Souveränes Europa: Eine linke Dystopie

22.04.2025, Lesezeit 40 Min.
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Bekommt Europa am Ende doch einen Platz an der Sonne? Bild: Henri Lajarrige Lombard

Was haben Karl Kautsky, Jan van Aken und Sahra Wagenknecht mit Boris Pistorius gemeinsam? Sie eint der Wunsch nach einem souveränen Europa. Ein fortschrittlicher Wunsch ist es aber nicht.

Verteidigungsminister Boris Pistorius war es, der den neuen deutschen Anspruch offen ausgesprochen hat. „Deutsche Kriegstüchtigkeit“ lautet die Losung. Mit der Zeitenwende der Ampel-Regierung begann eine Offensive gegen den historisch verankerten Pazifismus. Die kommende Merz-Regierung wird sie verstärken. Was einst als Lehre aus Faschismus und Weltkrieg galt, wird nun als Ballast entsorgt. Getragen wird diese Entwicklung durch Narrative, Putin würde auf Brandenburg zielen und die USA seien unter Trump kein verlässlicher Schutzpatron mehr. Die Rufe nach „Verteidigung“ werden lauter – nur ein Euphemismus für die nationale Aufrüstung. Es handelt sich um einen groß angelegten ideologischen Kampf, bei dem die linken Kräfte keine gute Figur machen.

Der Ruf nach „Souveränität“ verbindet längst nicht mehr nur rechte Kräfte. Er zieht sich von der AfD bis hin zu linkspopulistischen Figuren wie Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon, die dem Nationalismus einen sozialen Anstrich geben. Was bleibt von linker Politik, wenn sie die nationale Souveränität zur letzten Utopie macht?

Und die Linkspartei hängt ihr Mäntelchen nach dem Wind. Nach einem Wahlkampf, der ihr neue Beliebtheit verschafft hat, ist sie bei der ersten Probe durchgefallen, als Bremen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat für die Aufrüstung gestimmt haben. Der Parteivorsitzende Jan van Aken will „Europa als Friedensmacht“ etablieren. Es handelt sich dabei um eine europäische Form des Souveränismus. Im folgenden Artikel betrachten wir die Grundlage, auf der die Linkspartei dabei ist, mit den pazifistischen Werten zu brechen.

Das Ende des Pazifismus

Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge wären rund 17 Prozent der Bevölkerung bereit, im Falle eines militärischen Angriffs das Land mit der Waffe zu verteidigen. Das entspricht mehreren Millionen Menschen im wehrfähigen Alter. Schwarz-Rot hat vor, einen freiwilligen Wehrdienst nach schwedischem Modell einzuführen, behält sich aber vor, diesen verpflichtend zu machen, wenn die Zahl der Rekrutierten zu gering ausfällt. Zwar lehnen die Jugendlichen mehrheitlich die Wiedereinführung der Wehrpflicht ab, doch bei den Umfragen für eine „soziale Dienstpflicht“1 gibt es eine knappe Mehrheit dafür. Auch unter den Parteien des neuen Bundestags gibt es eine Mehrheit für die Einführung des Pflichtjahres.

Schon vor Trumps Amtsantritt gab es angesichts des Kriegs in der Ukraine Skepsis daran, dass die USA unter seiner Führung weiterhin die militärische Sicherheit in Europa garantieren werden. Dies hat sich nur verstärkt. Laut einer ZDF-Umfrage befürworten 76 Prozent und Mehrheiten der Wähler:innen aller Parteien die Aufrüstung der Bundeswehr, auch wenn dafür zusätzliche Schulden gemacht werden müssen. 

Es findet ein Umdenken statt. Historisch gesehen war Deutschland in der NATO stets ein bedeutender Verbündeter, der im Kalten Krieg als Vorposten gegen den Warschauer Pakt2 diente. Die Bundeswehr wurde aufgerüstet und Hunderttausende NATO-Truppen – vor allem aus den USA – waren in der BRD stationiert. Das Land diente als strategischer Stützpunkt der USA, inklusive der Beherbergung von Atomwaffen.3 Nach dem Zweiten Weltkrieg begriff sich die Bundesrepublik als pazifistisch, in dem Sinne, dass sie keine eigenen Kriege ohne Verbündete starten würde. Pazifismus ist hier ein sehr relativer Begriff, da sich Deutschland ab 1955 wieder bewaffnete und mit großer Truppenstärke für einen Krieg bereit hielt. Er bedeutet auch nicht, dass die BRD sich bislang aus militärischen Konflikten herausgehalten hätte. Dies gilt insbesondere für die Einsätze im Kosovo und in Afghanistan. Ebenso hat Deutschland Waffen in viele kriegführende Länder geliefert, wie aktuell an die Ukraine oder an Israel beim Genozid in Gaza, in die Türkei oder an Saudi-Arabien 

Es war der Pazifismus der „Pax Americana“, die vor allem von der militärischen Dominanz der Vereinigten Staaten geprägt war. Während dieser Zeit war es für europäische Staaten, einschließlich Deutschland, relativ einfach, auf die militärische Präsenz der USA zu vertrauen. Es war jene weltgeschichtliche Etappe, die relativ stabile und sichere Bedingungen innerhalb des westlichen Bündnissystems sicherstellte. 

Im Protest gegen die Aufrüstung liegen die historischen Wurzeln der Friedensbewegung, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine bedeutende Rolle spielte. Ein Teil dieser Bewegung fand seinen Weg in die Grüne Partei, die sich jedoch im Laufe der Zeit um 180 Grad zu einer bellizistischen, also kriegstreiberischen Partei gewandelt hat. Seit dem Kosovo-Krieg (1999), als Joschka Fischer als Außenminister den ersten deutschen Kampfeinsatz seit 1945 mitverantwortete, haben die Grünen ihre pazifistischen Wurzeln endgültig abgelegt. Vom Afghanistankrieg über die Unterstützung militärischer Einsätze in Mali bis hin zu den massiven Waffenlieferungen an die Ukraine prägen sie heute eine Außenpolitik, die zunehmend auf militärische Stärke setzt. Mit dem Beginn des Ukrainekriegs und später dem Genozid in Gaza hat der grüne Bellizismus einen Sprung gemacht. Die verbliebenen Elemente der pazifistischen Bewegung finden ihren Ausdruck jährlich in den Ostermärschen sowie in Mobilisierungen gegen die NATO-Sicherheitskonferenz. 

Der staatliche Pazifismus ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Die außenpolitische Neuausrichtung der USA unter Trump, deren Wurzeln aber bereits Obama mit dem „Pivot to Asia“ legte, bedeutet eine Abkehr ihrer Rolle als „Sicherheitsgarant“ in Europa. Sie stellt einen Bruch mit der Nachkriegsordnung und dem Kalten Krieg dar. In Europa löste sie eine tiefgreifende Krise der transatlantischen Beziehungen aus. Die Abkehr der USA zwingt viele europäische Staaten dazu, ihre Militärstrategien zu überdenken. Um in der sich wandelnden Weltordnung eine aktive Rolle spielen zu können, setzt Deutschland auf eine „kriegstüchtige“ Bevölkerung. Die Karte der militärischen Drohung verdrängt die Karte der Diplomatie. Boris Pistorius fasste diese Logik gemäß dem antiken römischen Militärtheoretiker Flavius Vegetius in einem Interview mit dem Stern zusammen: „Wer Frieden will, muss auf den Krieg vorbereitet sein.“ Demnach könne es nur Frieden geben, wenn die möglichen Kosten für den Feind höher liegen als der Ertrag. Aufrüstung diene der Abschreckung. Wir hören dieses Argument seit dem russischen Angriff im Februar 2022 zur Genüge. Um Putins Vormarsch zu stoppen, müsse man ihm nun eine schlagkräftige Armee entgegenstellen.

