Keine Zeit zu verlieren: Für eine revolutionäre antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen!

02.02.2023, Lesezeit 15 Min.
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Unsere französischen Genoss:innen von Révolution Permanente und der Studierendengruppierung Le Poing Levé auf der Straße gegen die Rentenreform. Bild: Philippe Alcoy.

Gegen Krieg, Krise und Klimakatastrophe müssen wir uns revolutionär organisieren. Linkspartei, NGOs und Postautonome bieten keine Lösung. Organisier dich mit uns. Wir haben eine Welt zu gewinnen!

Bundeskanzler Scholz schickt Leopard-Panzer in die Ukraine, Außenministerin Baerbock erklärt Russland öffentlich den Krieg, Verteidigungsminister Pistorius fordert noch mehr Geld für die Bundeswehr und Saskia Esken drängt auf die Lieferung von Kampfjets. Kein Zweifel: Die Zeichen stehen auf noch mehr Eskalation. Und damit wird unsere Zukunft stärker, als wir es bisher erlebt haben, von Blockkonfrontationen, Krisen und Kriegen dominiert sein. Zugleich schreitet die Klimakatastrophe voran. Nicht grundlos nennen sich die Aktivist:innen, die gerade in den bayerischen Knästen sitzen, „Letzte Generation“. Die Zeit läuft gegen uns. Die Aufrüstung der imperialistischen Staaten wird die Klimakatastrophe noch weiter befeuern.

Das ist jedoch kein Plädoyer für Verzweiflung, sondern ein Plädoyer, jetzt zu kämpfen. Denn wir erleben in den letzten Monaten einen erneuten Aufschwung des Klassenkampfes auf internationaler Ebene. Massenstreiks in Frankreich und Großbritannien oder Aufstände wie in Peru stehen nach Jahren der Pandemie wieder auf der Tagesordnung. Und auch hierzulande finden fortschrittliche Streiks und Kämpfe statt. Es ist also höchste Zeit, eine  revolutionäre antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen aufzubauen.

Kein Mensch, kein Cent dem Militarismus

Die russische Invasion der Ukraine hat die Legitimation für die größte Aufrüstung der NATO-Staaten seit Jahrzehnten geliefert. Allein die Bundesregierung hat 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr bereitgestellt, während die Forderungen nach der Erhöhung dieser Summe immer lauter werden. Während die Studierenden bundesweit immer noch auf die versprochene 200-Euro-„Entlastung“ warten, wird nahezu jeden Tag über noch mehr Waffen und Geld für Bundeswehr und Polizei diskutiert. Dass die nun beschlossenen Panzerlieferungen die Eskalationsspirale noch weiter drehen, zeigt sich an der direkt im Anschluss begonnenen Debatte um Kampfjets. Die Konsequenzen betreffen insbesondere auch die Jugend: Jede:r zehnte neu rekrutierte Bundeswehrsoldat:in ist inzwischen minderjährig. Für den Wunsch nach mehr „Wehrhaftigkeit“ (SPD) werden also Jugendliche sterben, wie in jedem Krieg, in jedem Land.

Dabei sind schon jetzt über 50 Prozent der Unter-35-Jährigen gegen die Lieferung von Panzern. Stattdessen hat die Ampelregierung gezeigt, dass sie auf militärische Eskalation und imperialistische Intervention setzt. Wir können also nicht auf sie vertrauen! Im Gegenteil müssen wir uns auf der Straße, in unseren Schulen, Unis und Betrieben, gegen Krieg und Militarismus organisieren.

Denn es handelt sich nicht um einen Kampf „gut“ gegen „böse“, oder „Demokratie“ gegen „Diktatur“, wie uns weisgemacht werden soll, sondern um den Kampf der imperialistischen EU/NATO-Staaten einerseits und der Regionalmacht Russland andererseits um geopolitische Einflusssphären und um die Sicherung kapitalistischer Profite. Selenskyj vertritt nicht die Interessen der Jugend und der Arbeiter:innen der Ukraine. Seine Angriffe auf Gewerkschaften zeigen, dass eine starke linke Bewegung für ihn eine Bedrohung wäre. Sein Ziel ist die Mitgliedschaft in der EU, die für tausende Tote an ihren Außengrenzen steht. Deshalb müssen wir ganz klar sagen: Weder NATO, EU und Bundeswehr, noch Putin!

