Krieg in Syrien: Offene Auseinandersetzung der Großmächte

12.04.2018, Lesezeit 6 Min.
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Trump kündigt per Twitter Raketenangriff auf Syrien an und droht Russland, sich darauf vorzubereiten. Die neue Stufe der Eskalation eröffnet die Möglichkeit der offenen Auseinandersetzung zwischen den Großmächten.

Ausgehend von Narrativ, das syrische Regime hätte Giftgas gegen die Zivilbevölkerung der Stadt Duma eingesetzt, und dabei 42 Zivilist*innen getötet, hat sich ein Szenario des offenen Krieges entwickelt. Für Donald Trump, Emmanuel Macron und Theresa May ein Grund, um militärisch zu intervenieren. Hingegen weisen Russland, Iran und Syrien die Vorwürfe zurück. Sie halten sie für eine Provokation.

Duma: Casus Belli für regionalen Krieg?

Der Ort der ganzen Eskalation, die Stadt Duma, befindet sich nach russischen Angaben inzwischen unter Kontrolle der syrischen Regierungstruppen. Duma liegt in der Region Ost-Ghuta und ist nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Damaskus entfernt.

Im Syrischen Bürger*innenkrieg ab 2011 war Ost-Ghuta Rückzugsgebiet der oppositionellen Milizen. Die Region ist durch die Kämpfe schwer verwüstet. Dennoch ist ihre Rückeroberung ist ein strategischer Erfolg Al-Assads im Kampf um die Macht.

Dabei wirft der Westen dem syrischen Regime vor, die „rote Linie“ überschritten zu haben: Der Einsatz von chemischen Waffen.

Trump drohte Russland auf Twitter, sich auf einen Raketenangriff gegen Syrien vorzubereiten. Es liegen derzeit noch keine Beweise für den Chemiewaffeneinsatz vor. Die internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ermittelt jetzt mit Experten in Duma, um die Situation vor Ort zu untersuchen.

Nichtsdestotrotz beharren Macron und Trump auf den Vorwürfen. Dementsprechend hat Trump auf Twitter in seiner bizarren Art und Weise das Feuer angefacht: „„Mach Dich bereit, Russland“, schrieb er, „denn sie werden kommen“. Weiter beschreibt er die Raketen als „neu und schön und klug“. Russland solle lieber nicht der Partner eines „mit Gas tötenden Tieres sein, der seine eigenen Menschen umbringt und es genießt.“

Später am gleichen Tag verdeutlichte er seine Erwartungen an Russland:

Die Trumpsche Botschaft an Putin ist in erster Linie ein Ultimatum, die Komplizenschaft mit Al-Assad aufzugeben. Russland hingegen rückt nicht von Assad ab.

Der Hinweis auf die wirtschaftliche Schwäche Russlands ist allerdings ein wichtiger Aspekt. Denn Putin befindet sich in einer ungünstigen wirtschaftlichen Situation. Auf Grund der hohen Kosten der Militäroperationen im Nahen Osten und in Osteuropa sowie die Sanktionen mehrerer imperialistischer Länder ist der relative Erfolg Putins in Syrien äußerst fragil. Trump kennt diese Schwäche gut und versucht Russland mit einer ernsthaften Warnung zum Kurswechsel zu drängen.

Frankreich und Großbritannien stehen an der Seite des US-Imperialismus und erklären ihre Bereitschaft, in den Krieg zu ziehen.

Deutschland schließt zwar eine Beteiligung an der Militäroffensive in Syrien aus. Allerdings beinhaltet die Aussage des neuen Außenministers der GroKo, Heiko Maas, die Bereitschaft, an der Seite der USA, Großbritanniens, Saudi-Arabiens und Frankreichs gegen Russland vorzugehen: „Wenn man den Druck auf Russland aufrechterhalten will, dann können die westlichen Partner jetzt nicht auseinanderlaufen.“ Ähnlich argumentiert Merkel: „Aber wir sehen und unterstützen, dass alles getan wird, um Zeichen zu setzen, damit dieser Einsatz von Chemiewaffen nicht akzeptabel ist“.

Macron und Trump lenken von innenpolitischen Anspannungen ab

Aktuell stehen vor allem Macron und Trump vor großen innenpolitischen Herausforderungen. Der vermeintliche Giftangriff ermöglicht den schwachen Bonaparten, von der Innenpolitik abzulenken.

Macron, der die sozialen und ökonomischen Rechte der Arbeiter*innen, Jugendlichen und Migrant*innen in Frankreich derzeit brutal angreift, befindet sich in Konfrontation mit einer wachsenden Unzufriedenheit und einem wachsenden Widerstand: Die Eisenbahner*innen streiken gegen den geplanten Umbau der staatlichen SNCF. Die Streiks haben mehrfach große Teile des Zugverkehrs lahmgelegt. Sie dauern weiter an. An den Universitäten protestieren Student*innen gegen neoliberale Hochschulreform, im öffentlichen Dienst sorgen die Sparpläne der Regierung für Kontroversen und Rentner*innen sind unzufrieden wegen gestiegener Sozialabgaben. Die Reputation des französischen Präsidenten und seiner Regierung sinkt vehement.

Trump polarisiert zwar seit den Präsidentschaftswahlen. Allerdings manifestiert die jüngste FBI-Razzia bei Michael Cohen, dem persönlichen Anwalt von Donald Trump, eine neue Stufe im Konflikt innerhalb der herrschenden Klasse und des Staatsapparats. Wie die „Washington Post“ berichtet, wird Cohen möglicher Bankbetrug, Überweisungsbetrug und Verstoß gegen Parteispendengesetze vorgeworfen. Die Erzählung der „russischen Einflussnahme“ auf die Präsidentschaftswahlen wird als Vorwand benutzt, um die außenpolitische Orientierung Trumps zu konfrontieren: Die Demokratische Partei und ihre medialen Kräfte befürworten einen aggressiven Kurs gegenüber Russland und Syrien.

Hände weg von Syrien

Die aktuelle Situation manifestiert also nicht eine „moralische Pflicht“, um gegen die Assad-Diktatur die Rechte der Zivilbevölkerung in Schutz zu nehmen. Der Vorwurf des Einsatzes chemischer Waffen in Duma soll in den Augen der Großmächte eine Kriegsintervention legitimieren. Doch unabhängig davon stellt sich die Frage: Seit wann sind USA, Frankreich oder andere imperialistische Mächte ein „Garant der gerechten Kriegsregeln“? Sie tragen die Hauptverantwortung an der Ausplünderung und Destabilisierung des Nahen Ostens.

Es geht nicht darum die Frage zu stellen, wann sich die aktuelle Kontroverse zwischen Großmächten in einen offenen Krieg umwandelt. Denn allein der aktuelle bürgerliche Diskurs geht von einem Recht der imperialistischen Kriegsintervention aus.

Die Niederlage von Daesh hat in Syrien eine neue Periode eröffnet: Die Risiken von Konflikten mit internationalen Implikationen nehmen zu. Neu ist, dass diese Mächte angesichts der konkreten Möglichkeit einer Eskalation nicht mehr nur durch Strohmänner agieren, sondern ihre eigenen Truppen innerhalb Syriens einsetzen. Im Hinblick auf die Nachkriegszeit und die potenziellen Märkte in Sektoren wie dem Baugewerbe und der Förderung fossiler Brennstoffe sehen wir die Elemente eines imperialistischen Konflikts zur Aufteilung Syriens.

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