„Alles Lug und Trug!“ – Vier gebrochene Versprechen von Rot-Rot-Grün in Berlin

09.11.2016, Lesezeit 6 Min.
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In Berlin sind die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, den Grünen und der Linkspartei in vollem Gange. Viele Versprechungen wurden gemacht. Die taz ist begeistert. Aber R2G wird nichts davon einhalten.

Die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin laufen auf Hochtouren. Besonders die Gespräche zwischen SPD, Grüne und Linkspartei erregen die öffentliche Aufmerksamkeit. Vor allem die taz, Zentralorgan der Grünen, ist begeistert. Lobend schreibt diese ehemals linke Zeitung:

Dabei hauen die Unterhändler mittlerweile nahezu Tag für Tag neue Ergebnisse raus, die atemlos machen. Da sollen Unis mehr Geld bekommen und Flüchtlinge weitaus seltener abgeschoben werden.

Doch für Atemlosigkeit gibt es wenig Grund. Rot-Rot-Grün bietet nur heiße Luft an – SPD, Grüne und Linkspartei haben durch ihre Regierungsbeteiligungen selbst bewiesen, dass sie Versprechen nicht einhalten. Gerade durch ihre bisherigen Taten als Regierungsparteien in Berlin sind sie unglaubwürdig.

Gebrochenes Versprechen Nr. 1: Wohnungen

Die selben Leute, die zwischen 2002 und 2006 bis zu 180.000 Wohnungen privatisierten, geben sich geläutert. Der Bestand an Sozialwohnungen soll wieder aufgeforstet werden. Bis 2021 sollen es 55.000 Wohnungen sein. Klingt nach viel, oder? Das ist kaum ein Drittel der damals veräußerten Wohnungen. Dabei ist Berlin seit dem deutlich gewachsen und wächst auch weiterhin. Mehr sozialer Wohnungsraum wird also dringend benötigt.

Doch laut Informationen der Tageszeitung Neues Deutschland sollen um die 100.000 Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen, auf drängen der SPD. Im Gegenzug soll die Mieterhöhung für die Sozialwohnungen 2017 entfallen. Ein schwacher Trost. Zudem liegt die Miete bei der Hälfte der Sozialwohnungen bereits jetzt über dem Mietspiegel.

Gebrochenes Verbrechen Nr. 2: Fußgänger*innenzone

Für besondere Erheiterung sorgte die Ankündigung aus den Koalitionsverhandlungen, dass die Straße „Unter den Linden“ für Privat-PKW gesperrt werden soll. Die taz schrieb:

Die radikalste Wende aber ist in der Verkehrspolitik geplant. Da geht es nicht nur um den Ausbau von Straßenbahnnetz und Radwegen. Die willigen Koalitionäre haben sich auch auf ein verkehrspolitisches Prestigeprojekt geeinigt: der Boulevard Unter den Linden soll für Autos gesperrt werden.

Sebastian Rave von der Sozialistischen Alternative (SAV) in Bremen und im dortigen Landesvorstand der Linkspartei kommentierte die Ankündigung mit:

R2G ist, wenn die Einrichtung einer Fußgängerzone als Revolution gefeiert wird.

Aber hier haben wir es nicht mal mit einer richtigen Fußgänger*innenzone zu tun. Denn nach dieser Planung soll „Unter den Linden“ für Busse und Taxis weiterhin befahrbar bleiben. Entspanntes Flanieren wird so sicherlich nicht möglich sein, wie von Rot-Rot-Grün versprochen.

Gebrochenes Versprechen Nr. 3: Abschiebungen

Auch bei der Flüchtlings-Politik wollen die drei Parteien neue Akzente setzen. Laut rbb soll die Zusammenarbeit der Behörden bei Integration und Unterbringung verbessert werden. Statt auf Abschiebungen möchte die zukünftige Landesregierung vor allem auf „freiwillige Rückführungen“ und „unterstützte Rückkehr“ für abgelehnte Asylbewerber*innen setzen. Abgeschoben werden soll nur, wenn nicht anders möglich.

