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Offener Brief an linke Mitglieder der Linkspartei: Rot-Rot-Grün nicht einfach so hinnehmen

03.10.2016, Lesezeit 5 Min.
Gastbeitrag

Die Sondierungsgespräche für eine rot-rot-grüne Koalition in Berlin fangen an. Am Wochenende stimmte ein Landesparteitag der Linkspartei mit sehr großer Mehrheit dafür. Nur eine kleine linke Minderheit sieht Regierungsbeteiligung kritisch. Was soll diese Minderheit machen? Wir veröffentlichen Gedanken und Aufruf des parteiunabhängigen Kandidaten Lucas Alexander Steinführ aus Lichtenberg.

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Berlin, nach den Wahlen. Viele Erwartungen sind an die Wahl geknüpft. Die Koalitionsverhandlungen beginnen. Rot-Rot-Grün ist in aller Munde und wahrscheinlich die Koalition, die die Stadt für die nächsten fünf Jahre regieren wird.

Während meines Wahlkampfes in Lichtenberg habe ich die Haltung eines nun gewählten Abgeordneten der Linkspartei am eigenen Leib erfahren dürfen. Mit einer möglichen Rot-Rot-Grünen Koalition ging er sorglos um – die Regierungsbeteiligung ist für ihn verlockend.

Die Linkspartei hat Wähler*innen mit einer Lüge gewonnen (damit unterscheidet sie sich jedoch nicht viel von anderen Parteien). Es handelt sich um die Lüge der gewonnenen „Handlungsspielräume“. Mit diesem Wort verteidigt die Linkspartei den Sparkurs der letzten 15 Jahre im Land Berlin. Sie behauptet, mit Rot-Rot-Grün würde alles anders werden. Schauen wir uns diese Handlungsspielräume doch einmal an:

20 Milliarden Euro

Nicht nur die Linkspartei, sondern auch die SPD verwendet dieses Wort. Sie beziffern den Haushaltsüberschuss aufgrund des Sparkurses auf circa 700 Millionen Euro im Jahr. Damit ist es aber leider nicht getan. Das Land Berlin hat einen Investitionsstau in Höhe von 20 Milliarden Euro. 20 Milliarden Euro, die sofort investiert werden müssten.

Was heißt das konkret? Berliner Schulen und Kitas sind teilweise in einem miserablen Zustand. Ganze fünf Milliarden Euro fehlen an Berliner Schulen. Es wurde aber auch durch Personalabbau im gesamten öffentlichen Beschäftigungssektor gespart. Zu dieser Summe gesellen sich aber noch weitere Zahlen.

Verschuldet ist das Land Berlin in Höhe von 60 Milliarden Euro. Angesichts dieser Zahlen wird klar, dass von großen Investitionen keine Rede sein kann. Auch Kollatz-Ahnen, Finanzsenator der SPD, bestätigt das. Die Investitionen sollen von 1,4 Milliarden Euro auf lediglich 2,0 Milliarden Euro pro Jahr steigen, bis 2020. Angesichts des Investitionsstaus sind das nur Tropfen auf den heißen Stein.

Die 2009 eingeführte Schuldenbremse sorgt nun ab diesem Jahr dafür, dass die Länder nur noch begrenzt Kredite aufnehmen können. Mehr Investitionen sind also nicht zu erwarten.

Kommt eine soziale Politik?

Die Versprechen der SPD, der Linken und der Grünen, nun eine wirklich soziale Politik zu führen und den gesamten Investitionsstau abzubauen, sind also nicht umsetzbar. Die Investitionen werden zaghaft getätigt, zeitgleich muss angesichts des Schuldenberges weiter gespart werden.

An diesem Haushaltsplan will sich scheinbar die Linkspartei beteiligen. Sie hat gute Forderungen – Forderungen, die eine soziale Politik versprechen. Diese Forderungen sind jedoch mit einem von SPD und CDU beschlossenen Haushaltsplan für die Jahre 2016-17 nicht umsetzbar.

Ich bin nicht gegen eine Rot-Rot-Grüne Koalition an und für sich. Ich bin nur gegen eine solche Koalition, wie sie jetzt in der Praxis geführt werden wird.

Die Linkspartei hat 2001-2011 bewiesen, dass sie bereit ist, für Regierungssitze Politik gegen ihre Ideale zu betreiben. Sie hat gespart, sie hat Rechte beschnitten, sie hat Lohndumping mit der Gründung von Tochterunternehmen betrieben. Sie hat Bewegungen aus der Bevölkerung bekämpft, zum Beispiel den Volksentscheid zur Offenlegung der Wasserprivatisierungsverträge, bekämpft durch Klaus Lederer. Die Verantwortlichen hierfür sitzen immer noch an den Schalthebeln und propagieren jetzt einen plötzlichen Sinneswandel.

Dass die Hoffnung auf eine soziale Politik sich zunehmend auf die Linkspartei konzentriert, ist verständlich. Viele haben jedoch auch die AfD gewählt: Mitunter ein Zeichen dafür, dass auch einer Linkspartei keine soziale Politik mehr zugetraut wird. Dieser Eindruck würde sich unter einer Rot-Rot-Grünen Koalition nur verstärken, da die Linkspartei sich noch mehr der SPD angleichen würde.

Ein Aufruf

Ich möchte die gewählten Abgeordneten der Linkspartei dazu aufrufen, keine einzige ihrer Positionen aufzuweichen. Sollten weder SPD noch Grüne einlenken, darf es nur eine Konsequenz geben: Die LINKE muss in die Opposition gehen. Die Linkspartei darf sich nicht an einem Regierungsbündnis beteiligen, welches nur unvollständige und mitunter gar keine Lösungen für aktuelle Probleme anbietet.

Da sich nun der Landesparteitag der Linkspartei mit großer Mehrheit für die Koalitionsverhandlungen ausgesprochen hat, wende ich mich aber auch an alle Sektoren der Linkspartei, die nicht direkt an den Verhandlungen teilnehmen. Ich rufe euch dazu auf, die Verhandlungen in Form öffentlicher Kundgebungen und Demonstrationen kritisch zu begleiten. Wenn die Koalitionsverhandlungen die falsche, aber mitunter erwartete Richtung einnehmen, muss es auf der Straße Proteste geben. Eine Rot-Rot-Grüne Koalition unter der Fuchtel einer neoliberalen SPD darf nicht zustande kommen.

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