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Wer waren die K-Gruppen? Kleine Geschichte des deutschen Maoismus (Teil 3)

25.01.2017, Lesezeit 6 Min.
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Der dritte Teil unserer Artikelserie befasst sich mit Elementen der Ideologie der K-Gruppen der 70er Jahre. Zuvor hatten wir über die historische Relevanz und über die Entstehungsgeschichte des deutschen Maoismus geschrieben.

Teil 3: Revisionen des Marxismus: Elemente maoistischer Ideologie

Die maoistischen Gruppen haben sich als Marxist*innen verstanden. Sie wandten sich gegen den „Revisionismus“ der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und der mit ihr verbundenen Parteien in der Welt. Aber welche Revisionen meinten sie?

Eine große Revision des Marxismus gab es in der Tat. Marx und Engels hatten bereits ab 1847 – also noch vor der Veröffentlichung des Kommunistischen Manifestes – den Internationalismus zur zentralen Säule ihrer Politik erklärt.

Wird diese Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen können?

Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, (…) in eine solche Verbindung miteinander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. (…) Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale (…) sein. (…) Sie ist eine universelle Revolution und wird daher auch ein universelles Terrain haben. (7)

Die Anführer der Oktoberrevolution, Lenin und Trotzki, hielten an dieser internationalistischen Strategie fest. So erklärte Lenin im August 1918:

Der Kapitalismus ist eine internationale Macht und endgültig vernichten kann man ihn darum nur dann, wenn der Sieg in allen Ländern und nicht bloß in einem Land errungen sein wird. Die proletarischen Massen werden der Sowjetrepublik die Möglichkeit sichern, sich so lange zu halten, bis die sozialistische Weltrevolution kommt. (8)

Auch Stalin vertrat ursprünglich die gleiche These in seinem Band „Grundlagen des Leninismus“, von dem die erste Ausgabe im Jahr 1925 erschien:

Zum Sturz der Bourgeoisie genügt die Anstrengung eines einzelnen Landes. Das zeigt die Geschichte unserer Revolution. Zum endgültigen Sieg des Sozialismus, zur Organisierung der sozialistischen Produktion genügen die Anstrengungen eines einzelnen Landes, zumal eines Bauernlandes wie Rußland nicht. Dazu sind die Anstrengungen der Proletarier einiger fortgeschrittener Länder notwendig.

Doch in einer zweiten Ausgabe des gleichen Buches erklärte Stalin – ohne jede Erklärung – plötzlich das genaue Gegenteil:

Was bedeuten die (…) Worte Lenins (…)?
Das bedeutet, daß das Proletariat des siegreichen Landes die sozialistische Produktion im eigenen Lande nach der Machtergreifung organisieren kann und muß. (9)

So entstand die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ – eine bedeutende Revision des Marxismus.

Diese Revision entsprach den materiellen Interessen einer bürokratischen Schicht, die sich am Erhalt der eigenen Privilegien, jedoch nicht an der Weltrevolution und dem Kommunismus orientierte.

Das war nicht die einzige Revision des Marxismus unter Stalin und Mao. Hatte die Oktoberrevolution zum ersten Mal weltweit Abtreibung und Homosexualität legalisiert, so wurden unter dem Stalinismus frauenfeindliche und homophobe Gesetze wieder eingeführt.

Solche stalinistischen Revisionen führten zu einem ausgeprägten Anti-Internationalismus. Stalin hatte 1943 die von Lenin gegründete Kommunistische Internationale aufgelöst, um seine „demokratischen“ imperialistischen Verbündeten zu beruhigen. Die maoistische Bewegung unternahm keinerlei Versuche, irgendeine Art von internationaler Organisation nach dem Vorbild der Komintern zu bilden.

