Horrorstories aus dem neuen CEO-Kabinett
Das neue Kabinett der Merz-Regierung verheißt nichts Gutes: CDU/CSU und SPD spülen Wirtschaftsbosse, Kriegstreiber:innen und rechten Hetzer:innen an die Macht. Wir beleuchten die größten Red Flags der Minister:innen.
Nach einem holprigen Start ist das Kabinett Merz seit einigen Tagen im Amt. Die Liste des Regierungspersonals liest sich wie ein Schauerroman von Krieg, Krise und Angriffen auf die Arbeiter:innen und Unterdrückten. Einige unbekannte Gesichter sind dabei, sowie eine Reihe von Wirtschaftsmächtigen der Industrie und des Finanzkapitals. Nachdem relativ wenige SPD-Inhalte in den Koalitionsvertrag geflossen sind, haben die Sozialdemokrat:innen mehrere wichtige Ministeriumsposten ergattert.
Bundeskanzler: Friedrich Merz (CDU)
Der Sauerländer Friedrich Merz ist ein neoliberal-konservativer Hardliner. Bekannt wurde er ursprünglich für seine radikalen Steuersenkungs-, Privatisierungs- und Deregulierungspläne. Er lobbyiert nicht nur für die Interessen des Großkapitals, er war auch selbst im Aufsichtsrat von ca. einem Dutzend Unternehmen und Banken, darunter bei der HSBC, wo er 5.000 Euro pro Tag verdiente. Er war bis 2020 auch Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock, dem mächtigsten Investitionsfonds der Welt. Getreu dieser Ausrichtung hat der Blackrock-Kanzler auch Großkapitalist:innen in sein Kabinett geholt, darunter Karsten Wildberger und Katherina Reiche.
Gemeinsam planen sie einen massiven Sozialkahlschlag, um die Rechte der arbeitenden Bevölkerung anzugreifen und zugleich eine massive Beschleunigung der Aufrüstung zu finanzieren. Dafür setzte er noch vor seiner Amtseinführung eine Grundgesetzänderung durch, um künftig grenzenlos Kredite für die Aufrüstung aufnehmen zu können.
1995 stimmte Merz gegen die Liberalisierung des Abtreibungsrechts,1997 gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Diese Entscheidungen verteidigt er bis heute.
Besonders tat sich Merz in den letzten Jahren mit rassistischer Hetze hervor, erzählte Lügen über angeblichen „Sozialtourismus“ von Geflüchteten, und will sich noch mehr als Olaf Scholz vor ihm als Abschiebekanzler profilieren. Dazu hat er vor der Bundestagswahl auch in gemeinsamen Bundestagsabstimmungen mit der AfD paktiert. Gemeinsam mit dem neuen Innenminister Dobrindt (CSU) plant er die flächendeckende Zurückweisung an den Grenzen.
Auswärtiges Amt: Johann Wadephul (CDU)
Wadephul kommt ursprünglich aus der Landespolitik Schleswig-Holsteins, gilt als subtiler Fachmann im Bundestag und tingelte in den vergangenen Monaten durch jede Talkshow, um sein außenpolitisches Profil zu stärken und bei jeder Gelegenheit die alte Leier von der Solidarität mit Israel herunterzubeten. Er ist bisher nicht als Hardliner aufgefallen, wohl aber als sogenannter Sicherheitspolitiker. Mit ihm wird die militärische Dimension der deutschen Geopolitik noch weiter ins Zentrum des Auswärtigen Amts rücken, die Konfrontation mit Russland noch harscher. Anders als bei der vergangenen Ampel-Regierung, wo Auswärtiges Amt und Kanzleramt noch von zwei verschiedenen Parteien angeführt wurden, wird Wadephul eng entlang der autoritären Kanzlerlinie von Merz agieren müssen.