Putin schielt auf Osteuropa, Trump auf Grönland und auch sonst kann man sich nicht mehr auf die US-Sicherheitsgarantien verlassen, so die Aussagen der tragenden Parteien des deutschen Regimes, CDU/CSU, SPD und Grüne. Die Zusammenarbeit in der NATO und die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen stehen auf dem Spiel. Trump versucht, der Welt mit seinen Schutzzöllen einen umfangreichen Handelskrieg aufzuzwingen, auch wenn er vorerst zurückrudern musste. Und politisch hat sich Elon Musk mit der Unterstützung der AfD offensiv in die deutsche Innenpolitik eingemischt. Der Ruf nach Souveränität ist also dem Umstand geschuldet, dass Deutschland nicht länger im Schutz der USA mitschwimmen kann.

Dies gibt dem nationalistischen Souveränismus Auftrieb, wie er von der AfD eingefordert wird. Und auch der Ruf nach „europäischer Souveränität“ wird zunehmend lauter, von Macron, den Grünen bis zur Linkspartei. Die Debatte über mehr strategische Autonomie und die Notwendigkeit einer gesamteuropäsichen Aufrüstung ist voll im Gange. Doch es bleibt nicht nur diskursiv. Das gigantische Aufrüstungsprogramm ist in Eiltempo durch den alten Bundestag und den aktuellen Bundesrat durchgepeitscht worden. Die neue Regelung ermöglicht es, alle Kreditaufnahmen für die Aufrüstung von der Schuldenbremse auszunehmen – in theoretisch unbegrenzter Höhe. Auch auf europäischer Ebene sollen 800 Milliarden Euro in die Aufrüstung gesteckt werden.

Doch aus der Linkspartei bleibt der Gegenwind nicht nur aus. Mit der Abstimmung im Bundesrat folgt sie derselben Logik. Der Grandseigneur der Linken, Gregor Gysi, drückt das folgendermaßen aus: 

Die USA fürchten, dass China zur Weltmacht Nummer eins aufsteigt, weshalb sie glauben, autoritärer werden zu müssen, um effizienter zu agieren. Das zwingt uns dazu, ernsthaft für unsere Freiheit, unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen – sowohl gegen innere als auch äußere Bedrohungen.

Seine Schlussfolgerung besteht darin, dass „Europa als Ganzes handlungsfähig sein muss“. Alleine hätten die Nationalstaaten keine Chance. Im Einklang mit den Bestrebungen des deutschen Imperialismus wird aus dem „diplomatischen“ Pazifismus ein „Aufrüstungs-Pazifismus“. Weiter schreibt Gysi auf X:

Wir müssen uns – von der CSU bis zur Linken, aber auch mit Gewerkschaften, Kirchen, Unternehmerverbänden, Künstlern und Wissenschaftlern – darauf verständigen, dass wir unsere Grundfesten von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam verteidigen.

Es ist nötig, sich zu vergegenwärtigen, mit wem Gysi hier die Einheit sucht: den Kapitalverbänden, deren Firmengeschichten bis in die NS-Zeit zurückreichen. Gysi drückt offener als jede andere Figur seiner Partei aus, dass er die Perspektive in der Unterordnung unter das Kapital sieht.

Die Idee des europäischen Souveränismus

Gysi reiht sich dadurch ein in die Front der „europäischen Souveränität“, auch wenn er sie von links korrigieren mag. Der Reformismus kann sich in dieser Zuspitzung nicht mehr auf friedenspolitische Phrasen beschränken. Der Druck ist gewaltig gestiegen, unter dem Narrativ: „Aus dem Westen kommt Trump, aus dem Osten kommt Putin.“ Dies ist der zentrale Grund, weshalb sich die Linkspartei bei der Abstimmung im Bundesrat nicht einfach auf pazifistische Positionen zurückziehen konnte. Doch es ist nicht nur die Ideologie, die hinter diesen Wende steht, sondern die materiellen Interessen der Linkspartei in Landesregierungen. Die Linkspartei wirft Sahra Wagenknecht und dem BSW richtigerweise Sozialchauvinismus vor, doch in dieser Hinsicht handelt sie selbst sozialchauvinistisch. Damit sie die Regierungen nicht platzen lässt, hat sie sich gebeugt und dabei mit der Verwendung von Geldern des Sondervermögens für „wohlfahrtstaatliche“ Reformen argumentiert. Der Anspruch, imperialistische Staaten und Institutionen zu verwalten, wird immer wieder solche Fälle produzieren.

Der europäische Souveränismus zielt auf eine strategische Neuformierung der herrschenden Klasse in Europa ab – eine Reaktion auf die Krise der transatlantischen Ordnung und den wachsenden globalen Wettbewerb. Er dient der Reorganisation imperialistischer Handlungsfähigkeit nach außen und autoritärer Austeritätspolitik nach innen. Es handelt sich um eine Vision der europäischen Bourgeoisien, in der Europa als Einheit eigenständig politische, wirtschaftliche und militärische Entscheidungen trifft und den wirtschaftlichen Einfluss der vor allem deutschen und französischen Bourgeoisien ausweitet. Das Programm dafür heißt „strategische Autonomie“. Sie räumt der „wirtschaftlichen Unabhängigkeit“ und den „Sicherheits- und Verteidigungsfragen“ Vorrang ein. 

Europa ist ein von vielen Widersprüchen durchzogener Staatenbund, weshalb ein europäischer Souveränismus immer brüchig sein muss. Die EU hat immer wieder Spaltungen erlebt in Phasen wie der Eurokrise (mit der Austeritätspolitik in Griechenland als schärfster Ausdruck), Brexit und Rechtsruck (Anti-Migrationsgesetze, Abschiebungen, rechter Terror, Abschottung der Grenzen, Militarisierung). Sie ist heute alles andere als eine souveräne Einheit. Mit dem Ukrainekrieg hat die EU zwar durch Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen für die Ukraine eine fragile Einheit herstellen können (durch die De-facto Eliminierung der Position Ungarns). Die EU gegen Russland und Trump zu vereinheitlichen, ist eine Dystopie. Nicht nur Ungarn, sondern Akteure wie Polen oder Italien sehen keinen Vorteil darin, sich einem von Deutschland und Frankreich dominierten Souveränitätsprojekt unterzuordnen, etwa mit der Abschaffung des Konsensprinzips in europäischen Abstimmungen. Zur Vertiefung der deutsch-französischen Partnerschaft gehören zudem Rüstungsprojekte wie das Future Combat Air System (FCAS) für die militärische Luftfahrt und das Main Ground Combat System (MGCS) zur Entwicklung eines Kampfpanzers sowie die nuklearen Teilhabe Deutschlands unter dem Schirm Frankreichs. Es gibt allerdings keine Macht, die bisher zu einer klaren Führungsrolle in der Lage ist. Der europäische Souveränismus ist trotz der immensen Aufrüstungsbemühungen schwach und in der Defensive.

