Tortenwurf gegen Wagenknecht: Sowas kommt von sowas

28.05.2016, Lesezeit 3 Min.
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Torten liegen hoch im Kurs. Als zweite prominente Politikerin dieses Jahr bekommt nach Beatrix von Storch nun auch Sahra Wagenknecht eine ab. Wieder geht es um Rassismus. Denn die Linkspolitikerin wirbt seit Monaten für Abschiebungen. Trotzdem solidarisiert sich nun die komplette Linkspartei mit ihr.

Am 12. März dieses Jahres marschierten 3.000 Nazis durch Berlin. Auf der Titelseite des Berliner Kuriers wurden sie mit einem Spruch von Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, begrüßt: „Es können nicht alle Flüchtlinge kommen.“

Nun wurde Sahra Wagenknecht getortet. Endlich. Denn Wagenknecht will verhindern, dass noch mehr Wähler*innen von der Linkspartei zur AfD wandern, und dafür rührt sie kräftigt die Trommeln für Abschiebungen. „Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“ – mit diesem Spruch versucht sie zu beweisen, dass die Linkspartei auch für Rassist*innen wählbar ist.

Aber stand Wagenknecht nicht deswegen in der Kritik? Wurden ihre Positionen nicht von vielen Gremien der Linkspartei verurteilt? In Worten ja. Aber währenddessen konnte Bodo Ramelow in Thüringen weiter Geflüchtete abschieben und gegen die Antifa hetzen. Keine öffentlich wahrnehmbare Strömung in der Linkspartei fordert einen Bruch mit solchen Chauvinist*innen. Stattdessen wird eine „pluralistische Partei“ mit „unterschiedlichen Meinungen“ beschworen, während Familien in Krieg, Elend und Versklavung gezwungen werden.

Parteivorsitzende Katja Kipping nannte den antirassistischen Tortenwurf einen „Angriff auf uns alle“. Und das stimmt. Denn Wagenknecht ist keine Ausreißerin, sondern eine natürliche Stimme an der Spitze der Linkspartei. Nach deren sozialdemokratischer Logik bleibt eben nicht genug für alle, nachdem man mit der Klassenkollaboration fertig ist. Wenn „diejenigen, denen es schlecht geht, noch zahlen müssen für Flüchtlinge“ (Wagenknecht), dann müssen eben die Geflüchteten raus. Chauvinismus pur.

Wer hat das gemacht?

War der Tortenwurf „Gewalt gegen Frauen“, wie der Parteivorsitzende Bernd Riexinger meinte? Ja, die Torte traf eine Frau. Es war aber keine sexistische Torte: Sie traf eine Frau, die im Einklang mit der CSU für die Abschiebung von Frauen eintritt, die vor sexistischer Gewalt geflohen sind. Solche absurden Vorwürfe erhob Riexinger nicht, als eine Torte Beatrix von Storch (ebenfalls eine Frau!) traf. Noch weniger wirft er seinem Parteifreund Ramelow „Gewalt gegen Frauen“ vor, obwohl dieser dank seiner Abschiebepraxis Blut an den Händen hat!

Die Aktion scheint aus einer „antideutschen“ Richtung gekommen zu sein:

Das Flugblatt verbindet eine Kritik an Wagenknechts Chauvinismus und Nationalismus mit einer Befürwortung der imperialistischen EU. Das ist natürlich abzulehnen. Aber ganz ehrlich: Kam der Tortenwurf gegen Storch nicht von dummen Liberalen? Muss man mit jedem Punkt und Komma einverstanden sein, um es gut zu finden, wenn Rassist*innen öffentlich bloßgestellt werden?

Vor allem wirft es die Frage auf: Wieso kamen solche Aktionen nicht von Gruppen mit revolutionärem Anspruch innerhalb der Linkspartei wie Marx21, der SAV, dem Funken usw.? Es ist geradezu beschämend, die Brandmarkung Wagenknechts Rassismus solch rechten Kräften zu überlassen. (Und wenn das „unpolitisch“ klingt, dann gern auch mit einem Ausschlussantrag gegen Wagenknecht.) Enttäuschend ist das selbst ein linksradikales Medium wie LowerClassMagazine Wagenknecht in Schutz nimmt – nur weil manche ihrer Kritiker*innen ja noch reaktionärere Schweine sind.

Was ist die Linkspartei?

Die Analyse der „Attentäter*innen“ ist Quatsch: Sie meinen, die Linkspartei sei Zwilling der AfD, teile sich mit ihr die Arbeit als Protestpartei und wolle vor allem völkische Reinheit auf der Welt.

Tatsächlich ist die Linkspartei eine chauvinistische, bürgerliche Arbeiter*innenpartei. Das heißt, sie nimmt die Interessen der Aristokratie der Arbeiter*innenklasse (und vor allem der niedrigen Rängen der Gewerkschaftsbürokratie) auf und gießt sie in ein bürgerliches Programm des Mitregierens. Das bedeutet ganz konkret eine Praxis der Privatisierungen (Berlin) und Abschiebungen (Thüringen).

Die AfD dagegen ist nicht sozialchauvinistisch, sondern eine kleinbürgerliche und offen rassistische Partei ohne sozialen Anstrich. So lehnt sie den Mindestlohn ab und ist in jeder Hinsicht arbeiter*innenfeindlich – besonders gegen Arbeiter*innen aus anderen Ländern, aber auch gegen die „Einheimischen“. Ihre irrationalen Antworten auf die Krise bestehen nicht in Verteilung von Mangel, wie bei der Linkspartei, sondern in Abschottung. Mit Pegida hat sie einen protofaschistischen Ausdruck auf der Straße, der für Gewalt gegen Geflüchtete zuständig ist.

Um den Rechtsruck zu bekämpfen, brauchen wir keine sozialchauvinistischen Parteien. Wir brauchen eine starke antirassistische Bewegung, die sich der AfD und Pegida ebenso entschlossen entgegenstellt wie dem Rassismus der Bundesregierung – und allen Parteien, die Abschiebungen mittragen.

Seit einem Jahrzehnt versuchen Gruppen mit revolutionärem Anspruch, die Linkspartei „von innen zu verändern“ oder Teile herauszubrechen. Nichts ist passiert. Nichts. Wir brauchen eine unabhängige Organisierung der Jugendlichen, Arbeiter*innen und Unterdrückten – unter einem revolutionären Banner, unverschmutzt vom Chauvinismus.

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