Kriegsminister: Boris Pistorius (SPD)
Der bekannte Sozialdemokrat bleibt im Amt des Verteidigungsministers, dessen Etat mit dem letzten Finanzierungspaket quasi komplett entgrenzt wurde. Mit martialem Flair ist Pistorius ein energischer Vertreter der deutschen Aufrüstung und hat dem lange eher marginalisierten Ministerium zu neuem bürgerlichen Prestige verholfen – ganz im Zeichen der Zeit der Kriegstüchtigkeit.
Vizekanzler und Finanzen: Lars Klingbeil (SPD)
Niemand verkörpert die Figur des prinzipien- und gewissenlosen Politikers so gut wie Klingbeil. Lange schon ein starker Mann der SPD-Bürokratie, hat Klingbeil irgendwie die Niederlagen der von ihm mitgeführten Partei weggesteckt, dabei parteiinterne Rivalen wie Rolf Mützenich ausgeschaltet und sich bis an die Spitze der neuen Regierung manövriert. Klingbeil kennt nur einen Herrn: Macht. Sein politisches Hauptprojekt dürften die internen Streitigkeiten der Regierungskoalition werden.
Als Finanzminister wird er an den entscheidendsten Hebeln kommender Regierungsprogramme sitzen, die Aufrüstung mitgestalten, die Infrastrukturinvestitionen absegnen und den Wirtschaftskurs der Europäischen Union mitlenken können. Wichtiges Mittel dazu: Der sogenannte Finanzierungsvorbehalt, der im Koalitionsvertrag verankert wurde und der ausgemachte Vorhaben kippen kann, sofern keine entsprechenden Gelder im Staatshaushalt gefunden werden. Die Rüstungsausgaben sind davon, wohlgemerkt, ausgenommen.
Wirtschaft und Energie: Katherina Reiche (CDU)
Die Nachfolgerin Habecks ist ein Musterbeispiel der Personalunion von Politik und Wirtschaft und macht ihrem Namen alle Ehre. Reiche kündigte 2015 beim Bundestag, um in die gut vergütete Chefetage der Energieindustrie und Wirtschaftsverbände zu wechseln. Ausgestattet mit diesem Know-How der Profitgier der Bosse darf sie jetzt zurück in die Regierung wechseln und die Interessen von Unternehmer:innen vertreten. In Zeiten, in denen die Inflation unsere Löhne auffrisst, Arbeitskämpfe unterdrückt werden, Mieten explodieren und unser Sozial- und Gesundheitswesen weggekürzt werden, wird Reiches Politik diese Krisen voraussichtlich noch verschärfen.
Während auch andere der neuen CDU/CSU-Minister:innen in der Vergangenheit mit queerfeindlichen Äußerungen oder Abstimmungsverhalten aufgefallen sind, hat sich Reiche bei diesem Thema besonders hervorgetan. So hatte sie 2011 in einer Fernsehsendung die Tauglichkeit von gleichgeschlechtlichen Eltern bei der Kindererziehung in Frage gestellt und betont, dass gleichgeschlechtliche Eltern für Kinder „nicht normal“ seien. In einem Interview mit der Bild sagte sie später: „Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften.“
Verkehr: Patrick Schnieder (CDU)
Die Konservativen besetzen ihr Traditionsministerium mit dem Berufspolitiker Schnieder. Sie werden ihren gewohnten Kurs beibehalten: Fokus auf private PKWs, Verbrennermotoren, Autobahnen. Die Bahn wird kaputt gespart, damit gesellschaftliche Frustration ihr gegenüber geschürt werden kann. Gewerkschaften und alle Beschäftigten und Menschen ohne Dienstwagen müssen dagegen kämpfen, dass die Deutsche Bahn weiter privatisiert wird!
