Linkspartei Aue stimmt für rassistisches Migrationsgesetz

09.05.2025, Lesezeit 7 Min.
1
Foto: B. Kuan / shutterstock.com

In Aue-Bad Schlema hat der Stadtrat Anfang Mai eine „Notlage“ ausgerufen – ein Vorwand, um einen Aufnahmestopp für unerwünschte Migrant:innen zu fordern. Anstatt dagegen Widerstand zu organisieren, stimmte ein Vertreter der Linkspartei diesem Beschluss zu.

Der Stadtrat von Aue-Bad Schlema hat vergangene Woche auf Anstoß der Partei “Freie Sachsen” einen rassistischen und migrationsfeindlichen Beschluss gefasst. Dieser fordert den Oberbürgermeister auf, sich für einen Aufnahmestopp von Migrant:innen einzusetzen, die straffällig geworden sind. Der Antrag wurde ohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung einer Vertreterin der SPD angenommen. Zustimmung kam unter anderem von Mitgliedern der CDU, AfD, Freien Wähler und einem Vertreter der Linkspartei. Die Freien Sachsen feierten diesen symbolträchtigen Beschluss, ihr Auer Stadtrat Stefan Hartung sprach von einer „Implosion der Brandmauer auf kommunaler Ebene”.

Grundlage der ausgerufenen “Notlage” sind wiederholte Auseinandersetzungen am Postplatz von Aue, für die jugendliche Migrant:innen verantwortlich gemacht werden. Die Polizei spricht von einer Gruppe von zwölf jungen Menschen. Die Initiative des Beschlusses kam von der Partei „Freie Sachsen”, einer rechtsextremen Kleinstpartei, die den Freistaat vom Rest Deutschlands abgrenzen will. Ihre führenden Mitglieder sind bekannte Rechtsextremisten, darunter der Parteivorsitzende Martin Kohlmann, der die Bürgerbewegung Pro Chemnitz gründete, oder Stefan Hartung, der selbst im Stadtrat Aue die Partei “Die Heimat”, vormals NPD, als Mitglied vertritt.

Mit der Zustimmung dieses Beschlusses folgt der Auer Stadtrat Salzgitter, Delmenhorst, Wilhelmshaven und Cottbus, wo bereits 2017 eine „negative Wohnsitzauflage” angeordnet wurde. Sie untersagt es Asylbewerber:innen, in diese Orte zu ziehen, unter dem Vorwand, es würde die Integration verbessern. Möglich macht dies eine Regelung im Bundesintegrationsgesetz. Ebenso beschloss der Stadtrat der sächsischen Stadt Freiberg im Jahr 2018 einen Zuzugsstopp für Migrant:innen zu beantragen. 

Migrant:innen an leeren Kassen der Kommunen schuld?

All diese Anträge und Beschlüsse basieren auf dem Argument, die Kommunen müssten entlastet werden. Der Rathauschef Freibergs macht die Migrant:innen für den Mangel an Plätzen in Schulen und Kitas verantwortlich. Ebenso zeigte sich die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping von der SPD bestärkt darin, per Wohnsitzauflage eine gerechtere Verteilung von Geflüchteten im Land zu bewirken. Denn diese habe „immer Einfluss auf die Bedingungen gelingender Integration.”

Dabei sind der Mangel an Schul- und Kitaplätzen, überlastete Wohnungsämter und fehlende soziale Infrastruktur Folgen jahrzehntelanger Spar- und Kürzungspolitik. Anstatt auf die Überlastung der Kommunen mit Geldern für Soziales und Gesundheit zu reagieren, um den Lebensstandard der Bewohner:innen und die Integration von Geflüchteten zu verbessern, wird den Rechten in die Hände gespielt, indem rassistische Narrative verbreitet werden und die “übermäßige” Migration zur Ursache von Kriminalität oder Mangel an Geldern für Infrastruktur gemacht wird. 

Und die Linkspartei macht mit

Auf Landesebene reagierte Stefan Hartmann, der Ko-Vorsitzende der sächsischen Linkspartei, auf die Zustimmung im Auer Stadtrat und betonte, dass dies dem „Beschluss der sächsischen Linke” widerspreche „unter keinen Umständen Initiativen von extrem rechten Parteien zuzustimmen”. Er sprach von einem „Fehler” seitens der Vertretung der Linkspartei, jedoch ist dies nicht das erste Mal für die Linke, sich nicht klar von rechteren Parteien und ihrer rassistischen Politik abzugrenzen. Doch solch ein Votum von einem Parteimitglied ist kein individueller Fehler, sondern Ausdruck eines grundsätzlichen Widerspruchs innerhalb der Partei: Während sie allgemein migrationsfreundliche Politik fordert, hat sie in Regierungsverantwortung – wie in der rot-rot-grünen Regierung in Berlin – bereits bewiesen, dass sie Abschiebungen mittragen kann, wenn es um politische Macht und Regierungsbeteiligung geht.

