.“ Andere schreiben, dass der Mann im Video die Polizei zuerst angegriffen und es deswegen verdient habe, so zusammengeschlagen zu werden.

Doch das Video wirft Fragen auf:

1. Warum sucht die Polizei offensichtlich mit ihrem rabiaten Vorgehen, schwer gepanzert und mit Hunden die Eskalation? Augenzeug*innen berichten, wie am Samstag auch in anderen Fällen vor allem junge Schwarze Männer angegriffen und verhaftet wurden.

2. Selbst wenn der Mann in dem Video ein bisschen herumschubst und sich wehrt – was einem Polizisten in voller Kampfmontur keinen Kratzer zufügt – warum prügeln die Polizisten immer und immer wieder auf ihn ein?

Die Polizei hatte offensichtlich ein Interesse daran, Personen einzuschüchtern. Wäre sie nicht vor Ort gewesen, wären alle irgendwann heimgegangen und nichts wäre passiert. Aber sie wollte Gewalt. Sie wollte Teilnehmer*innen der Black-Lives-Matter-Demonstration kriminalisieren.

Sie wollte die gleiche Spaltung eröffnen, die Trump und die Demokraten derzeit in den USA versuchen: Auf der einen Seite gute, friedliche Protestierende, die angeblich eine Aussöhnung mit der Polizei suchen, und auf der anderen Seite böse Krawallmacher, die sich gegen die Polizeigewalt wehren oder die Dreistigkeit besitzen, aus dem Supermarkt zu nehmen, was sie brauchen.

Auf Deutschland übertragen bedeutet das: Eine Demoteilnahme ist okay, aber wehe, jemand geht danach nicht sofort nach Hause – dann setzt es den Knüppel. Auf diese Art schuf die Polizei ihre eigenen Nachrichten von angeblichen Übergriffen auf Beamt*innen, um im Anschluss gegen „Gewalttäter“ hetzen:

In der dazugehörigen Pressemitteilung schrieb die sogenannte Gewerkschaft der Polizei (GdP) allen Ernstes, es sei richtig, Rassismus und Polizeigewalt in den USA auch auf unseren Straßen zu thematisieren; es gebe „jedoch keinen Anlass, einen Zusammenhang mit der deutschen Polizei zu konstruieren.“

Als hätte die deutsche Polizei nicht selbst zahlreiche rassistische Morde in den letzten Jahren auf dem Gewissen: Kola Bankole und Amir Ageeb, die auf Abschiebeflügen ermordet wurden, Ahidi John und Laye-Alama Condé, die mit Brechmitteln zu Tode gefoltert wurden, oder Oury Jalloh und Amad Ahmad, die in ihren Zellen angezündet wurden und bei lebendigem Leib verbrannten, um nur einige zu nennen. Vergessen wir auch nicht die Verbindungen von Sicherheitsbehörden zu rechten Terrornetzwerken.

Bartsch will Respekt für Polizist*innen

Auf die banale Feststellung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken, dass es einen „latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte“ gebe, kamen gleich empörte Reaktionen. Esken selbst hatte die Aussage relativiert, indem sie behauptete, dass die meisten Beamt*innen diesen Tendenzen kritisch gegenüberstünden. Während Innenminister Horst Seehofer erwartbarerweise sein „absolutes Unverständnis“ für Eskens Aussagen äußerte und auch die GdP sich gegen „verbale Backpfeifen von Frau Esken“ verwehrte, kam selbst von Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Kritik an Esken: „Die Polizei unter den Generalverdacht des Rassismus zu stellen und damit eine ganze Berufsgruppe in Misskredit zu bringen, ist falsch.“

Leider stellt sich Bartsch lieber schützend vor die Polizei als die Opfer ihrer rassistischen Attacken. Er geht sogar soweit, zu sagen, dass Polizist*innen „mehr Anerkennung“ verdienten. Die Anerkennung soll es wohl für tausende Abschiebungen geben, die es unter anderem auch unter Regierungsverantwortung der Linkspartei in Thüringen und Berlin gibt. Anerkennung auch für die Räumungen von Menschen, die ihre Miete nicht zahlen können oder für die Knüppel auf die Köpfe von Demonstrant*innen, unter denen auch immer wieder Mitglieder von Bartschs eigener Partei sind.

Die Polizei als Institution ist ein rassistisches Gewaltinstrument zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung. Die Polizei, die unter dem Jubel der Rechten Geflüchtete und nicht-weiße Menschen verprügelt, abschiebt und ermordet, ist die gleiche, die von Unternehmen gerufen wird, wenn streikende Arbeiter*innen die Werkstore blockieren.

Die Polizei in den Gewerkschaften verhindert den Kampf

Die Führungen der Gewerkschaften im DGB weigern sich, konsequent gegen die drohenden Massenentlassungen zu kämpfen wie zuletzt beim Getriebewerk Voith. Gleichzeitig dulden sie die sogenannte Gewerkschaft der Polizei in ihren Reihen. Die DGB-Bürokratie setzt lieber auf die sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Staat und den Kapitalist*innen, als Streiks und Mobilisierungen gegen Rassismus, Entlassungen und Prekarisierung anzuführen.

Zusammen mit der Polizei werden solche Kämpfe nicht siegreich sein können. Sie ist für die Kriminalisierung von Geflüchteten und migrantischen Kolleg*innen verantwortlich und spaltet die Kämpfe der Arbeiter*innen. In einer Situation, in der die Legitimation der Polizei und ihrer rassistischen Gewalt in den USA so sehr in Frage gestellt ist, wollen in Deutschland die rechten, aber auch reformistischen Parteien und die Gewerkschaftsbürokratie unbedingt verhindern, dass sie auch hier ihre Legitimität verliert. Die Polizei und ihre Gewalt sind verbunden mit einem System, das für den Reichtum einiger Weniger für Milliarden andere weltweit Armut, Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit bedeutet.

Die Einbindung der sogenannten Gewerkschaft der Polizei in den DGB ist der Versuch der Bürokratie, Frieden mit den Kapitalist*innen zu wahren, die gleichzeitig immer ungenierter die Lebensverhältnisse der Arbeiter*innen angreifen. Politisch ordnet sich die DGB-Bürokratie vollständig dem deutschen Kapital unter. Damit die Krise nicht auf die Arbeiter*innenklasse abgewälzt wird, wäre es aber notwendig, dass die Gewerkschaften ein eigenes Programm der Verstaatlichungen der Banken und großen Industrien unter Kontrolle der Beschäftigten entwickeln.

Es führt heute kein Weg daran vorbei, einen Kampf in den Gewerkschaften darum zu führen, wo sie stehen: Auf der Seite von Staat und Bossen oder auf der Seite der Arbeiter*innen, Frauen, Jugendlichen und Migrant*innen. Jede Haltung, welche diesen Kampf um die Gewerkschaften ignoriert, verzichtet darauf, mit der Masse der Arbeiter*innen zu diskutieren und die Frage der politischen Macht in Deutschland zu stellen. Letztlich bedeutet der Verzicht darauf, die Orientierung der Gewerkschaften zu ändern und die „GdP“ hinauszuschmeißen, die Sozialpartnerschaft als bestimmenden Faktor der politischen Realität in Deutschland anzuerkennen.

Ein Berufsverband wie die sogenannte Gewerkschaft der Polizei, die gegen Arbeiter*innen, Linke und Migrant*innen vorgeht, hat in den Reihen der organisierten Arbeiter*innenbewegung keinen Platz. Der DGB sollte die GdP ausschließen! Wir meinen: Keine Anerkennung für die Gewalttäter in Uniform!

Mehr zum Thema