Digitalisierung und Staatsmodernisierung: Karsten Wildberger (CDU)
Erst wenige Tage vor seiner Ernennung trat der Industrie-Oligarch und Boss des Düsseldorfer Konzerns Ceconomy und der Media-Saturn-Holding in die CDU ein. Es ist ein heißer Fang für die Merz-Regierung, die unbedingt Spitzenpersonal des transnationalen Unternehmertums für sich gewinnen will. Ähnlich wie Tech-Milliardär Elon Musk in den USA darf Wildberger nun eine Staatsmodernisierung vorantreiben, die wahrscheinlich vor allem altbekannte libertäre Übel mit sich bringen wird: Deregulierung, Abbau von Konsument:innenrechten, Abbau öffentlicher Stellen und weniger Datenschutz. Über Interessenkonflikte zwischen Wildbergers privaten Profitinteressen und seiner Regierungsfunktion sparen wir uns viele Worte, denn dass diese Regierung Politik im Interesse des Kapitals macht, verheimlicht niemand. Auch Merz und Wildberger nicht.
Kanzleramtschef: Thorsten Frei (CDU)
In seiner Rolle wird Frei besonders eng mit Friedrich Merz zusammenarbeiten. Bereits jetzt gibt er in der Presse zu jedem Themenfeld seine Meinung zu Protokoll. Oben auf seiner Prioritätenliste stehen kostengünstige Vorhaben wie die Abschaffung des Lieferkettengesetzes, Flexibilisierung sprich Verlängerung der Arbeitszeit und Steuervergünstigungen für Unternehmen. Als stabile Figur der CDU steht Frei für Pragmatik und scheut sich nicht, auch über technische Zusammenarbeit mit der Bundestagsfraktion der Linkspartei nachzudenken. Wird er sich mittelfristig zu schade für die AfD sein? Sein Chef hat ja bereits vorgelegt.
Justiz und Verbraucherschutz: Stefanie Hubig (SPD)
Berufspolitikerin Hubig arbeitete in der Vergangenheit bereits auf Fach- und Leitungsebene in ihrem neuen-alten Ministerium, ist also eine sichere Wahl aus Sicht der Ministerialbürokratie. Hubig ist erklärte Gegnerin von „Verfassungsfeinden“, meint damit mitunter die AfD, aber könnte auch gegen linksradikale oder palästinasolidarische Kräfte hart vorgehen. Die SPD ist bisher keine Freundin linker Bewegungen gewesen und wir müssen uns auch gegen die Angriffe dieser Justizministerin, die fest für den unterdrückerischen Mainstream der deutschen Staatsräson steht, wappnen.
Entwicklung: Reem Alabali-Radovan (SPD)
Bisher war Alabali-Radovan bei der SPD zuständig für einen zahnlosen Antirassismus und in der letzten Bundesregierung beschäftigt mit der chauvinistischen Integrations- und Migrationspolitik von Ex-Kanzler Scholz. Wie auf ihrer Vorgängerin Schulze lastet viel Druck auf ihr seitens des Kanzleramts, mit kleinerem Budget für sogenannte Entwicklungszusammenarbeit zu haushalten, ihre Programmatik noch expliziter an den Wirtschaftsinteressen der Bundesrepublik auszurichten und das Privatkapital noch fester in Entwicklungspolitik einzubeziehen. Ihr Lebenslauf lässt vermuten, dass sie dem Folge leisten wird.
Inneres: Alexander Dobrindt (CSU)
Als Verkehrsminister in der Legislaturperiode von 2013 – 2017 setzte sich Alexander Dobrindt vor allem dafür ein, den Abgasskandal bei VW möglichst effektiv unter den Teppich zu kehren. Daneben wollte er noch eine PKW-Maut für Ausländer:innen einführen. Dobrindt fällt immer wieder mit heftigst chauvinistischen Positionen auf. Er hat sich dafür eingesetzt, gleichgeschlechtliche Partnerschaften weiterhin zu diskriminieren. Er lehnt die doppelte Staatsbürgerschaft ab und setzt sich gegen die Rechte von Geflüchteten ein. Als erste Amtshandlung als Innenminister ordnete er die Zurückweisung von Geflüchteten an den Grenzen an. Als rechter Hardliner wird er wahrscheinlich genauso rassistisch weitermachen. Außerdem haben besonders Linke mit Dobrindt als Innenminister mit härterer Repression zu rechnen.
