FU-Berlin: Workshop für eine klimagerechte Welt

24.02.2018, Lesezeit 5 Min.
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Ein Workshop zu Klimagerechtigkeit an der Freien Universität Berlin (FU) diskutierte am vergangenen Donnerstag die Frage, wer für den Klimawandel verantwortlich und wer am meisten betroffen ist. Veranstalter waren die Autonomen Geos, eine kapitalismuskritische Gruppe von Studierenden der Geowissenschaften an der FU.

Der Raum in der Malmöer Straße im Bezirk Pankow war gut gefüllt, rund 50 Menschen lauschten den Ausführungen der Vortragenden von Ende Gelände zur Klimagerechtigkeit. Denn es geht darum die Verursacher*innen der Erderwärmung zur Rechenschaft zu ziehen und die Kosten, die mit dem Klimawandel einhergehen, auf diejenigen zu verteilen, die am stärksten zum Klimawandel beigetragen haben. Laut der Aussage der beiden Aktivistinnen von Ende Gelände begreifen sich fast alle Klimaaktivist*inne heute als Klimagerechtigkeitsaktivist*innen.

Rollenspiel: Wer ist am meisten betroffen?

Um die Frage nach der Verantwortlichkeit hinsichtlich der Erderwärmung zu klären, wurden die Teilnehmenden in Arbeitsgruppen eingeteilt, in denen sie sich in die Rolle fiktionaler Figuren hineinversetzten. Diese standen beispielhaft für bestimmte geographische und soziale Gruppen.

Da gab es zum einen den Migranten aus dem Senegal, ohne Papiere, die chinesische Geschäftsfrau, die deutsche Familie, mit zwei berufstätigen Eltern, drei Kindern, Haus und einem Hund. Weiter den Migranten von den Philippinen, der sich legal in den USA aufhält und den deutschen Arbeiter, der im Braunkohletagebau beschäftigt ist.

Die einzelnen Arbeitsgruppen sollten sich in ihre fiktionale Figur hineinversetzen, untereinander klären, inwiefern er*sie vom Klimawandel selbst betroffen ist und welche konkreten politischen Forderungen er*sie hinsichtlich des Klimaschutzes stellen könnte.

Im Anschluss wurden vorhandene Techniken zur Reduktion der Treibhausemissionen vorgestellt. Einige davon sind sehr spekulativ und noch nicht einsatzbereit. Dazu gehört untere anderem die Verbringung von Kohlenstoff-Dioxid in unterirdische Speicheranlagen. Trotz dieser noch nicht einsatzbereiten Technologie, wird sie bereits als Argument benutzt, um Gesetzesänderungen abzuschwächen und mehr Ausstoß von Treibhausgasen zuzulassen.

Die beste bekannte und einsatzfähige Technologie zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid wird dabei oft vernachlässigt. Bäume nehmen seit Millionen von Jahren dieses Gas auf und speichern es langfristig. Dabei spricht man von „natürlichen Senken“. Dazu sagte Janna von Ende Gelände spöttisch: „Wir haben jetzt eine voll neue innovative Technik: Der Baum“

Die Bedeutung der Klimagerechtigkeit wurde in der Veranstaltung auch mit einem Kurzfilm verdeutlicht: Darin treffen sich drei Freund*innen in einer Bar und reden über ihren individuellen Konsum, um eine nachhaltige Lebensweise oder um möglichst viel Spaß, ohne Rücksicht auf Verluste. Als die Kellnerin zum Abkassieren vorbeikommt und die Rechnung in Kohlenstoffdioxid-Emission präsentiert, lässt die Runde den Nebentisch bezahlen „wie immer“. Am Nebentisch sitzen zwei nicht-weiße Menschen, die offenbar den „Globalen Süden“ präsentieren sollen.

Dazu wurde diskutiert, was man selbst tun könne, zum Beispiel eine vegane Ernährung zu wählen oder lieber das Rad zu benutzen. Zudem bezog die Debatte die mögliche Verbindungen zu sozialen Bewegungen mit ein und die Rolle der Politik.

Keine Perspektive der Bosse

In der Gruppenphase mit den fiktionalen Figuren waren vier von fünf Menschen Teil der Arbeiter*innenklasse, lediglich die chinesische Geschäftsfrau gehörte offensichtlich nicht dazu. Auch in den USA ist ein Großteil der Migrant*innen dazu gezwungen ihre Arbeitskraft zu verkaufen, ob sie sich legal dort aufhalten oder nicht.

Die Bedeutung der herrschenden Klasse und ihrer Verantwortlichkeit für den Klimawandel hätte in der Diskussion stärker beleuchtet werden können. Was ist zum Beispiel mit der Quandt-Familie, die große Anteile an BMW halten und damit objektiv von niedrigen Richtlinien für Treibhausemissionen profitieren? Auch im Braunkohleabbau wurde lediglich die Subjektivität der Beschäftigten untersucht, nicht aber die Verantwortlichkeit der Bosse, die exorbitant stärker als die Arbeitenden profitieren.

Stattdessen wurde die Spaltung unserer Klasse in den Mittelpunkt gerückt. Sie ist aber lediglich Folge der kapitalistischen Produktionsweise und nicht die Ursache, so wie auch der Klimawandel selbst. Die Bourgeoisie profitiert von niedrigen Klimastandards, genauso wie davon, dass sie Migrant*innen nur einen geringeren Lohn zahlen muss.

Auch wenn es eine materielle Kluft zwischen dem Arbeiter im Braunkohletagebau und dem Migranten ohne Arbeitserlaubnis gibt, sind doch beide innerhalb der kapitalistischen Produktion dazu gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Damit stellen sie potentielle strategische Verbündete dar.

In konkreten Kämpfen gibt es die Möglichkeit, ein Bewusstsein für ihre gemeinsame Lage zu erzeugen. Ein Beispiel hierfür liefern uns die Streiks der studentisch Beschäftigten in Berlin, die den Kolleg*innen der IG Metall im Warnstreik einen solidarischen Besuch abstatteten. In der Praxis ergibt sich die Chance, die Spaltung der Beschäftigten zu überwinden.

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