Souveränität von links?

Mit der AfD gibt es eine rechte Vision des Souveränismus. Ihre Vorstellung eines „Deutschlands in Europa“ ist die eines Hegemons. Im Inneren durch rechten Bonapartismus (sie sind Bewunderer von Trump und Musk), der sowohl auf Zwang gegen die Migration, Queers, Frauen und Linke als auch dem Versprechen basiert, die Monopolkonzerne wieder Wettbewerbsfähig zu machen, für die „deutschen Arbeiter“ Jobs zu schaffen und die Mittelschicht zu retten. Ein Deutschland, das seine eigene wirtschaftliche Vormachtstellung verteidigt, ohne sich dabei an kollektive Spielregeln binden zu müssen. Die AfD kritisiert die NATO nicht aus einer friedenspolitischen Perspektive, sondern weil sie die Dominanz der USA als Einschränkung eigener Handlungsfähigkeit betrachtet. Der rechte Souveränismus kristallisiert sich als ideologische Antwort auf die Repräsentationskrise heraus: Protektionismus, Fokus auf fossilen Kapitalismus, Aufrüstung nach innen und außen, rassistische Abschottung und ethnische Säuberung durch Remigration. 

Zu den Vertreter:innen eines linken, europäischen Souveränismus gehören aktuell Podemos und die Linkspartei. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Jean-Luc Mélenchons La France insoumise (LFI) setzen sich für einen nationalstaatlichen Souveränismus ein. Beide Flügel haben eine populistische Weltanschauung und Sozialchauvinismus gemeinsam, doch die politischen Strategien trennen sie voneinander. Beide Flügel sind in sozialen Bewegungen verankert und möchten den Kapitalismus mit wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen verwalten. 

Die LFI unter Mélenchon zielt auf eine „nationale Wiederbelebung“ Frankreichs – gegen die neoliberale EU und die technokratischen Eliten in Brüssel. Mélenchon fordert den Austritt Frankreichs aus der NATO und eine unabhängige Verteidigungspolitik. Gleichzeitig befürwortet er jedoch eine Stärkung der französischen Militärkapazitäten, einschließlich der Aufrüstung auf See und im All. Sein Nationalismus verschleiert den imperialistischen Charakter des französischen Staates – als wäre er ein abhängiger, unterdrückter Staat. Unter dem Schlagwort révolution citoyenne – also der „Bürgerrevolution“ – spricht Mélenchon von einem Bruch mit der bestehenden Ordnung, der aber nicht entlang der Klassenlinie Bourgeoisie versus Arbeiter:innenklasse gedacht ist, sondern entlang des Antagonismus Volk gegen Oligarchie, Elite, oder Technokratie. Dementsprechend ist er bereit, mit den bürgerlichen Teilen zu fusionieren, die nicht unter die „Eliten“ fallen. Er verwässert den Klassenantagonismus und vermittelt zwischen den Klassen. 

Die Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire, NFP), die angeblich in historischer Eile gegründet wurde, um den drohenden Sieg von Marine Le Pens Rassemblement National zu verhindern, ist eine natürliche Folge seiner Strategie. Auch wenn Mélenchon sich als „Internationalist und Humanist“ darstellt, ist er nichts anderes als ein Handlanger des französischen Imperialismus, der den Migrant:innen vorwirft, den einheimischen Arbeiter:innen das Brot zu klauen, und die Kolonie Guayana als Protektorat des französischen Staates betrachtet. Zudem betont Mélenchon die strategische Bedeutung der Überseegebiete für Frankreichs maritime Präsenz. Er hebt hervor, dass 97 Prozent des französischen maritimen Territoriums in den Überseegebieten liegen, was Frankreich zur zweitgrößten maritimen Nation der Welt mache. Es geht ihm darum, einen imperialistischen Weg zu entwickeln, der speziell auf Frankreich zugeschnitten ist und auf „Partnerschaften“ mit halbkolonialen und abhängigen Ländern in Asien und Afrika setzt. Ziel ist es, dort eine lokale, moderne Bourgeoisie zu schaffen, die wirtschaftlich mit Frankreich zusammenarbeitet und dessen Interessen unterstützt. 

Mélenchons Kritik an der EU ähnelt der von Wagenknecht in mehreren Punkten: Die EU sei ein unkontrollierbares, neoliberales Gebilde, das Sozialabbau und Privatisierungen systematisch durchsetze. Auch die Nähe zu Russland zeigt Gemeinsamkeiten. Sowohl Mélenchon als auch Wagenknecht bedienen sich dabei einer Sprache, die „die Eliten“ kritisiert, den Globalismus angreift und nationale Autonomie in den Mittelpunkt stellt. 

Unter der Kanzlerschaft Merkels gab es weniger Raum für einen „Linkspopulismus“ in Deutschland, weil die BRD den EU-Ländern in der Eurokrise der 2010er Jahre die Spar- und Privatisierungsmaßnahmen aufdrückte, was das deutsche Kapital deutlich stärkte. Die deutschen Regierungen haben auch die Stellvertreterkriege in Afrika und Westasien unterstützt und davon profitiert. Der deutsche Imperialismus war absolut nicht in einer Stellung, in der seine „Souveränität“ in Frage gestellt würde. 

Doch die relativ stabile deutsche Führung über die EU war von kurzer Dauer. Die Krise des Globalismus ist eine deutsche Krise. Deutschlands wirtschaftliches Modell – exportgetrieben, industriell fokussiert, eingebettet in den Multilateralismus – ist in eine strategische Sackgasse geraten. Der Handelskrieg zwischen den USA und China erschüttert die gesamte Welt, allen voran deutsche Unternehmen.4 Die EU ist inzwischen in einer multiplen Krise und alles andere als einheitlich. Der Ukrainekrieg hat mehrere Länder, auch Deutschland, in eine Phase der hohen Inflation geführt. Jahrzehntelang hat Deutschland seine Industrie auf billiges russisches Gas gestützt, massenhaft Kapital und Waren nach China exportiert und in der EU eine brutale Austeritätspolitik durchgesetzt. Jetzt, wo das nicht mehr funktioniert, wo Energie teurer ist, die Globalisierung ins Stocken gerät und andere Wirtschaftsräume protektionistische Maßnahmen einführen, herrscht Panik. Die materiellen Bedingungen für eine Basis des Linksnationalismus sind reifer geworden. In diesem politischen Klima gewinnt der Souveränismus eine neue Attraktivität – nicht nur im rechten Lager, sondern auch in Form eines „linken“ Projekts.

Das BSW hat zwar mit dem Verlust seiner Bundestagsfraktion einen empfindlichen Rückschlag erlitten – doch seine politische Funktion ist keineswegs damit erschöpft. Denn wir leben in einer Situation, in der sich die soziale Krise mit einer geopolitischen Neuordnung überlagert – verschärfte Aufrüstung, neue Blockkonflikte, Protektionismus, Energiekrise. 

