Lufthansa: Massenentlassungen drohen trotz 9 Milliarden Euro Staatshilfen – wie der Staat den Aktionären hilft.

24.05.2020, Lesezeit 10 Min.
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Bis zu 10.000 Beschäftigte könnten entlassen werden, doch Lufthansa bekommt trotzdem 9 Milliarden Euro von der Bundesregierung. Die Aktionäre freuen sich über die Staatshilfen und profitieren auf dem Rücken der Beschäftigten. Lufthansa entschädigungslos verstaatlichen - Niemand darf entlassen werden!

Foto: Milliardär Heinz Hermann Thiele, der größte Aktionär von Lufthansa mit 10 Prozent

Die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Konzernführung von Lufthansa laufen. Laut dem aktuellen Stand soll die größte Fluggesellschaft in Deutschland neun Milliarden Euro Hilfe aus dem „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ bekommen. Weitere drei Milliarden Euro sollen als Darlehen von nationale Investitionsbank KfW kommen.

Im Umkehrschluss bekommt der deutsche Staat 20 Prozent der Aktien und zwei Sitze im Aufsichtsrat. In der Presseerklärung der Lufthansa Group heißt es, dass die „mit den Aktien verbundenen Stimmrechte insgesamt nur in Ausnahmefällen wie dem Schutz vor einer Übernahme“ ausgeübt werden sollen. Somit werden Tür und Tor für Massenentlassungen in den kommenden Monaten geöffnet, da der Staat sich weigert, Einfluss darauf zu nehmen.

Bei der Lufthansa AG arbeiten ca. 140.000 Beschäftigte. Seit April sind weltweit 87.000 Arbeiter*innen (davon 62.000 in Deutschland) in Kurzarbeit. Dadurch ist der Konzern von jeglichen Lohnkosten entlastet und will so die Zahlungen an Aktionär*innen für die kommende Jahre aufrechterhalten. Bisher wurde angekündigt, dass der Konzern seine Belegschaft um 10.000 Stellen kürzen will.

Das Unternehmen war bis 1963 staatlich und wurde bis 1997 im Zuge der neoliberalen Privatisierungswelle in Deutschland im Interesse der privaten Aktionär*innen vollständig in private Hand überführt. Im Zuge dessen wurden etliche Bereiche wie Wartung, Catering etc. ausgegliedert, um den Tariflohn zu umgehen.

Teuerstes Management in Deutschland arbeitet für Aktionär*innen mit Rückendeckung des Staates

Die Chef-Etage von Lufthansa ist für ihre astronomischen Löhne bekannt. Der Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr führt mit der Bundesregierung die Verhandlungen für Staatshilfen. Nach einer Gehaltserhöhung 2016, verdient er das 85-Fache eines durchschnittlichen Mitarbeitergehalts: im Jahr 2017 4,19 Millionen Euro. Bei solch hohen Summen davon zu sprechen, dass man wegen der Corona-Krise auf 20 Prozent des Vorstandsgehalts verzichten würde, ist ein Witz für die Beschäftigten, die wegen Kurzarbeit teilweise mit weniger als 1000 Euro auskommen müssen.

Das Management ist außerdem für seine konsequente Bekämpfung der Streiks der Beschäftigten bekannt. Sowohl 2015, als auch Ende 2019 wurden Streiks der Beschäftigten verboten. Der Grund: die Streiks richteten sich gegen die „unternehmerische Freiheit“ und würden den Rahmen der Tarifverhandlungen überspringen. In der Realität waren die Streiks der Kolleg*innen mit hunderten gestrichenen Flügen so erfolgreich, dass der Staat im Interesse der privaten Aktionär*innen in die Situation eingreifen musste.