Gegen NATO und EU bedeutet aber nicht, dass wir für einen von den USA etwas unabhängigeren deutschen Imperialismus einstehen, wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht tut. Denn dabei geht es vor allem um eine stärkere geopolitische Unabhängigkeit und eine größere Führungsrolle Deutschlands über die EU. Die Profiteur:innen des Kriegs sind unter anderem die deutsche Kriegsindustrie, ebenso die Energiekonzerne und insgesamt die Großunternehmen, die im letzten Jahr Rekordgewinne eingefahren haben. Und auch im Innern hinterlässt die militärische „Zeitenwende“ ihre Spuren, wie wachsende (häufig rassistische) Polizeigewalt und die ständige Debatte um den Ausbau der Polizei zeigen. Es bedeutet also nichts Gutes, wenn Deutschland nach außen und nach innen militärisch weiter aufrüstet – im Gegenteil: Nur wenn wir eine klare antiimperialistische Politik gegen die Interessen des deutschen Kapitals und der Bundesregierung vertreten, können wir der Kriegseskalation wirksam entgegentreten.

Das heißt auch, die angeblich „feministische“ Außenpolitik Baerbocks zu verurteilen: Es ist nichts „Feministisches“ daran, Kriege zu schüren, deren Leidtragende mehrheitlich Frauen, Queers, Kinder sind. Es ist nichts „Feministisches“ daran, Milliarden für Aufrüstung auszugeben, während Gesundheit, Soziales und Bildung zusammengekürzt werden. Um die patriarchale Unterdrückung auf der ganzen Welt zu beenden, müssen wir gemeinsam gegen den Staat kämpfen, der unsere Unterdrückung aufrechterhält.

Zugleich können wir uns nicht – wie es stalinistische Organisationen wie die DKP und Zeitungen wie junge Welt mehrheitlich vertreten – auf die Seite des angeblichen „Antiimperialismus“ Putins schlagen. Die Proteste gegen Putins Regime werden mit massiver Repression beantwortet, doch sie weisen den Weg: Die Bevölkerung muss sich gegen den Krieg und die eigene Regierung stellen.

Grüne und Linkspartei sind kein „geringeres Übel“

Die militaristische „Zeitenwende“ ist auch begleitet vom erneuten Verrat der Grünen – nicht nur in der Kriegsfrage, sondern auch gegenüber der Klimabewegung. Sie haben schmutzige Gasdeals eingefädelt, die die Taschen der Großkonzerne füllen. Sie haben in Lützerath bewiesen, dass sie für RWE das 1,5-Grad-Ziel opfern. Die massive Polizeigewalt zeigt, wen sie wirklich schützen: nicht etwa das Klima, sondern den Profit der Konzerne. Lützerath abzubaggern sei die „bestmögliche Lösung“. Doch wenn „bestmöglich“ bedeutet, dass unsere Zukunft die Klimakatastrophe ist, dann müssen wir darüber hinausgehen. Wir müssen den Kapitalismus zerstören, dessen Profitgier die Umwelt- und Klimazerstörung hervorbringt.

Während Krieg, Krise und Klimakatastrophe voranschreiten, befindet sich die Linkspartei in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Seit 15 Jahren vertieft sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen auf Landesebenen hat sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen und Polizeigewalt mitverantwortet. Angesichts des Ukrainekriegs hat sie keine konsequente Opposition gegen die imperialistische Regierungspolitik aufgebaut, sondern ihre antimilitaristischen Positionen aufgeweicht. Die Partei, all ihre Hauptströmungen – egal ob der „Reformer“-Flügel um Dietmar Bartsch, die Bewegungslinke oder der Wagenknecht-Flügel – und ihr gesamter Apparat sind fest im deutschen Staat verankert. Mit ihrem Verrat am Volksentscheid für die Enteignung der Immobilienkonzerne in Berlin ist erneut klar geworden: Mit ihr ist kein Kampf für eine grundsätzlich andere Gesellschaft zu machen.

Wenn wir unsere Lebensbedingungen und unseren Planeten verteidigen wollen, müssen wir uns revolutionär organisieren. Wir können nicht auf die Regierung vertrauen, auch wenn sie sich progressiv gibt. Es reicht nicht aus, weiter auf das „geringere Übel“ zu hoffen. Wir können auch nicht auf die Linkspartei setzen, die unsere Interessen für ein paar Posten verschachert.