Der Soziologe Wolfgang Streeck ist zwar nicht offiziell der Denker von BSW, aber seine Kritiken an die EU, Migrationspolitik und Globalismus spiegeln sich sehr stark in den politischen Positionen von Sahra Wagenknecht und ihrer Partei wider. Nicht umsonst empfahl ihn Sevim Dağdelen mit der Wortwahl „Lesen und Lernen!“. So definiert sich Streeck als Sympathisant des BSW. Er nimmt Sahra Wagenknecht in Schutz, da die Rückkehr zur nationalen Souveränität der einzige Weg sei: 

‚Wagenknecht, das ist doch nationalistisch, was die macht!‘ Ja, was denn sonst, wir haben Nationalstaaten, das ist letztendlich unser einziges potenziell effektives Instrument, um unsere Interessen als Gesellschaft zu formulieren und zur Geltung zu bringen.

Wagenknecht erklärt die Souveränität darin, dass sich die eigene Nation gegenüber dem US-Imperialismus behaupten und seiner Abhängigkeit entledigen müsse. Deutschland ist aber kein abhängiges Land. Streeck und BSW ignorieren, dass Deutschland nicht das Opfer der EU ist, sondern ihr Hauptprofiteur. Deutschland ist nicht einfach nur ein „exportabhängiges Land“, sondern die dominante Wirtschaftsmacht innerhalb der EU. Der deutsche Imperialismus funktionierte nicht trotz der EU, sondern durch sie. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion sichert deutschen Unternehmen nicht nur den Zugang zu einem riesigen Binnenmarkt, sondern lässt sie auch von der Ausbeutung der Arbeiter:innen in Süd- und Osteuropa sowie Lateinamerika, Asien und Afrika mit ungleichen Handelsverträgen profitieren. Die deutsche Industrie, insbesondere der Maschinenbau, die Autoindustrie und die Chemiebranche, lebt vom Zugang zu internationalen Märkten. 

Es geht also darum, dass BSW ähnlich wie Mélenchon die Vorstellung teilt, einen „unabhängigen“ eigenen Imperialismus zu etablieren. Der Fokus auf die Nationalstaatlichkeit ist nicht bloß ein Ruf nach demokratischer Selbstbestimmung, sondern trägt eine klare sozialchauvinistische Grundlage. Sahra Wagenknecht vertritt ständig die Notwendigkeit von Einschränkungen in der Migrationspolitik, um für die deutsche Bevölkerung einen „Sozialstaat“ zu garantieren. Ihr „Sozialstaat für Deutsche“ ist kein Projekt sozialer Gerechtigkeit, sondern beruht auf der Ausgrenzung besonders von Geflüchteten, Migrant:innen und allen, die als „nicht zugehörig“ markiert werden. Die Forderung nach der Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 2 ist Ausdruck einer strategischen Orientierung auf eine „unabhängige deutsche Energiepolitik“, die sich vom Westen und insbesondere den USA emanzipieren soll, um die geopolitische Handlungsfähigkeit des deutschen Nationalstaats wiederherzustellen. 

Wolfgang Streeck will zurück zum Nationalstaat. Für ihn ist die EU ein neoliberales Projekt ohne demokratische Kontrolle – also müsse man sie hinter sich lassen. Der Nationalstaat soll zurückkehren: als Schutzraum, als soziales Gegengewicht, als demokratische Rettungsinsel. Das klingt auf den ersten Blick systemkritisch. Aber ist es das wirklich?

Streeck argumentiert, dass echte demokratische Kontrolle nur im Rahmen souveräner Nationalstaaten gewährleistet werden kann. Er kritisiert die EU dafür, dass zentrale Institutionen wie die EU-Kommission nicht direkt demokratisch legitimiert sind. Seine Vision für Europa basiert auf der freiwilligen Kooperation souveräner Staaten, da die Vorstellung eines zentralisierten Europas nach deutschem Vorbild außerhalb Deutschlands keine Unterstützung mehr finden würde

Hauptaufgabe wäre, sich ehrlich zu machen und die zentrale Rolle der Nationalstaaten im europäischen Staatensystem anzuerkennen, statt sie zu beklagen – und davon abzusehen, ‚europäische Lösungen‘ zu fordern, wo es sie nicht geben wird. Zur Behebung des ‚demokratischen Defizits‘ gilt es, statt stereotyp nach mehr Kompetenzen für ein europäisches Parlament zu verlangen, das keines ist und keines sein kann, die europäische Rolle der Parlamente der Mitgliedstaaten zu stärken.

Insgesamt muss man das in den EU-Verträgen proklamierte Subsidiaritätsprinzip ernst nehmen und ablassen von der illusorischen Hoffnung auf eine integrierte Superpolitik mit einheitlichen Superlösungen in einem europäischen Superstaat, aufgebaut nach dem Modell des europäischen, insbesondere des deutschen Nationalstaats, nur größer, schöner und unschuldiger. Genau dies ist die Stoßrichtung des BSW-Programms.

Streeck hat Recht, wenn er die EU als ein auf Ungleichheit und Ausbeutung basiertes Konstrukt beschreibt, das weder demokratisch legitimiert noch reformierbar ist. Doch was Streeck als Rückgewinnung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit bewirbt, ist in der Tat nichts anderes als eine Neuformierung nationalstaatlicher Interessen unter veränderten Bedingungen des globalen Kapitalismus. Die Vorstellung von nationaler Souveränität richtet sich nicht gegen die kapitalistische Wirtschaftsweise, sondern gegen ihre vermeintliche Entgrenzung durch Globalismus und Migration. 

Streeck zieht aus der Globalisierungkrise die Lektion von der „Rückkehr in den Nationalstaat“ als vermeintlich letzte Bastion demokratischer Kontrolle. Was dabei unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass diese „nationale Demokratie“ nie außerhalb der imperialistischen Weltordnung existieren kann – weder in Frankreich, noch in Deutschland. Der deutsche Nationalstaat ist kein Schutzraum gegen Globalisierung – sondern selbst Träger imperialistischer Interessen. 

Die Vorstellung, Nationalstaaten würden die Völker repräsentieren, ist grundfalsch. Denn sie übersieht den grundlegenden Widerspruch jeder kapitalistischen Gesellschaft: Das „Volk“ ist keine homogene Einheit, sondern gespalten in antagonistische Klassen mit gegensätzlichen Interessen. Der bürgerliche Staat entsteht nicht aus einem kollektiven Willen der Gesellschaft, sondern aus der Notwendigkeit, diese Gegensätze politisch zu verwalten. Er ist kein neutraler Schiedsrichter, sondern ein Instrument der Klassenherrschaft: eine staatlich fixierte Form der Ausbeutung, die mit Polizei, Justiz, Bürokratie und Armee aufrechterhalten wird. 

Was sich in Wahlen, Regierungen oder nationalen „Souveränitätsfragen“ ausdrückt, ist nicht die Reife der „Zivilisation“, sondern das Kräfteverhältnis der Klassen. Sie ersetzen Klassenverhältnisse durch eine imaginäre Volksgemeinschaft. Die Regierungen schützen nicht vor globaler Ausbeutung – sie organisieren sie. Die Souveränität des kapitalistischen deutschen Staates hängt davon ab, wie stark er als imperialistischer Akteur auftreten kann. Wer im Namen der sozialen Gerechtigkeit auf nationale Souveränität setzt, öffnet das Tor für rechte Antworten. Streecks Vision ist in den Worten Lenins eine „reaktionäre Utopie“.