Es ist bemerkenswert, dass die Maoist*innen diese Gegensätze zwischen Lenin und Stalin nicht wahrhaben wollten – und trotzdem der Meinung waren, dass die Sowjetunion 1955 sozialistisch, jedoch 1957 kapitalistisch war, ohne dass das der sowjetischen Arbeiter*innenklasse aufgefallen wäre.

Stalinismus ohne Ende

Genauso bezogen sich die Maoist*innen – hier ist wieder in erster Linie von KPD/ML und KPD/AO die Rede – auf Stalins Theorie des „Sozialfaschismus“. Nach dieser Theorie, die Stalin ab 1929 vertrat und 1934-35 wieder verwarf, war die Sozialdemokratie nicht nur eine faschistische Partei, sondern sogar die gefährlichste faschistische Partei. Das bedeutete, dass die K-Gruppen – im Gegensatz zu Lenins Politik der Einheitsfront – jegliche Zusammenarbeit mit „Revisionisten“ und „Sozialfaschisten“, also mit anderen linken und Arbeiter*innenorganisationen, ablehnten.

Das bedeutete auch, dass sie bei ihren Versuchen, im Proletariat Fuß zu fassen, die Arbeit in den Massengewerkschaften zugunsten von kleinen „roten Gewerkschaften“ ablehnten. Nur kleinere K-Gruppen wie KABD und KB (Nord) unterstützten Lenins Politik der fraktionellen Arbeit in den Massengewerkschaften.

Viele maoistische Studierende gingen in die Fabriken und versuchten, sich wie Arbeiter*innen zu inszenieren. Jan-Ole Arps beschreibt, wie die KPD/ML ihre Mitglieder darauf einstimmte:

An die Stelle der bürgerlichen Kultur [der ’68er Rebellion] sollte eine kommunistische Arbeiterkultur treten. Da in der Bundesrepublik lebendige Traditionen, an die man hätte anknüpfen können, rar waren, machte sich die KPD/ML daran, eine eigene, an die 20er-Jahre-KPD angelehnte „Arbeiterkultur“ zu erschaffen. Hierfür reicherte sie Versatzstücke aus der Weimarer Zeit (…) mit einer guten Portion Spießigkeit an, die sie als proletarische Ordnungsliebe und revolutionäre Ernsthaftigkeit rühmte. (10)

So entstand eine junge, studentische Partei, die Rock’n’Roll und lange Haare verpönte – während die real existierenden Arbeiter*innen der Zeit sich immer mehr für die Gegenkultur interessierten.

Während immer mehr junge Arbeiter sich die Haare lang wachsen ließen, verordnete die Partei ihren Mitgliedern die Rückkehr zu Anstand und Ordnung. (11)

Unnötig zu sagen, dass die meisten solcher Interventionen nur von kurzer Dauer waren.

Dazu haben sich die maoistischen Gruppen von einem Personenkult genährt. Für sie war Mao:

  • “Lehrer und Führer des chinesischen Volkes, Lehrer des internationalen Proletariats” (KBW)
  • der “größte Marxist unserer Zeit, der größte Lehrer der internationalen Arbeiterbewegung und der Völker der Welt” (KPD)
  • der “größte Sohn des chinesischen Volkes, der größte Marxist-Leninist der heutigen Zeit” (KPD/ML)
  • in China selbst galt Mao als die „röteste unter den roten Sonnen“.

 

Fußnoten

(7) Friedrich Engels: Grundsätze des Kommunismus (1847)
(8) Lenin: Rede auf einer Kundgebung im Alexej-Volkshaus in Moskau. In: Werke. Band 28. Seite 65.
(9) J.W. Stalin: Zu den Fragen des Leninismus. 2. Ausgabe.
(10) Jan Ole Arps: Frühschicht. Linke Fabrikinterventionen in der 80er Jahren. Berlin 2011. S. 82.
(11) Ebd. S. 84.

Im vierten Teil befassen wir uns mit der „Drei-Welten“-Theorie und der Idee der „Vaterlandsverteidigung“.

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