Abmahnungen statt tarifgerechter Bezahlung

03.06.2025, Lesezeit < 1 Min.
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Foto: Mo Photography Berlin / Shutterstock.com

Öffentlich stellt sich die FU gegen die Kürzungen. Doch diejenigen, die sich gegen die Missstände an der Uni und gesellschaftlich einsetzen, werden abgemahnt.

Während sich Berliner Hochschulen – auch die Freie Universität (FU) – öffentlich mit Protesten gegen die Kürzungen des Berliner Senats solidarisieren, sieht es intern ganz anders aus: Besonders drastisch ist der Fall an der FU, wo alle Vorstandsmitglieder der ver.di-Betriebsgruppe abgemahnt wurden – wegen eines FU-kritischen Aufrufs zu einer Anti-AfD-Demonstration.

Der Aufhänger für die Abmahnungen im Aufruf lautete wie folgt: „Wer wie das FU-Präsidium Tarifverträge nicht einhält, bekämpft aktiv Mitbestimmung und demokratische Prozesse und sorgt so für politischen Verdruss. Im Ergebnis fördert auch die FU damit den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD, denen gewerkschaftliche Organisierung ebenfalls ein Dorn im Auge ist“.

Wie stark das Arbeitsrecht inzwischen politisch aufgeladen ist, zeigen zwei widersprüchliche Urteile am selben Arbeitsgericht:

Eine Kammer des Gerichts erklärte am 20. Februar 2025 die Abmahnung für rechtmäßig – mit der Begründung, die Aussagen seien „nicht mehr sachlich“ und verstießen gegen die Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Gegen dieses Urteil wurde seitens eines Vorstandsmitglieds der ver.di-Betriebsgruppe Berufung eingelegt.

In einer Pressemitteilung vom 26. Mai 2025 hebt eine andere Kammer des Arbeitsgerichts Berlin eine der Abmahnungen auf. Sie erkennt ausdrücklich an, dass der Aufruf zur Anti-AfD-Demo von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Auch die Kritik an Ausgliederung migrantischer Kolleg:innen und an demokratiegefährdenden Tendenzen sei legitim – gerade angesichts des gesellschaftlichen Klimas. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die FU legte ebenfalls sofort Berufung ein.

Diese widersprüchlichen Entscheidungen zeigen, wie gewerkschaftliche Meinungsfreiheit in Zeiten des Rechtsrucks und der Militarisierung zur Verhandlungsmasse wird. Die FU versucht den Aufruf zu nutzen einen Präzendenzfall zu schaffen, der die Meinungsfreiheit von allen Gewerkschafter:innen in Frage stellen könnte.

Nun hat das Arbeitsgericht zunächst nicht nur die Abmahnung gegen einen Kollegen für rechtswidrig erklärt, in seiner jüngsten Entscheidung erkennt es erstmals die Kernvorwürfe der ver.di-Betriebsgruppe als zutreffend an – etwa die verspätete Auszahlung tariflicher Leistungen:

In einem offenen Brief von 2023 berichteten Beschäftigte des Fachbereichs Veterinärmedizin, dass ihnen über Jahre hinweg tariflich zustehende Eingruppierungen verweigert wurden. 2024 erkämpften die Betriebshandwerker:innen mit Unterstützung von ver.di eine Rückzahlung – ein Erfolg, den die Betriebsgruppe öffentlich dokumentierte. Doch statt die Umsetzung des Tarifvertrags sicherzustellen, geht die FU in Zeiten der Kürzungen in kostspieligen Verfahren gegen jene vor, die die Missstände publik machten. Letztere bestehen jedoch fort, wie eine aktuelle Veröffentlichung des Personalrats an der FU zeigt, indem intransparente Lohnmodelle kritisiert werden, die mit dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und tarifgerechter Bezahlung offenbar nichts zu tun zu haben.

Im Fall der verlorenen Klage gegen die Abmahnung findet am Mittwoch, den 2. Juli 2025 die Revision vor dem Landesarbeitsgericht Berlin statt. Es geht um die Abmahnungen gegen die ver.di-Betriebsgruppe an der FU – und damit um viel mehr als einen einzelnen Fall. Für die Klagen zwei weiterer Mitglieder des Betriebsgruppenvorstands in derselben Sache findet am 10. Juli 2025 der Kammertermin der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Berlin statt.

Kommt zahlreich – zeigt Solidarität!


Mittwoch, 02.07.25 9:30 Uhr
Arbeitsgericht Berlin, Raum 213, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin

Donnerstag, 10.07.25 9:30 Uhr
Arbeitsgericht Berlin, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin

Kein Maulkorb für Gewerkschafter:innen!
Gegen Repression und Tarifflucht – für demokratische Mitbestimmung und faire Arbeitsbedingungen!

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