Nicht nur die USA, auch die BRD muss ihre Finger aus dem Iran halten!

09.01.2020, Lesezeit 6 Min.
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Die Bundesverteidigungsministerin, Annegret Kramp-karrenbauer, bekommt Einblicke in die Ausbildung der Peschmerga während ihres Truppenbesuchs im Rahmen ihrer Einsatzreise nach Erbil/Irak, am 21.08.2019. ©Bundeswehr/Jana Neumann

Nach der Reaktion des Iran auf die Tötung von Qassem Soleimani durch US-Luftangriffe könnte sich die militärische Eskalation weiter verschärfen. Nicht nur die USA, auch der deutsche Imperialismus muss sich aus ganz Westasien zurückziehen.

Nachdem die USA den iranischen General Qassem Soleimani ermordet hatten, hat sich in Folge dieser imperialistischen Aggression die Gefahr eines vollständigen Kriegs zwischen den USA und dem Iran erhöht. In der Nacht zum Mittwoch schließlich reagierte der Iran mit Raketenangriffen auf US-Militärbasen im Irak, wobei aber ersten Berichten zufolge keine US-Soldat*innen getötet wurden.
Die Augen der Welt sind nun auf Washington gerichtet: Wird die USA mit einer erneuten Eskalation antworten und einen vollständigen Krieg beginnen? Auch wenn die bisherige iranische Reaktion auf die Tötung von Soleimani offenkundig nicht auf derselben Eskalationsstufe stattfand, ist die Möglichkeit einer weiteren Eskalation von Seiten der USA nicht auszuschließen, insbesondere angesichts der Unvorhersehbarkeit der Politik von Trump.

Während sich in den USA in den vergangenen Tagen tausende Menschen gegen den Krieg und für den Abzug der USA aus der Region mobilisiert haben, ist es in Deutschland bisher relativ still. Neben reaktionären und proimperialistischen Positionen, die schon seit Langem offen eine US-Militärintervention gegen den Iran fordern, dominiert vor allem die Haltung, dass die Bundesregierung eine Vermittlungsrolle einnehmen sollte. Doch diese Position ist eine gefährliche Verharmlosung der Rolle des deutschen Imperialismus.

Eine konsequente Position gegen den Krieg und gegen den Imperialismus muss ganz klar sagen: „Hände weg vom Iran!“ und die Hauptverantwortung des Imperialismus für die Situation in Westasien aufzeigen, die sich seit der Invasion und Besetzung von Afghanistan und Irak in einem permanenten latenten Kriegszustand befindet und durch den reaktionären Stellvertreterkrieg in Syrien noch angeheizt wurde. Eine solche Position muss den Abzug jeglicher ausländischer Truppen aus dem Irak beinhalten und die Schließung der US-Militärbasen in Deutschland fordern, von denen aus der Krieg gegen den Irak 2003 geleitet wurde und heute mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder geleitet würde.

Dazu ist es nicht nötig, dem iranischen Regime eine politische Unterstützung zuteilkommen zu lassen und Soleimani als angeblichen antiimperialistischen Held zu feiern, der er ganz bestimmt nicht war. Im Gegenteil ist vielmehr die Solidarität mit den aufständischen Massen im Iran und Irak nötig, die versuchen, sich ihre reaktionären Regime mit den Kräften der Mobilisierung, der Streiks und der Selbstorganisation vom Hals zu schaffen. Doch diese Solidarität wird nicht durch imperialistische Bomben und Invasionen hergestellt – und auch nicht durch eine „diplomatische Vermittlung“. Jegliche Einmischung der verschiedenen imperialistischen Mächte kann nur zu noch mehr Elend und Chaos führen – wie es auch der andauernde Bürger*innenkrieg in Libyen unter Beweis stellt. Die größte Solidarität ist deshalb eine antiimperialistische Mobilisierung für den Abzug des Imperialismus aus der Region.

Die angeblich diplomatische Rolle des deutschen Imperialismus ist eine vollständige Farce. Der deutsche Imperialismus versucht – wenn auch (noch) weniger brachial als der US-amerikanische –, seine Einflusssphäre zu vergrößern und treibt die Militarisierung der deutschen Außenpolitik konsequent voran. Nicht nur haben Regierungssprecher*innen in den vergangenen Tagen immer wieder eine Verurteilung des US-Luftangriffs auf Soleimani unterlassen und stattdessen Rechtfertigungen gesucht, während sie scheinhelig zu „Zurückhaltung“ und „Deeskalation“ aufgerufen haben. Heute Morgen hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die iranische Antwort auf die imperialistische Aggression selbst als „Aggression“ bezeichnet und „auf das Schärfste“ verurteilt. Und noch mehr: Die Verantwortung für eine weitere Eskalation sieht AKK beim Iran, und nicht bei den USA. Eine größere Heuchelei ist kaum möglich.

Die deutschen Großkonzerne wie Daimler, Siemens und BMW fürchten sich aktuell vor der Destabilisierung ihrer Investitionen sowohl im Iran als auch in den USA, da sie von US-Sanktionen wirtschaftlich betroffen werden können. „Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) ging der deutsch-iranische Handel bereits 2019 zurück. Von Januar bis Oktober lag das Handelsvolumen bei knapp 1,4 Milliarden Euro – gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von 50 Prozent.“ schreibt die Süddeutsche Zeitung. Der deutsche Imperialismus droht also mit Rückzug die ohnehin fragile Wirtschaft im Iran weiter zu destabilisieren – auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung. Es ist kein Geheimnis, dass von den wirtschaftlichen Sanktionen zunächst die verarmten und arbeitenden Massen betroffen sind. Um zu verhindern, dass die deutsche Kapitalflucht die Bevölkerung im Iran in den Ruin treibt, müssen die deutschen Konzerne entschädigungslos unter Arbeiter*innenkontrolle enteignet werden. Deshalb ist eine antiimperialistische Position unvollständig, die die eigenständige Rolle Deutschlands in diesem Konflikt nicht sieht oder zu einer „Vermittlungsrolle“ verklärt. Im Gegenteil müssen wir ganz klar sagen: Nicht nur die USA, auch die BRD muss ihre Finger aus dem Iran halten! Die Truppen der Bundeswehr müssen sofort abgezogen werden, und zwar nicht nur aus dem Irak, sondern aus der gesamten Region. Alle Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen beendet werden, auch in Mali, Libyen und anderen Ländern. Jegliche Waffenlieferungen müssen gestoppt werden, die US-Militärstützpunkte in Deutschland dürfen für keinerlei direkte oder indirekte Unterstützung der Angriffe genutzt werden und müssen geschlossen werden.

Dafür ist es notwendig, eine starke Anti-Kriegs-Bewegung zu entwickeln, die nicht nur symbolisch gegen den Krieg steht, sondern falls nötig auch Streiks und Blockaden gegen Waffentransporte und Kriegseinsätze durchführt. Um das durchzusetzen, müssen wir uns auch in unseren Gewerkschaften gegen die pro-imperialistischen Kräfte wenden, die nicht nur nicht effektiv mobilisieren wollen, sondern sogar einen Krieg gegen den Iran befürworten. Wenn es eine Anti-Kriegs-Bewegung in den imperialistischen Zentren schafft, effektiven Druck gegen die Präsenz des Imperialismus in Westasien aufzubauen, wäre das eine große Unterstützung für die Massenbewegungen in der Region, die sich gegen ihre eigenen Regierungen wenden.

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