Arbeit und Soziales: Bärbel Bas (SPD)
Bärbel Bas hat bereits angekündigt, dass sie mit „Bauchschmerzen“ den Koalitionsvertrag umsetzen und die Tageshöchstarbeitszeit angreifen wird. Ob es eine Erhöhung des Mindestlohns geben wird, lässt sie eine Kommission entscheiden. Sie ist zwar Mitglied der parlamentarischen Linken der SPD, wird in dieser Rolle aber wahrscheinlich als Feigenblatt agieren und „schweren Herzens“ immer wieder den reaktionären Koalitionsvertrag mittragen.
Wohnung und Bauen: Verena Hubertz (SPD)
Eigentlich ist Verena Hubertz millionenschwere Kapitalistin. Bis 2020 war Hubertz Geschäftsführerin des Start-Ups Kitchen Stories, das später von einer Tochter des Bosch-Konzerns aufgekauft wurde. Laut ihr müssen die „Bagger wieder rollen“, was wahrscheinlich dicke Subventionen für die Bauwirtschaft bedeuten soll. Sie will zwar die Mietpreisbremse verlängern, diese hat sich jedoch in der Vergangenheit oft als zahnlos erwiesen.
Gesundheit: Nina Warken (CDU)
Warken ist Juristin und seit 2023 Generalsekretärin der CDU in Baden-Württemberg. Sie hat zwar seit 2013 fast ununterbrochen ein Bundestagsmandat, hat sich bisher aber nie mit Gesundheitspolitik profiliert. Für ihren neuen Ministeriums-Posten wurde sie demnach eher ausgewählt, weil sie in der CDU als loyale „Parteisoldatin“ gilt, die zudem hohe Beliebtheit in ihrem Wahlkreis Odenwald-Tauber genießt. Konkrete Vorhaben für das Gesundheitssystem lassen sich aus ihren bisherigen Positionierungen also nicht ablesen. Ihr Vorgänger Karl Lauterbach hat allerdings schon eine neoliberale Reform der Krankenhäuser in Gang gebracht, an der die CDU nur oberflächlich etwas auszusetzen hatte. In seine Fußstapfen zu treten, wird Warken also vermutlich nicht schwerfallen.
Umwelt und Klimaschutz: Carsten Schneider (SPD)
Carsten Schneiders Biographie schreit vor allem eines: Karrierist. Der heute 49-Jährige wurde nach seiner Ausbildung im Jahr 1998 erstmals in den Bundestag gewählt und war seitdem durchgehend Parlamentarier. Zuletzt diente er unter der Scholz-Regierung als Ost-Beauftragter. Wie er sich für die Themen Umwelt und Klimaschutz qualifiziert, ist auch den bürgerlichen Medien ein Rätsel. Er gehört dem Seeheimer Kreis an, einer konservativen Strömung in der SPD, die in den vergangenen Jahren wieder dominanter geworden ist.
Familie und Bildung: Karin Prien (CDU)
Karin Prien ist eine der fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU und war in Schleswig-Holstein acht Jahre lang Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. In dieser Funktion kürzeste sie Unterrichtsstunden, um den Landeshaushalt zu schonen. Und sie veranlasste, dass Lehrer:innen die Verwendung von Binnen-I, Genderstern oder anderen Sonderzeichen für genderneutrale Sprache als Fehler bewerten sollen. Im Februar fischte sie im Wahlkampf am rechten Rand, als sie im Rahmen einer Debatte über Frauen in politischen Führungsrollen einen Tweet mit dem Slogan „Wir machen Schluss mit dem woken Kram“ absetzte.
Zu woke ist für Prien offenbar auch jede Kritik an Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen der israelischen Regierung. Zur Berlinale 2024 warf sie den Dokumentarfilmern Yuval Abraham und Basel Adra Antisemitismus vor, weil diese die Besetzung des Westjordanland kritisiert und von Apartheid in Israel gesprochen hatten. Kurz nach ihrem Amtsantritt beschwerte sie sich über „Doppelstandards“ bei der Kritik an Israel und sprach sich implizit für einen Staatsbesuch des Kriegsverbrechers Netanjahu in Deutschland aus.