Wirtschaftshilfen: 600 Milliarden für Unternehmen, 3 für die Gesundheit

24.03.2020, Lesezeit 4 Min.
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Die Bundesregierung hat am Montag eine historische Wirtschaftshilfe verabschiedet. Die schwarze Null ist damit passé. Doch Hilfe gibt es vor allem für Unternehmen, der Gesundheitssektor geht beinahe leer aus.

Bild: „Inner Circle April 2019“ by Hubert Burda Media is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Sechs Jahre lang hat sich der Bund nicht mehr neuverschuldet – die schwarze Null stand fest. Doch das war vor der Corona-Krise. Nun umgeht die Bundesregierung diese eherne Regel der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse. Sie will Milliarden Euros ausschütten, um den wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 entgegenzuwirken.

Die in einem Nachtragshaushalt verabschiedete Neuverschuldung beträgt für dieses Jahr 156 Milliarden Euro – eine Rekordsumme. 122,5 Milliarden davon stammen aus Mehrausgaben, weitere 33,5 Milliarden an Steuereinnahmen werden dem Bund wohl wegen des Einbruchs der Wirtschaft fehlen. Der Etat des Bundes soll somit von 362 auf 484,5 Milliarden steigen. Das umfangreiche Gesetzespaket soll noch bis Ende der Woche durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werden.

Neben dieser Neuverschuldung hat sich das Kabinett außerdem auf einen Rettungsfond von gigantischen 600 Milliarden geeinigt. Darin eingeschlossen sind Garantien über 400 Milliarden Euro, die die Liquidität von Unternehmen bewahren sollen. 100 Milliarden stehen für Staatsbeteiligungen für in Schieflage geratende Unternehmen, wie etwa die Lufthansa, zur Verfügung, also für die Vergesellschaftung der Verluste. Nach der Krise sollen solche Betriebe schließlich wieder privatisiert werden. Hinzu kommt ein Sonderprogramm der staatlichen Bankengruppe KfW im Umfang von weiteren über 100 Milliarden Euro. Es soll mit zinsgünstigen Krediten ausgleichen, dass private Banken in der Krise kaum noch gewillt sind, Geld zu verleihen.

Addiert man dazu noch den erweiterten Garantierahmen für die KfW von bis zu 449 Milliarden Euro, kommt man auf die fast astronomische Zahl von rund 1,2 Billionen Euro. So viel ist die Bundesregierung bereit für die Rettung der Wirtschaft – also die Rettung der Profite einiger weniger – in die Hand zu nehmen. Eine wirklich unvorstellbare Zahl.

Die Regierung ist stolz auf diese Summe. Ihr Regierungssprecher Steffen Seibert sagte dazu: „Die Bundesregierung nimmt so viel Geld wie noch nie in die Hand, um die Wirtschaft zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu schützen.“

Ein Offenbarungseid wird daraus, stellt man dem eine weitere Zahl gegenüber: drei Milliarden. So groß ist die außerordentliche Finanzspritze, die Gesundheitsminister Jens Spahn dem Gesundheitssektor zukommen lassen will. Deutlicher kann es nicht werden: Für diese Regierung befinden wir uns nicht in einer Krise der Gesundheit, sondern in einer Krise der Profite.

Der Plan der Regierung sieht vor, dass Krankenhäuser etwa mit Pauschalbeiträgen entschädigt werden, wenn sie etwa planbare Operationen verschieben, oder Prämien für die Schaffung von Intensivbetten bekommen sollen. Damit ist das Fallpauschalensystem in Frage gestellt, das zur vollständigen Ökonomisierung des Gesundheitswesens geführt hatte, weil diese gesundheitliche Krise nicht mit der Profitlogik vereinbar ist. Die AOKen forderten die zeitweise Aussetzung bereits. Für eine bestimmte Behandlung einen fixen Betrag anzusetzen, ohne die tatsächlichen medizinischen Bedürfnisse der Patient*innen und die damit tatsächlich entstehenden Kosten zu berücksichtigen, funktioniert schon im Normalbetrieb kaum. In einer Krise, wie wir sie derzeit erleben, funktioniert es überhaupt nicht.

Statt die Unternehmen in einer solchen Krise zu schützen und den Gesundheitssektor nur notdürftig zu stärken, braucht es sofort eine außerordentliche Finanzspritze für die öffentliche Gesundheit. Statt die Mehrausgaben über Massensteuern der arbeitenden Mehrheit aufzulasten, muss dies über drastische Sondersteuern auf Gewinne und Vermögen der Unternehmen und der Reichen ausgeglichen werden.

Um zu überprüfen, dass das ausgeschüttete Geld auch tatsächlich dort ankommt, wo es der öffentlichen Gesundheit dient, müssen Gesundheits- und Sicherheitsausschüsse von Beschäftigten und Patient*innen geschaffen werden. Abzuwarten bleibt, ob die Maßnahmen der Regierung dazu geeignet sind, die wirtschaftliche Krise wirklich zu dämpfen. Dass die Wirtschaft stark schrumpfen wird, scheint jedenfalls festzustehen. Zwei Fragen bleiben: Wie stark wird sie schrumpfen? Und wie bereiten sich die Arbeiter*innen auf die Angriffe vor, die zweifelsohne auf sie zukommen?

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