Der Widerstand einer Kommunistin gegen die Nazis findet den Weg ins deutsche Kino

27.05.2025, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Elenea Ternovaja, via Wikipedia Commons, CC BY-SA 3.0. , creativecommons.org

"In Liebe, Eure Hilde" erzählt die beeindruckende Geschichte von Frauen, die gegen den Hitlerfaschismus kämpften.

Der Film „In Liebe, Eure Hilde“, der bei der Berlinale 2024 seine Premiere feierte, überzeugt nicht nur mit bedacht inszenierten Bildern, stimmungsvoller Musik und überzeugenden Schauspieler:innen, sondern vor allem mit der (wahren) Geschichte, die er erzählt. Diese Rezension enthält Spoiler für den Film. 

Hilde Coppi (gespielt von Liv Liesa Fries) lebte in Berlin, sie war Kommunistin und Widerstandskämpferin gegen das nationalsozialistische Regime. Sie gehörte einer Gruppe an, die von den Nazis als „Rote Kapelle“ (diffamierend gemeint) bezeichnet wurde. In diesem Netzwerk waren neben Kommunist:innen auch Sozialdemokrat:innen aktiv sowie Christ:innen, die aus religiösen und moralischen Gründen in Gegnerschaft zum Faschismus standen. Die meisten Mitglieder dieses Netzwerkes wurden von der Gestapo (Geheime Staatspolizei, politische Polizei der Nazis) verhaftet und hingerichtet.

Dieses Netzwerk zumeist junger Menschen versuchte mithilfe verschiedener Aktionen ein Zeichen gegen die NS-Politik zu setzen und Menschen zu informieren. Sie überklebten Propaganda-Plakate mit Stickern, die die Botschaften dahinter entlarvten (heutzutage würde man AdBusting sagen). Sie hörten sowjetische Radiosender, wo Soldaten ihre Familien grüßten und schickten den Familien der Soldaten Briefe mit den Grußbotschaften. Sie versuchten, mit der Sowjetunion per Funk Kontakt zu halten, was auf Grund technischer Schwierigkeiten nicht gut klappte. Zudem verteilten sie Flugblätter, wo sie auf die Kriegsverbrechen der Wehrmacht hinwiesen und halfen politisch Verfolgten dabei, sich zu verstecken und zu fliehen. 

Im Film werden aber auch die kleinen Formen des Widerstands gezeigt. In einer Szene trifft sich die Gruppe in einer Eisdiele zum Diskutieren. Eine Frau betritt den Laden und grüßt mit „Heil Hitler!“, aber niemand erwidert diesen Gruß. Auch wenn die Protagonist:innen des Films die Frau mit diesem kleinen Akt des Widerstands nicht dazu bringen konnten, Hitler in Frage zu stellen, konnten sie doch ihre Integrität bewahren. Und auch dieser Akt der Verweigerung konnte gefährlich werden.

Mich hat die Szene daran erinnert, wie wichtig es ist, Stellung zu beziehen wenn Familienmitglieder und Kolleg:innen etwas rassistisches oder queerfeindliches sagen.

Ein feministischer Blick auf den Film

Auch aus einer feministischen Perspektive ist die Betrachtung des Films sehr interessant. Hilde ist bereits bevor sie die anderen kennenlernt an Widerstandsaktivitäten beteiligt, durch ihren vorherigen Freund Franz, der Jude ist und deswegen bereits vor Beginn des Films deportiert wurde. Außerdem ist sie mit Mitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) befreundet. Sie kommt zufällig hinzu, als ein paar aus der Widerstandsgruppe ein Treffen haben, sie äußert Interesse mitzumachen. Ihr späterer Mann Hans Coppi ist erst unsicher, ob man ihr trauen könne, doch die anwesenden Mitstreiterinnen überzeugen ihn davon. Vor Gericht wird Hilde gefragt, warum sie ihren Mann nicht auf Grund seiner Aktivitäten an die Gestapo verraten habe, sie sagt: „Weil ich meinen Mann liebe“. Dies lässt die Interpretation offen, ob Hilde vielleicht gar nicht besonders überzeugt war, sondern von den Männern in ihrem Leben beeinflusst und hineingezogen wurde. Liberta Schulze-Boysen, die Teil der „Roten Kapelle“ ist, sagt ebenfalls, nachdem sie verhaftet wurden, dass die Männer sie hineingezogen hätten. 