Wir brauchen eine Strategie für den Sieg

Wir wollen eine revolutionäre Jugend aufbauen, die sich als sozialistisch, antiimperialistisch, antimilitaristisch, feministisch und antirassistisch versteht und an der Seite der Arbeiter:innenklasse für eine sozialistische Lösung der Klimakatastrophe und der sozialen Krise kämpft. Eine Jugend, die sich unabhängig vom Staat, dem Kapital, der Linkspartei und den Bürokratien von Gewerkschaften und NGOs organisiert. Statt zu resignieren und auf das (geringere) Übel zu hoffen, wollen wir kämpfen: Gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse für eine Gesellschaft frei von Ausbeutung und Unterdrückung.

Denn wir können nicht abwarten, dass der Kapitalismus von alleine fällt oder sich durch Demokratisierungen Stück für Stück in eine freie Welt verändert. Angesichts der multiplen Krisen, der sich immer weiter drehenden Eskalationsspirale des Kriegs und der Klimakatastrophe können wir auch nicht stehenbleiben beim Widerstand. Wir können uns nicht auf Freiräume und Safer Spaces beschränken, sondern haben eine Welt zu erobern. Das heißt: Wir brauchen eine Strategie für den Sieg. Eine Strategie, die den Aufbau einer materiellen Kraft in den Vordergrund stellt, um Staat und Kapital zu stürzen. Denn unsere Gesellschaft ist geprägt vom Gegensatz von Kapital und Arbeit. Die Mehrheit der Weltbevölkerung ist Teil der lohnabhängigen Klasse, während das reichste Prozent 45,6 Prozent des weltweiten Vermögens besitzt. Die kapitalistische Wirtschaftsweise hat viele globale Ressourcen irreversibel zerstört. Wir brauchen also keinen „grünen Kapitalismus“, sondern eine sozialistische Revolution auf globaler Ebene, um die Menschheit vor der Klimakatastrophe und neuen imperialistischen Kriegen bewahren zu können.

Diejenige soziale Kraft, die eine solche Perspektive verkörpern kann, ist die Arbeiter:innenklasse. Denn nicht nur ist sie heute die zahlenmäßig größte Klasse auf unserem Planeten und hat selbst ein unmittelbares Interesse an einer lebenswerten Zukunft, die es nur geben kann, wenn wir den Kapitalismus überwinden. Sondern sie sitzt aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess an allen zentralen Schalthebeln der kapitalistischen Wirtschaft. Ihre strategische Position kann sie dafür einsetzen, die gesamte Gesellschaft lahmzulegen. Und mehr noch: Anders als antimarxistische Karikaturen weismachen wollen, ist die Arbeiter:innenklasse insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch und immer weiblicher und offen queerer. Sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen.

Heute haben wir so eine Kraft (noch) nicht, und Jahrzehnte des Neoliberalismus nach der Zerschlagung der durch den Stalinismus bürokratisch degenerierten Arbeiter:innenstaaten haben in vielen Ländern der Welt zu einer beispiellosen Zersplitterung der Arbeiter:innenklasse geführt. Die Gewerkschaftsführungen tragen dazu bei, dass die Spaltungen zwischen Arbeiter:innen „erster“ und „zweiter“ Klasse weiterbestehen, oder dass Kämpfe gegen sexistische und rassistische Unterdrückung getrennt von Arbeitskämpfen stattfinden.

Ob die Arbeiter:innenklasse ihre Macht in die Waagschale wirft, ist also nicht von vornherein ausgemacht. Im Gegenteil ist es eine strategische Aufgabe, die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse von dieser Perspektive zu überzeugen – entgegen der Politik der Gewerkschaftsbürokratien und der reformistischen Parteien, die ihre Kampfkraft in für das Kapital und den Staat ungefährliche Bahnen lenken wollen. Aus diesem Grund ist es für uns eine zentrale Aufgabe, die Selbstorganisierung der Arbeiter:innen und den Aufbau von antibürokratischen und klassenkämpferischen Strömungen in den Gewerkschaften voranzutreiben, um die Bürokratien zu konfrontieren und sie schließlich hinauszuwerfen.

Wenn wir davon sprechen, dass wir eine revolutionäre Jugend an der Seite der Arbeiter:innen aufbauen wollen, dann geht es um genau diese Aufgabe: Sich mit den fortschrittlichsten Teilen der Arbeiter:innenklasse zusammenzuschließen und für den Aufbau einer materiellen Kraft zu streiten, die die Bürokratie überwinden und die Interessen des Kapitals wirksam angreifen kann – einer revolutionären Partei –, in der Perspektive einer sozialistischen Revolution und des Kommunismus.

