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„Anwohner*innen wissen am Besten, wie sie sich fortbewegen wollen“ – Interview zur A100

12.09.2016, Lesezeit 5 Min.
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"Stop A 100" steht am 09.07.2016 in Berlin auf den Plakaten bei einem Flashmob gegen den geplanten Ausbau der A 100 bis zur Frankfurter Allee. Foto: Paul Zinken/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Anwohner*innen protestieren gegen die Verlängerung der Autobahn A100. Ein Interview mit Lucas Alexander Steinführ, parteiloser Kandidat für das Berliner Abgeordnetenhaus im Wahlkreis Lichtenberg 4.

Was ist die A100?

Die A100 ist die Bundesautobahn 100. Im Moment verläuft sie in einem Südwestbogen durch Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg bis Neukölln. In Neukölln, genauer in Treptow, wird seit 2013 der 16. Bauabschnitt gebaut. Die aktuelle Debatte dreht sich jedoch um den geplanten 17. Bauabschnitt. Dieser soll laut des Entwurfs im Bundesverkehrswegeplan von Treptow bis zur Storkower Straße in Lichtenberg verlaufen.

Wieso sollte Berlin diese Autobahn brauchen?

Die Idee des Weiterbaus der A100 ist schon alt: Sie existiert, seitdem die ersten Grundsteine für die Autobahn gelegt worden sind, also seit den 50er Jahren. Die A100 war ursprünglich als eine Ringautobahn gedacht. Die Ringschließung war jedoch zu Beginn nicht machbar, Berlin war ja geteilt. 1999 wurde dann eine Vorplanung erstellt, von zwei Ingenieurbüros. Hier zeigt sich schon eines der Probleme: Der Entwurf ist alt. Auf diesem Entwurf basiert auch die Kostenberechnung. 1999 wurden diese auf 1.171,5 Millionen Mark, heute werden die Kosten auf 531 Millionen Euro geschätzt. Diese Schätzung erfolgt aber eben auf einem 17 Jahre alten Entwurf. Daher verstehe ich die Befürchtungen, dass die Kosten viel höher sein werden.

Die Stadt hat natürlich viele andere Probleme. Der Weiterbau der A100 ist jedoch, so der Berliner Senat, ein Prestigeprojekt, das die Stadt im Gesamten attraktiver machen soll, vor allem wirtschaftlich. Der Kosten-Nutzen-Faktor für den 16. Abschnitt wird auf 3,2 geschätzt, der für den 17. Abschnitt solle noch höher sein (Werte größer als 1 gelten als wirtschaftlich). Das würde die Verbissenheit des Berliner Senats erklären. Senator Geisel hat mit seiner bisherigen Politik bewiesen, dass ihm wirtschaftliche Interessen wichtiger sind als die der Menschen. Das konnten wir zuletzt auch am Leipziger Platz beobachten. Dort erlöste Geisel eine luxemburgische Investmentfirma von der Bauauflage des Berliner Gesetzbuches, die zum Bau von Mietwohnungen verpflichtet.

Gibt es Widerstand dagegen?

In Lichtenberg hat sich ein Aktionsbündnis namens A100stoppen gegründet. Sie positionieren sich klar gegen den Weiterbau der A100 bis zur Storkower Straße und nennen dafür verschiedene Gründe. So gehen sie von einer hohen Gesundheits- und Lärmbelastung für die Anwohner*innen aus. Weil schon klar ist, dass entlang der geplanten Strecke Gebäude abgerissen werden müssen, wurden einigen Mieter*innen bereits die Mietverträge gekündigt.

Das Aktionsbündnis hat bereits mit einer Fahrrad-Demo entlang der Strecke des geplanten Bauabschnitts auf sich aufmerksam gemacht. Auch ein Flashmob auf der Kreuzung der Frankfurter Allee vor dem Ring-Center sorgte für Aufsehen.

Ob der neue Abschnitt nun aber eine Entlastung für die Stadt bedeuten würde oder allen Anwohner*innen mehr schaden würde, kann ich nicht sagen. Die Kernforderung des Bündnisses ist aber: Mitbestimmung. Der geplante 17. Abschnitt wurde vom Berliner Senat mit dem bereits im Bau befindlichen 16. Abschnitt zusammengefasst. Dadurch entfällt die Bürger*innenbeteiligung an diesem Projekt, es muss keine neue Nutzen-Kosten-Analyse und auch keine neue Umweltbewertung durchgeführt werden. Das ist ein klarer Einschnitt in die Mitbestimmungsrechte aller Anwohner*innen.

Nun ist zwischen Neukölln und Treptow bereits viel gebaut worden. Lohnt sich Widerstand jetzt noch?

Den Bau zwischen Neukölln und Treptow kann niemand mehr stoppen, das ist beschlossene Sache und wird in den nächsten Jahren fertiggestellt. Die Zukunft des 17. Abschnitts von Treptow nach Lichtenberg steht jetzt jedoch auf der Kippe. Die Grünen und die Linkspartei fahren eine klare Linie – sie wollen diesen Bau nicht. Sollte es tatsächlich zu einer Rot-Rot-Grünen Koalition kommen, wird der Plan also womöglich gekippt. Ich sehe aber auch hier das Problem, dass wieder die Anwohner*innen nicht beteiligt werden. Ein Volksbegehren ist hier für mich der einzige Weg sicherzustellen, dass alle beteiligt werden.

Was könnte man statt der A100 in Berlin machen?

Mit solch einer Summe an Geld ist vieles denkbar. Das Konzept eines fahrscheinlosen oder zumindest billigeren ÖPNV steht im Raum. Fahrradwege müssen ausgebaut werden. Wichtig ist aber auch hier: Die Anwohner*innen wissen am Besten, wie sie sich fortbewegen wollen und wo es mitunter hapert. Bei großen infrastrukturellen Projekten sollten alle einbezogen werden. Schließlich betreffen sie mitunter einen gesamten Bezirk, oft sogar noch mehr.

Nun geht es mir vorrangig aber nicht um Befürwortung oder Protest: Ich will, dass die Gesellschaft, vor allem die Betroffenen über den Bau bestimmen. Das ist auch eine der Kernforderungen der Gegenbewegung. Dazu müssen natürlich auch alle Informationen bereitgestellt werden. Geplante Kosten, Hochrechnungen bezüglich des Verkehrs: alles eben. Dann wird sich zeigen ob der Weiterbau der A100 gut oder schlecht für die Anwohner*innen ist.

* Anmerkung: Die Redaktion von Klasse Gegen Klasse ruft dazu auf, am 18. September ungültig zu wählen. Wir freuen uns trotzdem, die Stimmen von linken Kandidat*innen veröffentlichen zu können.

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