Europa als „Friedensmacht“?

Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken leitet aus der aktuellen transatlantischen Krise ab, dass nicht die NATO, sondern Europa selbst für seine Sicherheit sorgen müsse. Dabei ist er sich nicht einmal zu schade, Emmanuel Macron beizupflichten, zu Recht Hassfigur der französischen Arbeiter:innenklasse. In einem Interview mit dem RND meinte van Aken: 

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bereits vor einem Jahr gesagt, dass wir die Sicherheit europäisch denken müssen, mit größerer europäischer Autonomie. Und das ist ja die logische Folge der Wahl von Donald Trump. Auf Trump ist kein Verlass, also müssen wir Sicherheit europäisch denken und die europäischen Nato-Staaten sind zusammen sehr gut gerüstet für die Landesverteidigung.

Nun wäre es unzutreffend zu behaupten, dass Die Linke mit solchen Aussagen van Akens oder ihren Stimmen im Bundesrat einfach ideologisch in das Lager der uneingeschränkten Hurra-Kriegstreiber:innen à la Friedrich Merz oder Robert Habeck übergelaufen wäre. Angesichts der aggressiven Aufrüstungspolitik unter Scholz beziehungsweise Merz und Macron, der Militarisierung der Außenpolitik und der autoritären Umbauten im Inneren wirkt der Vorschlag, Europa als Friedensmacht zu gestalten, zunächst wohltuend – eine scheinbar vernünftige Alternative zum Bellizismus der Regierungspolitik. 

In einem Interview in der TAZ konzipierte van Aken seine Vision von „Europa als Friedensmacht“. Darin nimmt er positiven Bezug auf den Friedensplan für die Ukraine, vorgestellt von Brasilien und China im Mai 2024 und unterstützt durch die Schweiz. Diese legten sechs Punkte vor: Deeskalation auf dem Schlachtfeld, Vorrang der Diplomatie, humanitärer Schutz, kein Einsatz von Nuklearwaffen, keine Angriffe auf Atomkraftwerke und internationale Zusammenarbeit.

Die Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt van Aken zwar ab, doch klingt seine Position keineswegs unumstößlich: 

Mein Credo ist immer noch, dass es zwischen Waffenlieferungen und gar nichts machen, ganz viel gibt, aber nichts davon ist versucht worden. Deswegen bin ich weiter gegen Waffenlieferungen, weil die anderen Dinge erst versucht werden müssen.

Was definiert diese „anderen Dinge“? In einem früheren Interview im nd befürwortete er Sanktionen gegen Russland, die sich gegen dessen „Kriegskasse“ richten müssten. Dabei gibt er selbst zu, dass die „friedlichen“ Mittel begrenzt seien: „Russland akzeptiert den Status quo nicht, es will Grenzen verschieben. Das ist ein großer Unterschied, der die Diskussion um friedliche Konfliktlösungen so schwierig macht.“ 

Eine unbegrenzte Aufrüstung hingegen könnte jede Perspektive zunichtemachen, wieder eine Balance der Mächte herzustellen. Sie sei gar nicht notwendig gegen Russland: „Kaufkraftbereinigt stehen 430 Milliarden Dollar an jährlichen Militärausgaben der europäischen Nato-Staaten 300 Milliarden Dollar Russlands gegenüber.“

Nun trifft van Aken einen berechtigten Punkt: Die Panikmache, dass Putin auf Berlin marschieren könnte, dient einzig dazu, eine Aufrüstung zu rechtfertigen, um damit deutsche Großmachtambitionen durchzusetzen. Russland ist militärisch zwar ein bedeutender Akteur, aber seine Fähigkeiten sind deutlich begrenzter als oft dargestellt. Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine ist ein erheblicher Teil seiner konventionellen Kräfte gebunden – sowohl personell als auch materiell. Der Krieg hat offenbart, dass selbst der Versuch, einen Nachbarstaat wie die Ukraine schnell zu unterwerfen, scheiterte. Eine Invasion in ein hochgerüstetes NATO-Land wie Deutschland wäre ein völlig anderes, ungleich komplexeres Unterfangen.

Van Akens Argument ist, dass die europäischen Staaten gemeinsam militärisch schon so stark sind, dass sie sich auch ohne weitere Aufrüstung verteidigen können. Eine „Friedensmacht“ Europa bedeutet in dieser Logik nicht ein demilitarisiertes Europa. Die Vision van Akens bezieht sich auf das Ausbalancieren der Großmächte. Dementsprechend bezieht er sich positiv auf das Angebot, dass China sich an möglichen Friedenstruppen in der Ukraine beteiligen könne. Hinter dem Vorschlag sieht er eine realistische Sicherheitsgarantie, denn „ganz sicher wird Russland nicht auf chinesische Blauhelme schießen.“ 

Mit einer kooperativen Sicherheitsarchitektur könne Europa seine Interessen mit China, Russland und den USA aushandeln, statt eine „vierte Weltmacht“ darstellen zu wollen. So meint van Aken:

Europa müsste mit seinen Nachbarländern und auf dem großen eurasischen Kontinent langfristig kooperative Sicherheitsabkommen schaffen. Mit Russland ist das im Moment nicht denkbar. Das heutige Russland will das nicht. Doch überall, wo das möglich ist, sollte man auf kooperative statt militärische Lösungen setzen.

Auch wenn seine Ideen weit von ihrer Verwirklichung entfernt sind, versucht van Aken eine umfassende Vision für eine andere Ausrichtung der internationalen Politik zu entwickeln. Angesichts der Frustration, die große Teile besonders der jungen Wähler:innen mit den etablierten Parteien verspüren, kann die Linkspartei doch eine gewisse Anziehung erfahren. Doch gerade diese Attraktivität macht die Position gefährlich, weil sie ein falsches Verständnis von den strukturellen Dynamiken des Imperialismus fördert. Seine Perspektive bleibt in der Logik der europäischen „Sicherheitsinteresssen“. Der Rekurs auf diplomatische Optionen erscheint bei ihm nicht als Bruch mit den herrschenden Verhältnissen, sondern als Versuch, innerhalb der imperialistischen Ordnung einen etwas „zivileren“ Ton anzuschlagen.

Mit diesem Diskurs will die Linkspartei den Aufschwung an ihrer Basis und in ihrer Wähler:innenschaft für ein bürgerliches Projekt kooptieren. Es ist ein Weg, der die Jugend und Arbeiter:innenbewegung einer sich verändernden weltpolitischen Lage schutzlos ausliefert und die Opposition gegen die Regierung von Friedrich Merz und seine reaktionären Vorhaben schwächt. Nach der Abstimmung im Bundesrat schreiben wir in unserem offenen Brief an die Mitglieder der Linkspartei:

Denn wenn die Politiker:innen sagen, die Aufrüstung sei nötig, um ‚Freiheit und Sicherheit‘ zu verteidigen, meinen sie nicht die Freiheit und Sicherheit der Arbeiter:innen und Jugend, sondern die der deutschen Banken und Konzerne, weiterhin Arbeitskraft und Ressourcen in aller Welt auszubeuten. Deutschland will selbst beim Kampf um Einflusssphären und Investitionsmöglichkeiten blutige Militärinterventionen und Stellvertreterkriege führen. Während die Aktienkurse der Rüstungskonzerne ins Unermessliche klettern, tragen die Arbeiter:innen die Kosten.