Und weil der Kapitalismus einen Weltmarkt und imperialistische Konkurrenz geschaffen hat, muss er auch international überwunden werden. Die gescheiterte Erfahrung des Stalinismus und seiner Theorie des „Sozialismus in einem Land“ hat gezeigt, dass der Sozialismus langfristig nur im Weltmaßstab aufgebaut werden kann – und das heißt, dass auch unsere Strategie und die revolutionäre Partei, die wir dafür aufbauen wollen, international sein muss.

Wir wollen nicht resignieren, wir wollen die Revolution

Diese Aufgabe ist für uns keine Utopie: Im Gegensatz zu der völlig illusorischen Vorstellung, dass ein paar „grüne“ Stellschrauben die Klimakatastrophe aufhalten können, oder dass trotz entgegengesetzten Profitinteressen eine friedliche Zukunft im Kapitalismus möglich wäre, sind wir vollständig realistisch: Wenn wir eine lebenswerte Zukunft wollen, müssen wir kämpfen, rebellieren, den Kapitalismus stürzen.

Deshalb müssen wir uns organisieren. Für uns von Klasse Gegen Klasse und der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) ist der Marxismus keine Theorie, die wir mal im Seminar lesen und dann mit bürgerlichen und reformistischen Ideen mixen, um unser persönliches „undogmatisches“ linkes Selbstverständnis aufzubauen. Der revolutionäre Marxismus ist für uns Methode, Strategie und Praxis – er ist eine Anleitung zum Handeln. Das heißt, er ist ein Werkzeug, um eine revolutionäre Kraft für den Kampf aufzubauen.

Wir von RIO sind als revolutionäre Marxist:innen deshalb international in der Trotzkistischen Fraktion für die Vierte Internationale organisiert. Wir sind in 15 Ländern vertreten und waren in Frankreich bei den Streiks der Eisenbahner:innen 2019 gegen die Rentenreform dabei, ebenso wie wir heute die Mobilisierungen und Streiks gegen die neue Rentenreform mit vorantreiben. In Argentinien organisieren wir Tausende Arbeiter:innen und Jugendliche in der Partei Sozialistischer Arbeiter:innen (PTS) und nutzen das Parlament als Bühne für unser Programm und unsere Strategie mit der Front der Linken und der Arbeiter:innen, die bei Wahlen über eine Million Stimmen bekommt, um Klassenkämpfe gegen Sparmaßnahmen und für Abtreibungsrechte voranzutreiben. In der vorrevolutionären Situation in Peru, mit Massenaufständen und Polizeirepression mit schon über 60 Toten kämpfen unsere Genoss:innen dort für eine revolutionäre Antwort der Arbeiter:innen auf die Putschregierung. Im Dienste dieser Perspektive steht auch unser internationales Zeitungsnetzwerk La Izquierda Diario, mit unserer Website Klasse Gegen Klasse in Deutschland.

Wir sind uns bewusst, dass nicht alle unsere Perspektive des Aufbaus einer revolutionären Partei teilen. Aber wir wollen uns schon jetzt mit all jenen, die wie wir der Meinung sind, dass wir hier in Deutschland eine revolutionäre, antiimperialistische, antimilitaristische, feministische und antirassistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innenklasse aufbauen können, dazu einladen, mit uns gemeinsam an so einem Projekt zu arbeiten. Ein Projekt, das sich vornimmt, den revolutionären Marxismus wieder an den Universitäten zu verankern und sie zu ideologischen und materiellen Stützpunkten zu machen, um sich mit den fortschrittlichsten Teilen der Arbeiter:innenklasse zu verbinden. Ein Projekt, das sich nicht nur nicht von der Linkspartei abhängig macht, sondern im Gegenteil der festen Überzeugung ist, dass ein konsequenter Bruch mit dem Reformismus und eine von Staat, Kapital und Bürokratien unabhängige Organisierung notwendig ist.

Schließ dich uns an, um solch eine revolutionäre Jugend aufzubauen – denn weder die Jugendorganisationen der Linkspartei noch irgendeine Linksjugend 2.0 ohne konsequente Bruchlinie mit dem Reformismus können die Perspektive einlösen, Seite an Seite mit den fortschrittlichsten Sektoren der Arbeiter:innenbewegung für eine sozialistische Antwort auf Krise, Krieg und Klimakatastrophe zu kämpfen. Eine antiimperialistische Jugend geht nur ohne Integration in den deutschen Staat. Wir haben keine Zeit zu verlieren, wir haben eine Welt zu gewinnen!

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