Dieselbe unternehmerische Freiheit wird heute als ein Argument gegen Verstaatlichungen und ein Eingreifen des Staates verwendet. Bei ihren Streikverboten nutzen sie aber eben jene Begründung, um einen reaktionären, staatlichen Eingriff zu legitimieren. Hier sehen wir ganz genau, dass der bürgerliche Staat nicht ein neutraler Vermittler zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten ist, sondern eine Interessenvertretung für die Privateigentümer und Aktionär*innen gegen die arbeitende Bevölkerung.

Die Lufthansa mit Staatsgeldern zu finanzieren, ist nicht im Sinne der Arbeiter*innen. SPD, CSU und CDU sind nach anfänglicher Unklarheit inzwischen einig, wie still der Staat als Teilhaber an Lufthansa sein darf. Auf der einen Seite sind sie kleinlaut gegenüber der Bourgeoisie. Und auf der anderen ganz laut und aggressiv gegenüber Arbeiter*innen. Der Wirtschaftsminister gibt selbst zu, dass dieser Geldtransfer nicht dazu gedacht ist, um die Entlassungen zu verhindern. “Wir können Unternehmen nicht daran hindern, Jobs zu streichen. Wir haben aber alle Voraussetzungen geschaffen, dass das nicht notwendig ist.“ Die SPD spricht von den Verstaatlichungen der Betriebe nur dann, wenn es keine praktischen Konsequenzen hat.

Es wurde neulich bekannt, dass der Lufthansa-Konzern in Aktienbeteiligungen und Tochterunternehmen in zahlreichen Steueroasen steckt, unter anderem auf den Cayman Islands. Steueroasen sind Orte, die besonders für Steuerhinterziehung günstig sind. An diesen gibt es sehr lockere Steuerregulierungen, sodass Unternehmen ihre Gewinne an ihre Tocherunternehmen im Ausland einschreiben.

Krise von Lufthansa eine Chance für Multimilliardär Heinz Hermann Thiele?

Die aktuelle Krise des Unternehmens ist nicht erst durch die Corona-Krise entstanden. In den ersten Monaten des Jahres sanken die Aktienwerte des Unternehmens insgesamt um 26 Prozent. Die größten Aktionär*innen des Unternehmens bisher waren die sogenannten Hedge-Funds Partners International ltd. (4,9 Prozent) und Blackrock Inc. (3,1 Prozent), die zu den größten Vermögensverwaltungsfirmen der Welt gehören.

Der Kapitalist Heinz Hermann Thiele ist einer von solchen Aktionären. Er besitzt 16 Milliarden Vermögen und ist damit der sechst reichste Deutsche. Im März hat er 10 Prozent der Lufthansa-Aktien gekauft und wurde somit der größte Aktionär des Konzerns. Auf Telefonanfrage der Berliner Zeitung antwortet sein Investment-Agent: „Wir geben dazu keinerlei Informationen.“ Musste er auch nicht, da das gesamte Land über die Rettung von Lufthansa vom Staat redete.

Da der Aktienwert des Unternehmens in den letzten Monaten so stark gesunken ist, sehen einige Kapitalist*innen darin eine Chance. Die schändliche Krisenstrategie der Aktionär*innen nimmt Fahrt auf: Unternehmen in die Pleite führen, den Wert auf dem Markt niedrig halten, auf die Ankündigung der Staatshilfen warten und dann große Aktienanteile kaufen, um die Steuergelder aufzusaugen.

Kein Cent darf an die Aktionär*innen bezahlt werden!

Für das Jahr 2019 stehen den Aktionär*innen 300 Millionen Euro Dividende zu. Die Konzernführung kündigt für die Verhandlungen mit der Regierung das Vorhaben an, dass man die Dividendenzahlungen für 2019 aussetzen könnte. Das scheint aber mehr eine Farce zu sein als eine ernsthafte Diskussion.