Beim Abstimmungsverhalten im Bundesrat handelt es sich nicht um einen Unfall oder um das Ausscheren einiger besonders rechter Vertreter:innen der Partei. Wie wir zur „Erneuerung“ der Partei schrieben, wurde die Frage der Aufrüstung, „wenn überhaupt, nur ökonomisch diskutiert, also im Sinne einer Gegenüberstellung zu nötigen Sozialausgaben.“ Eine konsequente Opposition gegen Merz, der die Aufrüstung mittels Krediten für die Infrastruktur auch der Linken schmackhaft machte, ergibt sich daraus nicht.

Eine Debatte zu Friedensutopien

Die Vorstellung einer „Friedensmacht Europa“ wird mit der Zustimmung zur Aufrüstung zur Farce. Die Idee, dass ein solches Europa möglich wäre, ist aber nicht neu. Schon in der (damals noch sozialistischen) Sozialdemokratie gab es Debatten darüber, wie dies aussehen würde. 1911 schrieb Karl Kautsky aus dem Zentrum der SPD in der Neuen Zeit über die Möglichkeit der „Vereinigten Staaten von Europa“ mit einer gemeinsamen Handelspolitik, Regierung und Armee:

Diese Vereinigten Staaten besäßen eine solche Übermacht, dass sie ohne jeglichen Krieg alle andern Nationen, soweit sie sich ihnen nicht freiwillig anschlössen, dazu zwingen könnten, ihre Armeen aufzulösen, ihre Flotten aufzugeben. Damit hörte aber auch für die neuen Vereinigten Staaten selbst jede Notwendigkeit einer Bewaffnung auf. Sie könnten nun nicht bloß auf alle weiteren Rüstungen, auf das stehende Heer, auf die Angriffswaffen zur See verzichten, deren Aufgeben wir heute schon fordern, sondern auch auf jegliches Mittel der Verteidigung, auf das Milizsystem selbst.

Wir sehen hier eine Vision, die der van Akens gar nicht unähnlich ist, wenngleich Kautsky die Möglichkeiten der Abrüstung viel stärker betont als van Aken, bis hin zur völligen Auflösung der Armeen. Doch die beiden Ideen haben eine Gemeinsamkeit darin, dass solche „Vereinigten Staaten Europas“ anderen Länder durch ihre „Übermacht“ ihre Friedensposition aufzwingen könnten. Es würde sich um eine „Pax Europaea“ handeln, in der analog zur Konzeption van Akens der alte Kontinent durch diplomatische und wirtschaftliche Dominanz herrschen würde. Wer sich nicht daran anpasst, wird einfach niederkonkurriert und ins eigene Friedenssystem gezwungen.

Kautsky wandte damals eine Logik an, die zwischen einer bürgerlichen Friedensutopie und einer proletarischen Position schwankte. Zumindest dem Worte nach behauptete er, die Vereinigten Staaten Europas seien nur durch die proletarische Revolution erreichbar – wovon bei van Aken gar keine Rede ist. Doch schon in Kautskys Konzeption gab es keinen Zusammenhang in der Politik dieser Vereinigten Staaten zu den konkreten Aufgaben des Proletariats. Die Vereinigten Staaten von Europa würden demnach nicht durch die Unterstützung revolutionärer Bewegungen in anderen Ländern ihre Außenpolitik führen und bürgerliche Staaten unter Druck setzen, sondern durch spießige Handelspolitik. Die Position des Proletariats kommt hierin nicht zum Ausdruck. 

Kautskys Parteikollege Georg Ledebour drückte diese Idee auf noch stärker bürgerlicher Grundlage aus. Er sprach gar nicht von der proletarischen Revolution, sondern forderte die kapitalistischen Regierungen auf, sich schon aus eigenem Interesse zu den Vereinigten Staaten Europas zusammenzuschließen, um damit in Konkurrenz gegen die Vereinigten Staaten Amerikas zu treten. Gegen beide Vorstellungen polemisierte Rosa Luxemburg vom linken Flügel der SPD in ihrem Artikel Friedensutopien:

Die Vorstellung jedoch von Europa als einem Wirtschaftsganzen widerspricht zwiefach der kapitalistischen Entwicklung. Einerseits bestehen innerhalb Europas unter den kapitalistischen Staaten – und solange diese existieren – die heftigsten Konkurrenzkämpfe und Gegensätze, anderseits kommen die europäischen Staaten wirtschaftlich ohne die außereuropäischen Länder gar nicht mehr aus. Als Lieferanten der Lebensmittel, Rohstoffe und Fabrikate wie als Abnehmer derselben sind die übrigen Weltteile mit Europa tausendfältig verknüpft. Bei dem heutigen Entwicklungsstadium des Weltmarkts und der Weltwirtschaft ist der Begriff von Europa als einem gesonderten Wirtschaftsganzen ein lebloses Hirngespinst. Europa bildet ebenso wenig ein in sich zusammenhängendes besonderes Ganzes innerhalb der Weltwirtschaft wie Asien oder Amerika.

Als Marxist:innen sind wir der Ansicht, dass die Versuche, Europa auf kapitalistischer Grundlage zu einen, unmöglich oder reaktionär sein müssen. Die beiden umfangreichsten Anläufe unter Führung des deutschen Imperialismus führten in zwei Weltkriege. Die Europäische Union beansprucht, eine friedliche Antwort auf das Problem darzustellen, eine zumindest partielle Einigung durch die Institutionen. Sie hebt aber die Widersprüche der Nationalstaaten nicht auf. Die EU-Staaten rüsten massiv auf, während sie ihre Grenzen dicht machen und sich in der Ukraine an einem Krieg um die Vormacht im osteuropäischen Raum beteiligen. Die Vorstellung einer bürgerlichen Friedensutopie verkehrt sich zunehmend in ihr Gegenteil.

Nicht zufällig stellte sich die Sozialdemokratie zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 mehrheitlich hinter die nationalen Regierungen, statt einen konsequenten internationalistischen Standpunkt gegen den Krieg einzunehmen. In Deutschland stimmte sie für die Kriegskredite des Kaisers. Obwohl sie sich in den Jahren zuvor immer gegen den Militarismus ausgesprochen hatte, war sie zum entscheidenden Moment nicht willens und in der Lage, in die Opposition zu gehen. Mit pazifistischen Parolen wie von Kautsky und Ledebour hatte sie die Arbeiter:innenbewegung ideologisch entwaffnet. Dies war eine Begleiterscheinung davon, dass der Apparat das strategische Zentrum der Partei vom Klassenkampf ins Parlament verschoben hatte. 

