Martin Kaul verleumdet die Gelbwesten in der taz

26.02.2019, Lesezeit 6 Min.
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In der TAZ wettert der Journalist Martin Kaul gegen die Gelbwestenbewegung in Frankreich. Darin bringt er besonders plump zum Ausdruck, worum es den meisten Kritiker*innen der Gilet Jaunes im linken Lager am Ende geht: die Verteidigung der liberalen Demokratie.

Die Gelbwestenbewegung in Frankreich lässt auch die Gemüter in Deutschland nicht kalt. Dabei hat sie nicht nur Befürworter*innen. Der Journalist und Autor Martin Kaul nahm kürzlich die Bewegung zum Anlass, um in der linken Tageszeitung TAZ ein Pamphlet gegen die Revolutionäre Linke in Deutschland zu veröffentlichen. Darin kritisiert er vor allem ihre vermeintlich romantisierende Vorstellung von Revolutionen. So schreibt er:

Revolutionen waren niemals romantisch. Es ist im Prinzip ganz einfach: Revolutionen und Revolutionsgequatsche in demokratischen Staaten sind eine ausgesprochene Scheißidee.

Nur verschweigt Martin Kaul – bewusst oder unbewusst – dass bürgerliche Demokratie auf Unterdrückung und Ausbeutung beruht. Das sehen wir beispielsweise in der Polizeigewalt, mit der Macron versucht den Protest zu unterdrücken.

Die neoliberale Politik des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron treibt die Massen ins Elend. Doch sie ist nur die Spitze des Eisbergs, nach einer ganzen Reihe von arbeiter*innenfeindlichen Reformen. Schon gegen das „Loi Travail“ gab es viel Protest. Damals unternahm die Regierung unter Hollande einen Angriff gegen das Arbeitszeitgesetz, um die französische Wirtschaft wettbewerbsfähig zu machen. Durch die Ausweitung der Arbeitszeit und die Vergrößerung der industriellen Reservearmee – wie in Deutschland mit der Agenda 2010 unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder – wurden die Produktionsbedingungen für das Kapital verbessert.

Gleichzeitig wird es nicht genügen die bürgerliche Demokratie zu verteidigen, wo in Zeiten des weltweiten Rechtsrucks, die Angriffe weiter zunehmen. Dies geschieht angesichts der sich zuspitzenden Konkurrenz der nationalen Kapitalist*innen. In dessen Zentrum stehen die USA und China, wobei erstere immer stärker um ihre weltweite Hegemonie bangen muss. Dagegen ist China auf dem Weg zu einer globalen Weltmacht. Das ist der Konflikt, in der die liberale Demokratie immer stärker in Bedrängnis gerät, wie es sich im Aufstieg von Trump und Bolsonaro ausdrückt.

Rechte und Linke Gelbwesten

Schon länger gibt es Versuche Teilen der Gelbwestenbewegung eine besondere Nähe zu rechten Gruppierungen zu unterstellen. Macron gefällt sich gern in seiner Rolle als Verkörperung des liberalen Frankreichs, als vernünftiger Gegenkandidat zu Marine Le Pen. Ungeachtet der Tatsache, dass sich unter den Gelbwesten viele befinden, die nur deswegen Macron gewählt haben, um eine Präsidentschaft Le Pens zu verhindern, versucht er diese Position gegen die Gelbwesten zu nutzen

Auch Martin Kaul bläst in dieses Horn und unterstellt den Gelbwesten eine bunte Mischung aus linken und rechten Kräften zu sein, die sich zusammengetan hätten, um den Staat zu zerschlagen. Dabei nimmt er unverhohlen Bezug auf einen „Tag X“.

Sie teilen sich damit eine Leidenschaft, die auch in nationalistischen und revanchistischen Kreisen derzeit wieder Sehnsüchte produziert: Den Bruch mit dem System kenntlich zu machen, den „Tag X“ zu markieren oder herbeizuführen, den – eigene Anmerkung: demokratischen – Staat mit seinen mal so oder mal so verachteten Formen zu zerschlagen.

„Tag X“ ist die Bezeichnung für ein Szenario, bei dem die staatliche Ordnung nicht mehr gewährleistet werden kann und als Gelegenheit genutzt werden soll, um bekannte Politiker*innen aus dem linken Lager zu exekutieren. Vorbereitet wurde dies von einem rechtsradikalen Netzwerk innerhalb der Bundeswehr und Polizei. Sie entspringt damit den Institutionen der bürgerlichen Demokratie, die Martin Kaul mit so großem Eifer verteidigt.

Weiterhin nimmt Martin Kaul in seinem Pamphlet Bezug zu den antisemitischen Anfeindungen gegen Alain Finkielkraut. Dieser wurde, nach aktuellem Kenntnisstand, am Rande einer Demonstration der Gelbwesten von einem Franzosen, der zuvor zum Islam konvertiert war, erkannt und beleidigt. Das passt gut in Finkielkrauts Weltbild, nach dem durch die zunehmende Migration aus muslimischen Ländern die französische Zivilisation gefährdet sei.

Es passt auch gut ins Bild der bürgerlichen Dichtung, dass die Grenze zwischen linken und rechten Positionen fließend wäre. Genauso wie beide Pole eine Zerschlagung der bürgerlichen Ordnung zum Ziel hätten, wären antisemitische Weltbilder sowohl im linken wie im rechten Lager vertreten. Letztlich geht es dabei weniger um Juden*Jüdinnen. Stattdessen geht es um den Staat Israel, den viele Linke als Besatzungsmacht und Apartheidsregime ablehnen. Im Gegensatz dazu gibt es viele Rechte, die – ihrer antisemitischen Haltung zum Trotz, oder gerade deswegen – den Staat Israel befürworten.

Bei der ganzen Debatte geht es jedoch nur vordergründig um Antisemitismus. Dahinter steht die Bemühung des bürgerlichen Establishments die Gelbwestenbewegung zu diskreditieren und rechte wie linke Kräfte für die sich zuspitzende Lage in Frankreich verantwortlich zu machen. Das Finkielkraut selbst dem Front National nahe steht, wird dabei verschwiegen. Er kam auch sicherlich nicht, um sich dem Protest der Gelbwesten anzuschließen.

Eine revolutionäre Antwort

Eine Antwort auf den weltweiten Rechtsruck kann nur eine Bewegung der Arbeiter*innen geben. Eine solche stellt die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich dar. Jedoch ist sie mit anderen Sektoren verbunden. Dazu zählen antirassistische Bündnisse wie das Kollektiv Adama Traoré, aber auch Teile des Kleinbürger*innentums, die sich den Gelbwesten anschließen. Nur eine Hegemonie der Arbeiter*innenklasse kann die demokratischen Forderungen vorantreiben. Zu deren Lösung ist die herrschende Klasse nicht bereit, weder was die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen angeht, noch die rassistische Gesetzgebung oder gar die Klimafrage, die eine vollständige Umstellung der Produktionsweise nötig macht. Die Versprechen der liberal-bürgerlichen Demokratie werden nicht eingelöst!

Wofür wir stattdessen kämpfen müssen, ist eine Rätedemokratie, sowie eine Vergesellschaftung der Produktion unter Kontrolle der Beschäftigten. Sie ist die Grundlage für die freie Entfaltung der menschlichen Spezies. Dies kann nur auf den Trümmern der bürgerlichen Gesellschaft gesehen. Diese muss daher in einem revolutionären Prozess zerschlagen werden. Eine Revolution ist natürlich nicht romantisch, aber sie ist aufgrund der gesellschaftlichen Umstände notwendig.

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