Essener LINKE setzt Polizei gegen eigene Jugendorganisation ein

03.10.2022, Lesezeit 4 Min.
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Die beiden Aktivist:innen der Solid Essen mit dem strittigen Transparent, Bild: Linksjugend Solid Essen

Wegen einem Wagenknecht-Zitat wurde die Linksjugend Solid Essen mit Hilfe der Polizei von einer regierungskritischen Demonstration ausgeschlossen. Wir solidarisieren uns mit den Genoss:innen. Die Polizei darf niemals ein Mittel in der Linken sein.

Am letzten Samstag, dem 1. Oktober 2022, demonstrierten circa 30 Menschen unter dem Motto „Genug ist Genug“ am Burgplatz in Essen gegen die steigenden Preise . Dabei kam es zu einem handfesten Skandal. Zwei Aktivist:innen der parteinahen Linksjugend Solid Essen brachten ein vermeintlich harmloses Transparent mit einem Zitat von Sahra Wagenknecht (Linke) mit. „Wir haben […] die dümmste Regierung Europas“, steht darauf, versehen mit einer Silhouette von Wagenknecht.

In ihrem Statement spricht die Linksjugend Solid Essen davon, dass sie dafür zwar Zuspruch von „Passanten und Teilnehmern der Demo“ erhielten, aber der Anmelder der Essener Linken sie dennoch aufforderte das Transparent einzurollen. Da er keine Begründung für seine Forderung lieferte, weigerten sich die Aktivist:innen. „Daraufhin wandte er (der Anmelder, A.d.R.) sich an die anwesende Polizei”, heißt es in dem Solid-Essen-Statement. Gegenüber Klasse gegen Klasse berichtet einer der Aktivist:innen: “Wir wurden dann von sechs oder sieben Polizist:innen eingekreist und aufgefordert mit raus zu kommen. Dann haben sie unsere Personalien aufgenommen.” Nachdem die Personalien der Genoss:innen überprüft wurden, durften sie gehen. Ein Platzverweis wurde nicht ausgesprochen, die Demonstration sollten sie dennoch verlassen. Daraufhin verließen etwa zehn Genoss:innen, unter anderem von der DKP, aus Solidarität mit den Ausgeschlossenen die Demonstration. Auch wir wollen uns an dieser Stelle ausdrücklich mit der Linksjugend Solid Essen solidarisieren.

Der bürgerliche Staat und seine Repressionsorgane, allen voran die Polizei, dürfen niemals ein Mittel sein, um Debatten und politische Kämpfe zu führen. Die Polizei gegen die eigenen Genoss:innen zu hetzen, bedeutet nichts anderes, als sich Mitteln des bürgerlichen Staates gegen Linke und organisierte Arbeiter:innen zu bedienen, um seine politische Meinung durchzusetzen. Das schadet der Linken und Arbeiter:innenbewegung, denn der Polizei oder dem Verfassungsschutz ist es am Ende des Tages egal, welche Couleur Linker sie ins Netz bekommen hat, ihnen geht es um die Schwächung der gesamten Bewegung. Auch setzt sie Aktivist:innen einer realen Gefahr auch schwerer Repressionen aus, deren Folgen nicht immer abschätzbar sind. Für Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung oder politisch Verfolgte können die Konsequenzen existenzbedrohend werden.

Und auch vermeintlich harmlose Polizeieinsätze enden oft grausam. Die Polizei ist eine durch und durch rassistische, sexistische, behindertenfeindliche, rechte Organisation, die das Klasseninteresse der Bosse durchsetzt. Das führen uns auch zwei tote Menschen, die im vergangenen August bei Polizeieinsätzen im nahe gelegenen Dortmund und in Recklinghausen ihr Leben verloren, schmerzlich vor Augen. Es ist unentschuldbar, diese grausame Institution auf die eigenen Genoss:innen zu hetzen. Auch, wenn die beiden Genoss:innen nach der Kontrolle gehen durften und so relativ glimpflich davon kamen, muss der Anmelder Konsequenzen davontragen.

Dabei ist es nicht nur ein Problem, wenn Leute die Polizei gegen die eigenen Genoss:innen einsetzen, sondern auch eine generelle Diskussion darüber, wie sich Linke zum Staat verhalten sollen. Wer ein regierungskritisches Banner, auch wenn einem die Urheberin des Zitats nicht passt, als Anlass nimmt, seine eigenen Genoss:innen von Demos zu schmeißen, hat schon längst Frieden mit dem Kapitalismus geschlossen.

Es braucht deshalb auch einen politischen Kampf gegen die Genoss:innen, die die Linkspartei über Regierungsbeteiligung und Ministerposten noch tiefer in den bürgerlichen Staat verankern wollen. Dafür braucht es – auch anders als Sahra Wagenknecht es mit ihrem Linkspopulismus formuliert – eine Klassenpolitik, die die Fragen und sexistischer und rassistischer Unterdrückung beantwortet. Eine Politik, die sich auf die Seite der Arbeiter:innen und Unterdrückten stellt und diese kapitalistischen Spaltungen überwindet.

Ein Programm gegen die Polizeigewalt, dass für ein unabhängiges Untersuchungskomitee zur Aufklärung der Polizeimorde und für einen Rausschmiss der arbeiter:innenfeindlichen und rassistischen Pseudo-Gewerkschaft “Gewerkschaft der Polizei” aus dem DGB eintritt, wäre dafür ein guter Anfang.

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Die beiden Aktivist:innen der Solid Essen mit dem strittigen Transparent, Bild: Linksjugend Solid Essen

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