Klassenkampf statt Pazifismus oder „Verteidigung der Demokratie“

Befürworter:innen einer linken Vorstellung von Europa als Friedensmacht mögen einwenden, dass diese Idee trotz ihrer Beschränktheit dazu geeignet wäre, eine Perspektive der Abrüstung aufzuwerfen. Als Sozialist:innen unterstützen wir antimilitaristische Aktionen, da sie konkret zeigen, dass „der Hauptfeind im eigenen Land steht“. Wir gehen gemeinsam mit der Friedensbewegung auf Demonstrationen und werden weiterhin gegen die Kriegskredite, Aufrüstung und Militarisierung einen politischen Kampf führen. Aber wir halten die politische Vision einer Abrüstung als Endziel für pazifistisch gegenüber dem Kapitalismus. Denn der kapitalistische Staat braucht das Militär nicht als Ausnahme, vielmehr ist das Militär ein integraler Bestandteil des kapitalistischen Staats. In Zeiten ökonomischer Krise, geopolitischer Neuordnung und sozialer Polarisierung ist die Aufrüstung kein Ausrutscher. Sie dient der Planung, wie die eigenen imperialistischen Interessen zu sichern sind – sei es in Form von NATO-Militärhaushalten, EU-Rüstungsfonds oder „Kriegstüchtigkeit“ à la Pistorius.

Wir sehen die Aufgabe darin, den Arbeiter:innen zu vermitteln, dass, wie Rosa Luxemburg sagt, „der Militarismus in seinen beiden Formen – als Krieg wie als bewaffneter Friede – ein legitimes Kind, ein logisches Ergebnis des Kapitalismus ist, das nur mit dem Kapitalismus zusammen überwunden werden kann“, also durch die Errichtung des Sozialismus.

Die kapitalistischen Regierungen führen die Welt in eine neue Periode des Aufrüstungswettbewerbs. Die damit einhergehenden Spannungen werden sie nur durch Kriege und Zerstörungen lösen können. Statt Bewegungsfreiheit bieten sie Abschottung. Statt einer rational und demokratisch geplanten Wirtschaft bieten sie Schließungen und Umweltkatastrophen. Der einzige fortschrittliche Ausweg dagegen liegt in den Händen des internationalen Proletariats, das eine andere Welt erkämpfen kann. 

Die „Verteidigung der Demokratie“ wird als moralisches Gebot in Zeiten geopolitischer Unsicherheit konstituiert. Der neue Diskurs über „Verteidigungsbereitschaft“ zielt auf die Sicherung wirtschaftlicher Einflusssphären und militärischer Handlungsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Entsprechend dieser Zielsetzung lassen sich im Innern zunehmend autoritäre Tendenzen beobachten: restriktive Migrationspolitik, staatliche Repression unter dem Vorwand der Sicherheit, Disziplinarmaßnahmen gegen die Jugendlichen, die Präsenz der Bundeswehr in den Bildungseinrichtungen und die Disziplinierung der Bevölkerung für eine „kriegstüchtige Gesellschaft“. Es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob ein bestimmter Staat verteidigt werden sollte – sondern wie die Verteidigung kapitalistischer Nationalstaaten überhaupt emanzipatorisch zu begründen ist.

Mit dem Angriff auf die Ukraine und den von Trump begonnenen Handelskriegen ist eine Etappe eröffnet, die den Kontinent nicht mehr zur Trägheit der vergangenen Jahrzehnte zurückkehren lassen wird. Besonders in anderen Staaten Osteuropas wie dem Balkan könnten sich alte und neue Konflikte entzünden. Das Problem der europäischen Einheit ist keineswegs gelöst. Im Gegenteil birgt die EU als neoliberal strukturierter Wirtschaftsraum mit gewaltigen Schuldenbergen, enormen sozialen Ungleichheiten und einer unübersehbaren Zahl an Partikularinteressen höchst explosive Potenziale.

Insbesondere trägt sie auch den Klassenkampf in sich, der in den letzten 15 Jahren mit Generalstreiks in Griechenland und Massenmobilisierungen in Frankreich oder Katalonien sein Haupt in die Höhe reckte. Selbst die konservativen Arbeiter:innenbewegungen Großbritanniens und Deutschlands betraten seit der Pandemie stärker die Bühne. In der Palästina-Bewegung brennt das Feuer, das einen wachsenden Teil der jüngeren Generation gegen den Imperialismus entflammen konnte. Denn sie stellt sich nicht nur gegen den Krieg in einem anderen Land, sondern tritt in offene Konfrontation mit den Regierungen, die sie mit Repression überziehen. Die Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Ausweitung der Abschiebungen auf politische Aktivist:innen sowie massive Polizeigewalt und Strafverfahren sind Ausdruck dieser Konfrontation. Davon ist auch unser Genosse Anasse Kazib in Frankreich betroffen, Eisenbahner und Kandidat für die Vorwahlen zur Präsidentschaft 2023, dem für einen palästinasolidarischen Tweet der Prozess gemacht wird. Ihm drohen sieben Jahre Haft.

Der Arbeiter:innen- und Jugendbewegung stellt sich eine richtungsweisende Frage: Auf welcher Seite wird sie stehen? Gemäß Karl Liebknechts Ausspruch vom „Hauptfeind im eigenen Land“ gilt es, sich der Merz-Regierung und all ihren Helfer:innen bis in die führenden Ränge der Linkspartei konsequent entgegenzustellen. Den Mitgliedern der Linkspartei schlagen wir deshalb eine Kampagne zum Parteiausschluss der Kriegstreiber:innen vor. Es ist notwendig, dass diejenigen Mitglieder, die sich ernsthaft gegen den Aufrüstungskurs und auch die Unterstützung für den Genozid in Palästina stellen, ihre Führung konfrontieren. Erst das wird Bilanzen erlauben, welche Partei wir für eine antiimperialistische Perspektive wirklich brauchen.

Das bedeutet auch, Selbstorganisierung an den Orten wie Schulen, Unis, und Betrieben voranzutreiben. Statt in Regierungsbeteiligungen wichtige Positionen zu verraten, braucht es über Versammlungen an den Orten die Entwicklung einer Gegenmacht mit einer unabhängigen Position der Arbeiter:innenklasse. Die Jugend muss sich an den Schulen und Universitäten den Vorbereitungen entgegenstellen, die Wehrpflicht wieder zu etablieren. Die Gewerkschaften müssen Streiks und Massenaktionen gegen die Waffenlieferungen und die Rüstungsproduktion entwickeln. 

Während der Pazifismus von oben beendet wird, versucht die Führung der Linkspartei, mit ihrer Ideen einer Friedensmacht Europa neue Illusionen zu schaffen und einem Pazifismus von unten neues Leben einzuhauchen – einem Pazifismus aber, der sich nicht gegen das Kapital, Frontex und Militarisierung stellt. Der Versuch, zu diesen Praktiken zurückzukehren, stellt einen unbrauchbaren und reaktionären Versuch dar, das alte sozialpartnerschaftliche Modell aus den Boom-Zeiten der BRD in die neue Periode zu übertragen. Ebenso problematisch sind die Äußerungen der Gewerkschaftsspitzen wie der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi, die in einer Pressemitteilung am schwarz-roten Koalitionsvertrag lobte, dass dieser „klare Perspektiven für Beschäftigung und Wachstum“ schaffe. Sie bezog sich positiv auf die Infrastrukturkredite, ohne die Aufrüstung auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

Um sich gegen den Imperialismus zu stellen, müssen sich die sozialen Bewegungen und die Arbeiter:innenbewegung gegen ihre Führungen stellen, die den Militarismus unterstützen. Sie sind es, die nicht nur den Weg blockieren, um mit Massenaktionen der Aufrüstung entgegenzutreten. Sie tragen letztlich mit den Vorstellungen des Souveränismus und der Logik des Standortnationalismus die ideologische Operation mit, die Deutschland „kriegstüchtig“ machen soll. Die linken Kräfte, die Jugend und die Arbeiter:innenbewegung können sich keinen Pazifismus leisten. Er hat jahrzehntelang dazu beigetragen, der Linken Fesseln anzulegen und den Klassenkampf zu zähmen. Der Vergleich mit den großen Streikbewegungen und Massenmobilisierungen der letzten Jahre in Frankreich zeigt – trotz der eigenen Hürden der dortigen bürokratischen Führungen – diesen Unterschied zur deutschen pazifistischen Politkultur. Der Versuch, den Pazifismus von oben zu beenden, muss zur Folge haben, ihn auch von unten aufzukündigen und den dystopischen Projektionen eines stärkeren Nationalstaats à la Wagenknecht oder eines europäischen Souveränismus à la Linkspartei eine Absage zu erteilen.

