Die katalanische Frage – Teil II: Der Spanische Bürger*innenkrieg

03.11.2017, Lesezeit 9 Min.
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Auch in der Spanischen Revolution und im Bürger*innenkrieg von 1936-1939 spielte die katalanische Frage eine wichtige Rolle – denn das Zentrum der Revolution war Barcelona, die Hauptstadt Kataloniens.

Die spanische Revolution war das letzte Bollwerk gegen den imperialistischen Zweiten Weltkrieg und die Herrschaft des Faschismus. Weltweit hat die Revolution im Jahr 1936 Begeisterung und Hoffnung hervorgerufen; Internationalist*innen aller Länder beteiligten sich in den Reihen der Internationalen Brigaden am Kampf gegen den faschistischen Putsch von Franco. Der Erfolg der spanischen Revolution hätte nicht nur den Faschismus in Spanien besiegt, sondern wie ein Funke eine neue Explosion der revolutionären Erhebungen weltweit auslösen können.

Doch die Niederlage der Revolution 1936-1939 hat das Schicksal der internationalen Arbeiter*innenklasse reaktionär entschieden: Das Scheitern der Revolution machte dem Zweiten Weltkrieg den Weg frei und der Faschismus siegte in Spanien. Die katalanische Frage, die noch zwei Jahre zuvor mit der Ausrufung und Niederschlagung der katalanischen Republik im Zentrum der Geschehnisse stand, wurde mit dem Sieg Francos ein weiteres Mal reaktionär „gelöst“.

Die Volksfrontregierung

Im Januar 1936 wurden Neuwahlen ausgerufen. Zwei Fronten hatten sich gebildet: Auf der einen Seite stand eine Volksfront aus den Arbeiter*innenparteien der sozialdemokratischen PSOE und der stalinistischen PCE, der republikanischen Bourgeoisie und für kurze Zeit auch der zentristischen POUM. Die anarchistische CNT rief im Gegensatz zu den vorherigen Wahlen nicht zum Wahlboykott auf, verweigerte aber auch zunächst die Teilnahme an der Volksfront. Auf der anderen Seite stand die Nationale Front, bestehend aus allen möglichen reaktionären Kräften. Die Volksfront gewann die Wahlen vom 16. Februar 1936 und bildete die Regierung. Sie manifestierte jedoch eine strategische Sackgasse: Sie hatte genauso wie die Zweite Republik die Grenzen der bürgerlich-demokratischen Reformen nicht überschreiten wollen und distanzierte sich von den Fragen der Enteignung der Bourgeoisie und der Landbesitzer*innen, der Zerstörung des bürgerlichen Staates und seiner Armee, der Gründung von Räten und Milizen der Arbeiter*innen und Bäuerinnen*Bauern. Sie hielt die Arbeiter*innen von selbstständigen Erfahrungen der Bewaffnung, Besetzung und Streiks ab und drängte sie zum Frieden mit der republikanischen Bourgeoisie.

Der Militärputsch und der Aufstand in Katalonien

Die Volksfront hätte die damalige spanische Kolonie Marokko auf ihre Seite ziehen können, indem sie ihr die Unabhängigkeit von der spanischen Krone gewährt hätte. Stattdessen fiel sie in eine sozialchauvinistische Position, und die Kolonie Marokko wurde zur Hochburg des Generals Franco.
Unter Führung von Franco zettelten die Faschist*innen und das Militär am 17. Juli 1936 einen Militärputsch an. Die demokratische Volksfront in Madrid blieb passiv, doch in Katalonien führten die Arbeiter*innen einen Aufstand durch.