Das ist freilich Augenwischerei. Wer geht schon freiwillig in ein Land zurück, in dem ein langfristiges Überleben nicht gewährleistet ist? Homosexuelle oder Roma werden weiterhin gewaltsam in die Balkan-Staaten geschickt. Der Unterschied ist wohl, dass vor der Abschiebung ein höflicher Brief verfasst wird. Zynischer geht es nicht!

Auch soll es keine Direktabschiebungen mehr aus Schulen, Jugendeinrichtungen oder Krankenhäusern geben. Familien sollen nicht mehr getrennt werden. Auch auf Bundesebene wollen sich SPD, Linke und Grüne für eine humanitäre Flüchtlingspolitik einsetzen. Berlin werde sich im Bundesrat für einen leichteren Familiennachzug einsetzen, heißt es. Doch schon dieses Unterfangen ist zum Scheitern verdammt, angesichts des Rechtsrucks in den Parlamenten und etablierten Parteien.

Dabei wäre linke Politik so einfach: Bedingungsloses Bleiberecht für alle. Durchführbare wäre dies durch ein Abschiebe-Moratorium der zukünftigen Landesregierung.

Gebrochenes Versprechen Nr. 4: Unis

Auch der Bildungssektor soll von der neuen Regierung profitieren. Jährlich soll der Etat der Hochschulen in Berlin um 3,5 Prozent steigen. Derzeit bekommen die Hochschulen jedes Jahr 3,2 Prozent mehr. Zudem ist der geringe Anstieg von 0,3 Prozent an Bedingungen geknüpft. Mehr Studienplätze sollen angeboten werden und die Zahl der Absolvent*innen soll steigen. Das lässt jedoch einen wichtigen Kampf außen vor und eine weitere Erbschuld von SPD und Linkspartei:

In einer langen Auseinandersetzung haben die Beschäftigten des Botanischen Gartens in Berlin für eine Angleichung an den Tarifvertrag der Länder (TV-L) gekämpft. Der Botanische Garten gehört nämlich zur Freien Universität Berlin. Die dortigen Beschäftigten erhielten einst alle das selbe Gehalt wie alle an der FU Angestellten. Doch unter dem Rot-Roten Senat wurde eine Betriebsgesellschaft für den Botanischen Garten gegründet, eine 100prozentige Tochter der FU.

Aktuell verdient die Hälfte der Belegschaft am Garten deutlich niedrigere Löhne als ihre Kolleg*innen. Nach einem langen und harten Kampf konnten sie einen Sieg erzielen, doch dieser ist brüchig. Denn die Vereinbarung zwischen den Arbeiter*innen im Botanischen Garten und der FU beinhaltet eine Kündigungsklausel, falls der Senat nicht die benötigten Gelder bereitstellt.

Mit der Steigerung von nur 0,3 Prozent und den zusätzlichen Auflagen ist dies sicherlich nicht zu schaffen. Dabei haben alle drei Parteien im Wahlkampf versprochen, gegen Outsourcing und Tarifflucht im öffentlichen Dienst vorzugehen. Doch kein Wort davon in den Koalitionsverhandlungen. Deshalb bereiten die Beschäftigten den nächsten Kampf vor. Letzten Mittwoch versammelten sie sich vor dem Roten Rathaus, um ihre Botschaft an SPD, Grüne und Linkspartei deutlich zu machen.

Schlussfolgerung

„Alles Lug und Trug“ sagte einst Rosa Luxemburg über die bürgerliche Demokratie. Das wird bei diesem Verhandlungsschauspiel besonders deutlich. Die „andere Politik“, die die taz fordert, kann nicht durch Wahlen erreicht werden, sondern nur durch Kämpfe. Der Frauenstreik in Polen hat dies erst kürzlich eindrucksvoll bewiesen. Trotz einer schwachen Linken konnte ein Angriff auf die Rechte der Frauen abgewehrt werden.

Die Basis der Linkspartei muss nun gegen die Führung ihres Landesverbandes kämpfen, um einen Abbruch der Koalitionsverhandlungen zu erreichen. Nur so kann die Linkspartei tatsächlich eine andere Politik durchsetzen. Dafür müsste sie im Parlament aber vor allem in den Betrieben und auf der Straße auf der Seite der Unterdrückten und Arbeiter*innen kämpfen. Als Teil der Regierung kann sie höchstens ihre Versprechen brechen.

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