Ein anderes Europa ist möglich

Als proletarische Internationalist:innen wollen wir diese Klassenkämpfe vorantreiben. Dabei bleiben wir nicht auf der Ebene des Widerstands stehen, sondern kämpfen für eine ganz andere Welt. Wir stellen die Frage der Vereinigung Europas unter sozialistischen Bedingungen. Im Juni 1923, unter dem Eindruck des Versailler Vertrags und der Zerfallserscheinungen Europas, dem Aufstieg der USA und der herannahenden Entscheidungsschlacht zwischen Bourgeoisie und Proletariat in Deutschland, schrieb Leo Trotzki über die Notwendigkeit, die „Vereinigten Staaten der europäischen Arbeiter und Bauern“ zu bilden. Er verband hier die Parole der Vereinigung zur Lösung der wirtschaftlichen und politischen Probleme mit der Frage, wer die Macht innehaben sollte. Damit unterscheidet er sich fundamental von der pazifistischen Position Kautskys:

[W]enn man Vereinigte Staaten von Europa als ein selbständiges Programm, als ein Allheilmittel für die Befriedung und den Wiederaufbau Europa aufstellt und diese Parole von der Arbeiterregierung, von der Idee der Einheitsfront und des Klassenkampfes trennt, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass man […] zu Kautsky und noch tiefer (wenn das überhaupt möglich ist) hinabrollt. […] Unsere Problemstellung ist derjenigen Kautskys diametral entgegengesetzt. Pazifismus ist ein akademisches Programm, das die Aufgabe hat, die Anhänger dieser Idee vom revolutionären Wirken zu suspendieren. Unser Standpunkt dagegen drängt auf den Weg des Kampfes.

Besonders im Begriff des Kampfes zeigt sich eine zentrale Schlussfolgerung, wie die Debatte um die Vereinigung Europas aus revolutionär-marxistischer Sicht zu verstehen ist. Die Kriegsanstrengungen waren damals wie heute eine internationale Angelegenheit, ebenso die ökonomischen und politischen Verflechtungen des Kapitals. Ein proletarischer Aufstand müsste – sofern er isoliert bliebe – durch den militärischen und wirtschaftlichen Druck der imperialistischen Länder in die Knie gezwungen werden. In diesem Wissen nahm die Kommunistische Internationale (Komintern) 1923 die Parole der „Vereinigten Sowjetsaaten von Europa“ auf, mit der Perspektive, dass diese sich mit der Sowjetunion verbinden würde. Die Position stellte eine Weiterentwicklung der Diskussionen dar, die vor und während des Ersten Weltkriegs von Luxemburg oder Lenin noch zurückhaltend beantwortet wurden, die sich gegen die Losung der „Vereinigten Staaten von Europa“ aussprachen, weil diese bürgerlich ausgelegt werden könnte. Doch die Realität der proletarischen Revolution in Russland mit der Form der Föderation von Sowjetrepubliken öffnete den Weg zu einer sozialistischen Interpretation.

1928 verabschiedete sich die Komintern wieder von der Parole der Sowjetstaaten Europas. Die stalinistische Linie des „Sozialismus in einem Land“ hatte sich durchgesetzt, sie gab die Perspektive der proletarischen Revolution im Westen auf. Die Notwendigkeit, die internationalistische Perspektive aufrecht zu halten, begründete Trotzki 1928 in einem Kommentar zum Kongress der Komintern:

Die Parole der Vereinigten Sowjetstaaten entspricht dieser Dynamik der proletarischen Revolution, welche nicht gleichzeitig in allen Ländern ausbricht, sondern von einem Lande ins andere überspringt, und welche die engste Verbindung miteinander erfordert, zuerst auf dem Gebiet von Europa, um sich sowohl gegen mächtige äußere Feinde verteidigen zu können, als auch um den Wirtschaftsaufbau zu beginnen.

In dieser politischen Tradition stehend haben wir aufzuzeigen versucht, dass ein souveränes Europa unter kapitalistischen Bedingungen nicht möglich ist oder nur eine Dystopie sein kann. Die Eurokrise zeigte in den 2010er Jahren die Schwäche des europäischen Projekts, weshalb wir damals die Losung der „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“ wieder hervorgehoben haben. Damals betonten wir die Notwendigkeit der Enteignung der Banken unter Kontrolle der Beschäftigten, um eine Planung der Wirtschaft im Interesse der Beschäftigten zu ermöglichen. Die Umbrüche der Weltordnung und die damit einhergehenden Krisen und die Kriegsgefahr öffnen die Perspektive von Aufständen in Europa heute erneut. Wenn auch nicht unmittelbar, so sind größere Verwerfungen und neue Massenphänomene mittelfristig doch unvermeidlich.

Fußnoten

  1. 1. Zu beachten ist, dass in den Umfragen die dominante mediale Präsenz von Rechten und Konservativen und der Inhalt von Schlagzeilen der großen bürgerlichen Medien mit der ideologischen Operation des deutschen Regimes zusammenhängen. Es wäre idealistisch, von einer Bewusstseinsentwicklung auszugehen, die losgelöst von materiellen Bedingungen (ökonomischer Lage, sozialem Status, institutioneller Einbindung, Aufklärung durch Medien, Bildungszugängen, Wohnort oder Zugehörigkeit zu nationalen oder ethnischen Gruppen) stattfindet. Die Umfragen zeigen die politischen Tendenzen, doch die Entwicklung ist nicht linear.
  2. 2. Der Warschauer Pakt war ein militärisches Bündnis bürokratischer Arbeiter:innenstaaten unter der Führung der Sowjetunion. Er wurde 1955 als Antwort auf die NATO gegründet und sollte den „sozialistischen Block“ gegen westliche Bedrohungen verteidigen. Mitglieder waren u. a. die Sowjetunion, die DDR, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und (bis 1968) Albanien.
  3. 3. Als Überbleibsel davon sind immer noch US-Truppen wie auch Atomwaffen in Deutschland stationiert. Militärbasen wie Ramstein sind auch heute noch Kommandozentralen für US-Einsätze im Nahen Osten.
  4. 4. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Chinas in Europa. Zahlen des Statistischen Bundesamts zufolge war China zwischen 2016 und 2023 Deutschlands größter Handelspartner für Waren. Seit 2024 haben die USA den ersten und China den zweiten Platz.

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