In Barcelona kontrollierten die bewaffneten Arbeiter*innen die Straßen, Fabriken und Institutionen. Sie verwalteten die Produktion und das öffentliche Leben. Die Arbeiter*innenorgane besaßen in der Stadt de facto eine Doppelmacht neben der bürgerlichen Regierung. So erlitten die Putschisten dort ihre größte Niederlage: General Manuel Goded versuchte am 19. Juli die Stadt zu besetzen. Als der militärische Einmarsch begann, verteidigten die Arbeiter*innen und Bauern*Bäuerinnen ihre Stadt und überzeugten sogar die Soldaten, gegen die Befehle ihrer Offiziere die Revolution zu verteidigen. Die Putschisten mussten sich zurückziehen. Auch im Baskenland scheiterten die Putschisten aufgrund des heroischen Aufstands der Massen. Da, wo die Arbeiter*innen sich bewaffneten, verlor das putschistische Militär; aber dort, wo die Arbeiter*innen unbewaffnet waren, gewann das Militär an Einfluss und eroberte Städte.

Die Kräfteverhältnisse in der Volksfront

In Katalonien waren die Kräfteverhältnisse innerhalb der Volksfront besonders zusammengesetzt: Im Juni 1936 waren die sozialdemokratische PSOE und die stalinistische PCE zur PSUC (Vereinigte Sozialistische Partei Kataloniens) fusioniert. Auf der anderen Seite der Linken stand die POUM, eine Fusion der Kommunistischen Linken (IC) und des Arbeiter-Bauernblocks (BOC), die in Katalonien konzentriert war. Andreu Nin war der führende Kopf der IC und Joaquin Maurin der BOC. Sie beide waren im Rahmen der stalinistischen Säuberung aus der PCE ausgeschlossen worden. Nin schloss sich der Linken Opposition um Trotzki an, während Maurin eher der Bucharin- und Brandler-Opposition angehörte. Eine zentristische Fusion, die aber Aktionsformen wie die Besetzung von Ländereien und Betrieben vorschlug. Doch die politische Führung der Arbeiter*innen in Katalonien hatten die Anarchist*innen der CNT.

Barcelona war nicht nur die Hochburg des antifaschistischen Kampfes, sondern vor allem das Zentrum der Kollektivierung und der Arbeiter*innenkontrolle. Daher gerieten die Volksfront und die CNT in Konflikt zueinander. Die Stalinist*innen standen an der Spitze der Volksfront. Leo Trotzki beschrieb sie als „die kämpfende Avantgarde der bürgerlich-republikanischen Konterrevolution“. Denn sie verteidigten das Privateigentum an den Produktionsmitteln und am Boden vehement. Ihre Strategie konzentrierte sich auf eine Etappenlogik: Zuerst den Krieg gewinnen und die bürgerlich-demokratische Volksfront verteidigen. Irgendwann später komme dann die sozialistische Revolution. Trotzki schrieb dazu:

Drei Konzeptionen bekämpften sich mit ungleichen Kräften im so genannten republikanischen Lager: die Menschewistische, die Bolschewistische und die Anarchistische. Was die bürgerlich-republikanischen Parteien betrifft, so besaßen sie weder eigene Ideen noch eigene politische Bedeutung und hielten sich nur im Nacken der Reformisten und Anarchisten. Man kann weiterhin ohne Übertreibung sagen, die Führer des spanischen Anarchosyndikalismus haben alles getan, um ihre Doktrin zu desavouieren und praktisch ihre Bedeutung auf Null zu reduzieren. Faktisch standen sich im so genannten republikanischen Lager zwei Doktrinen gegenüber: die Menschewistische und die Bolschewistische.

Nach Auffassung der Sozialisten und Stalinisten, daher der Menschewiki ersten und zweiten Aufgebots, sollte die spanische Revolution nur ihre „demokratischen“ Aufgaben lösen, und dazu sei Einheitsfront mit der „demokratischen“ Bourgeoisie erforderlich. Jeder Versuch des Proletariats, über den Rahmen der bürgerlichen Demokratie hinauszugehen, ist von diesem Gesichtspunkt aus gesehen nicht nur verfrüht, sondern auch verhängnisvoll. Außerdem stehe nicht die Revolution, sondern der Kampf gegen den Rebellen Franco auf der Tagesordnung. Der Faschismus ist die „Reaktion“. Gegen die „Reaktion“ gälte es, alle Kräfte des zu „Fortschritts“ zu einen. Dass der Faschismus nicht feudale, sondern bürgerliche Reaktion ist, dass die bürgerliche Reaktion erfolgreich nur mit den Kräften und Methoden der proletarischen Revolution zu bekämpfen ist, dafür hat der Menschewismus, selbst ein Zweig des bürgerlichen Denkens, kein Verständnis und kann es auch nicht haben.