Es ist spannend, dass der Film diese Achsen aufmacht, da es in das Klischee hineinspielt, dass Frauen von ihren männlichen Partnern sehr leicht zu beeinflussen wären und keine eigenen politischen Subjekte wären, sondern die Stütze ihres Partners damit der richtige Politik machen könnte. Jedoch wird an mehreren Stellen im Film sehr deutlich, dass Hilde von dem politisch überzeugt ist, was sie tut.

Es war sehr gefährlich, vor Ort in Deutschland Widerstand gegen die Nazis zu leisten. Die Frauen der Roten Kapelle waren aus meiner Sicht im Widerstand, weil sie davon überzeugt waren, und nicht um Männern zu gefallen. Wir sehen und sahen immer wieder, dass Frauen bei politischen Kämpfen in der ersten Reihe stehen können.

Hilde ist hochschwanger, als sie verhaftet wird und bringt ihren Sohn, den sie nach seinem Vater Hans nennt, im Gefängnis zur Welt. Der Film zeichnet ein lebensnahes und bewegendes Bild von Mutterschaft, ohne diese zu romantisieren oder zu suggerieren, dass alles gut wäre, sobald eine Frau ein Kind hätte. Hilde hilft anderen Schwangeren und Müttern, die meisten von ihnen politische Gefangene. Die Zuschauer:innen fühlen mit, wenn Hilde sich von ihrem Sohn, zu diesem Zeitpunkt gerade mal sechs Wochen alt, verabschiedet, um in die Zelle zu gehen, wo sie auf ihre Hinrichtung wartet.

Welche Art des Widerstandes?

Es ist sehr spannend und eine willkommene Abwechslung, dass in Zeiten des Rechtsrucks und während die bürgerlichen Parteien darum wetteifern, wer schneller abschieben kann, ein „Mainstream“-Film über eine kommunistische Widerstandskämpferin und ihre Genoss:innen ins Kino kommt. Der Film erklärt nicht, was Kommunismus ist oder was welche Marxist:innen gesagt haben. Das kann und soll er jedoch auch gar nicht leisten. In der Rezeption der Gruppe spielt die Tatsache, dass einige Mitglieder Kommunist:innen waren (und dass die Nazi-Propaganda dies betonte) jedoch eine wichtige Rolle. In der DDR wurden Hilde Coppi und die anderen Mitglieder der Roten Kapelle zurecht als Widerstandskämpfer:innen gefeiert. In der BRD wurden nach den Coppis benannte Straßen umbenannt und erst 2009 wurden alle hingerichteten Mitglieder vollkommen rehabilitiert.  

Und auch die Tatsache an sich, dass viele Kommunist:innen und andere Linke in der NS-Zeit inhaftiert oder ermordet wurden, ist in Deutschland noch immer zu spüren. Dadurch haben es Linke in Deutschland nämlich schwerer als in anderen Ländern, an politische Traditionen anzuknüpfen und mit Linken aus vergangenen Generationen zu sprechen.

Regisseur Andreas Dresen arbeitete für den Film auch mit Hans Coppi Jr. zusammen, der in der Vereinigung der Verfolgen des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN BdA) aktiv ist und am Ende des Films per Voiceover ein bewegendes Schlusswort sprach. Gemeinsam schaffen sie es, ein positives Gegenbeispiel zum Film „Stauffenberg“ (2004) zu setzen, in dem nicht problematisiert wurde, dass der adelige Offizier Stauffenberg vor allem gegen Hitler war, da er den Krieg gegen die Sowjetunion für aussichtslos hielt, und dass Stauffenberg selber rassistische und antisemitische Ansichten hatte. Widerstand gegen den Faschismus und auch den Rechtsruck ist wichtig, aber es ist dabei nicht egal, aus welchen Motiven man sich dagegen stellt und was für gesellschaftliche Ziele man anstrebt.  

Heutzutage sind wir in einer anderen politischen Situation als in Deutschland 1942. Wir sind nicht im Faschismus und können offen Versammlungen und Treffen von linken oder gewerkschaftlichen Gruppen abhalten. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir gemeinsam diskutieren wie wir uns den Rechten entgegenstellen und eine Bewegung der Arbeiter:innen, der Jugend und der Unterdrückten gegen den Rechtsruck aufbauen. 

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