Dies wird auf kommunaler, sowie auf bundesweiter Ebene extrem deutlich. Nicht nur stimmt Rolf Niemann von der Linkspartei zusammen mit der AfD für einen migrationsfeindlichen Beschluss, der auf Anstoß der rechstextremen Partei „Freie Sachsen” gefasst wurde; sondern ebnet sie auch noch der neuen Merz Regierung am 06. Mai den Weg, anstatt diesen Moment politischer Schwäche für entschiedenen Widerstand zu nutzen. Damit ordnet sie sich der Regierung unter, um mehr Teilhabe an dieser zu gewinnen, anstatt Proteste zu organisieren und die größte politische Bühne der Bundesrepublik, also das Parlament, für die Verbreitung antirassistischer Forderungen zu nutzen. 

Das wäre so wichtig, denn die kommende Regierung wird den rassistischen Beschluss aus dem Stadtrat von Aue-Bad Schlema auf das ganze Land ausweiten, Geflüchtete härter disziplinieren, grundlos in Gewahrsam nehmen und schneller abschieben. Auf die aktuelle Krise wird eben mit massenhafter Aufrüstung, sozialen Kürzungen und Einschränkungen demokratischer Rechte reagiert, was die Lebenssituationen von Migrant:innen, Arbeiter:innen und Studierenden verschlechtern und die Kommunen nicht entlasten wird. Die Koalitionspapiere von Union und SPD sehen unter anderem Steuererleichterungen für Großunternehmen vor, während das Bürgergeld abgeschafft und durch eine neue Grundsicherung ersetzt werden soll, die stärkere Sanktionsmaßnahmen für Arbeitslose vorsieht.

Durch die endgültige Umsetzung der GEAS-Reform können Geflüchtete an der Grenze ausgewiesen und in „sichere Drittstaaten” abgeschoben werden. Sogar Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan sollen trotz Bürgerkrieg und autoritärem Regime ermöglicht und Fluggesellschaften zur Durchführung der Abschiebeflüge verpflichtet werden. Geflüchtete in Deutschland sollen mit Bezahlkarte, anstatt mit Bargeld ausgestattet werden. Bei den Milliarden für Rüstung und Militär wird von Verteidigungsmitteln geredet, während die „Konsolidierung der Staatsfinanzen” – sprich Sparmaßnahmen in sozialen Bereichen – nicht nur Auswirkungen auf unser Leben als Studierende und Arbeiter:innen hat, sondern auch Mitverantwortung für tausendfache Morde in der Ukraine und in Palästina trägt. Und wer sich gegen die neue Regierung stellen und Widerstand organisieren will, sieht sich schon jetzt mit einer angekündigten Repressionswelle konfrontiert: Denn der Koalitionsvertrag stellt eine “Strategie zur konsequenten Verfolgung und Bekämpfung linksextremistisch motivierter Straftaten und Strukturen” vor, was früher oder später aktive Linke, Gewerkschafter:innen und Aktivist:innen treffen wird, die nicht auf einer Linie mit der deutschen Staatsräson stehen. 

Die Zustimmungen der Linkspartei für die Kriegskredite im Bundesrat, für den Zuzugsstopp von Asylbewerber:innen im Stadtrat von Aue-Bad Schlema, sowie für den zweiten Wahlgang zur Bundeskanzlerwahl zeigen uns, dass sie keine echte Opposition gegen die rechte Merz-Regierung sein kann. Wir müssen uns selbst organisieren und eine unabhängige sozialistische Kraft aufbauen, um für unsere Interessen als Studierende, Arbeiter:innen und Schüler:innen einzustehen und der Regierung auf der Straße, in den Schulen, Unis und Betrieben etwas entgegenzusetzen. Dabei wollen wir unseren Kampf mit all denjenigen Kräften der Linkspartei vereinen, die für eine konsequente antimilitaristische Politik kämpfen wollen, gegen die Jahrhundertaufrüstung, gegen die Merzregierung und auch gegen die Führung der Linkspartei, die vor dem deutschen Imperialismus immer weiter auf die Knie fällt. 

Mehr zum Thema