Die Anarchist*innen als stärkste Kraft innerhalb der Arbeiter*innenbewegung der industriell entwickelten Region Kataloniens hatten sich trotz der Etappenlogik der Stalinist*innen ebenfalls an der Volksfront-Praxis beteiligt. Sie ermöglichten den bürgerlichen Nationalist*innen der ERC, die Regionalregierung zu kontrollieren. Im September 1936 trat die CNT in die Generalitat (katalanische Volksfront-Regierung) ein. Die POUM nahm ebenfalls an der Volksfront teil.

Die blutige Niederlage

Doch diese Politik der Anbiederung an die Volksfront-Führung zahlte sich nicht aus: Der Stalinismus schloss zunächst im Dezember 1936 die POUM aus der Regierung aus und entwaffnete sie. Den gleichen Kurs wollte er auch gegen die Anarchist*innen durchsetzen. Es begann deshalb eine Phase heftiger Gefechte innerhalb des republikanischen Lagers. Die PCE forderte die Auflösung der Arbeiter*innenmilizen und deren Eingliederung in die reguläre Armee. Bald ging der Stalinismus dazu über, auch an der Front die Milizen zu entwaffnen und zwangsweise in die reguläre Armee zu integrieren; wer dagegen war, wurde auch erschossen, plastisch zu sehen in Ken Loachs Klassiker „Land and Freedom”.

Vom 3. bis zum 7. Mai 1937 kam es dann in Barcelona zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Anarchist*innen und POUM auf der einen Seite, stalinistischer PCE und katalanischer bürgerlicher Regierung auf der anderen Seite. Am 7. Mai marschierten die Polizeitruppen in Barcelona ein und übernahmen ihre Kontrolle.

Die Maitage in Barcelona waren nicht der Kampf um die Machteroberung des Proletariats, sondern um die Frage der Taktiken im Schatten der Volksfrontstrategie. Die Sackgasse des Anarchismus beschreibt Trotzki prägnant:

Diese Selbstrechtfertigung: „`Wir ergriffen die Macht nicht, nicht etwa, weil wir nicht konnten, sondern weil wir nicht wollten, weil wir gegen jede Diktatur sind“´ usw. enthält allein schon die unwiderrufliche Verurteilung des Anarchismus als einer durch und durch antirevolutionären Doktrin. Auf die Eroberung der Macht verzichten, heißt freiwillig die Macht dem überlassen, der sie besitzt, d.h. den Ausbeutern. Das Wesen jeder Revolution bestand und besteht darin, dass sie eine neue Klasse an die Macht bringt und ihr so die Möglichkeit gibt, ihr Programm zu verwirklichen. Man kann nicht Krieg führen, ohne den Sieg zu wollen. Man kann die Massen nicht zum Aufstand führen, ohne sich auf die Eroberung der Macht vorzubereiten.

Die blutige Niederlage in Barcelona bedeutete nicht nur die physische Schwächung des Widerstands, sondern auch eine Wende in der Psychologie der Massen: Die Demoralisierung und der Defätismus prägten das Bewusstsein derjenigen, die die Schlacht überlebten. Die Volksfront-Regierung hatte zwar gesiegt, aber nur im inneren Kampf. Es war ein Pyrrhussieg, welcher der eigenen Niederlage gegenüber dem Faschismus den Boden bereitete.

Anfang 1939 konnte Franco unter diesen Bedingungen Katalonien ohne großen Widerstand erobern. Durch seine Befehle wurde die katalanische Regionalregierung niederschlagen, Katalonien verlor wieder seine Autonomie. Die katalanische Sprache wurde erneut verboten.

Im ersten Teil unserer Reihe haben wir uns mit der Zeit von der Unterwerfung Kataloniens 1714 bis hin zum Ausbruch der Spanischen Revolution 1936 beschäftigt. In Teil III geht es um die katalanische Frage unter dem Franquismus und der „Transición“.

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