Denn es werden vielleicht die 300 Millionen Euro vom vergangenen Jahr nicht an die Aktionär*innen  bezahlt, was ist aber mit den neuen 9 Milliarden (+3 Milliarden Kredite), die der Konzern vom Staat heute bekommen wird? Selbst eine Aussetzung der Dividende bis Ende der Corona-Krise ist sehr minimal im Vergleich mit den gigantischen Summen der Staatshilfen. Der Staat übernimmt ohnehin schon die gesamten Lohnkosten der Unternehmen durch die Kurzarbeit. Der Konzern kündigt trotzdem 10.000 Entlassungen an.

Es wird deutlich, dass es sich mit der 20 prozentigen Beteiligung des Staates nicht etwa um eine Hilfe für die Beschäftigten gegen die Macht der Aktionär*innen handelt, sondern im Gegenteil eine Aktienspekulation für die Rettung der Profite.

Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle gegen Entlassungen! Gewerkschaften müssen den Kampf aufnehmen.

Wie wsähe die Lage der Beschäftigten aus, wenn Lufthansa unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht und ohne ein Management oder Aktionär*innen produzieren würde?

Rechnen wir kurz zusammen: Da der Betrieb in staatlicher Hand wäre, würden jegliche Kosten durch staatliche Investitionen gedeckt. Die notwendigen Ausgaben könnte man durch die entschädigungslose Enteignung der bestehenden Aktien oder erhebliche Vermögenssteuer auf die reichsten Aktionär*innen in Deutschland finanzieren.

Nur 45 Familien in Deutschland besitzen 214 Milliarden Euro an Vermögen, also ca. so viel wie 40.000.000 Arbeiter*innen. Es wäre mehr als gerecht, dieses Vermögen, das auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung akkumuliert wurde, zu verteilen und in staatlichne Betriebe zu investieren.

2018 hat die Lufthansa AG 380 Millionen Euro an Aktionär*innen und weitere 20 Millionen für das Management bezahlt. Unter der Arbeiter*innenverwaltung ohne ein kapitalistisches Management, würden die Beschäftigten selber in Versammlungen entscheiden, was mit dem Überschuss des Arbeitsertrages passiert.

Wenn man den Gehalt des Managements und Zahlungen an Aktionär*innen (ca. 400 Millionen Euro), an die 140.000 Beschäftigten geben würde, würde jede*r Arbeiter*in 2850 Euro (!) mehr erhalten. Die Beschäftigten könnten nicht nur ihre Löhne erheblich erhöhen, sondern auch ihre Arbeitszeit verkürzen, dafür immer noch mehr Geld erhalten als vorher.

Oder andersgesagt: 2018 hat jede*r Arbeiter*in bei Lufthansa Group durchschnittlich zusätzlich zum eigenen Lohn mindestens 2850 Euro an Wert geschaffen. Davon haben sie keinen Cent bekommen, sondern es wurde von Aktionär*innen geraubt. Und warum? Weil die Lufthansa in privatem Besitz von reichen Aktionär*innen ist, bekommen diese auch das Recht, die Arbeiter*innen auszubeuten und auf ihrem Rücken zu leben.

Heute verdient ein*e Berufseinsteiger*in als Kabinenpersonal monatlich ca. 1583 Euro brutto (1266 Euro netto). Unter Kurzarbeit geht das Gehalt auf bis zu 1108 Euro herunter. Wer in Teilzeit oder als Leiharbeiter arbeitet, bekommt weniger als 1000 Euro.

Der deutsche Aktionär von Lufthansa und Multimilliardär Heinz Hermann Thiele, der neulich 10 Prozent der Aktien gekauft hat, bekäme für das Jahr 2019 eine monatliche Rendite von 2,5 Millionen (jährlich 29 Millionen Euro), wenn die Dividenden aufgezahlt werden würden. Dem Niedriglohn von 1108 Euro stehen 2,5 Millionen Euro fürs Nichtstun gegenüber. Diese Zustände sind nicht ertragbar.

Die entschädigungslose Verstaatlichung von Lufthansa unter Arbeiter*innenkontrolle würde diesem Raub ein Ende setzen, angekündigte Entlassungen verhindern und nicht mehr nach dem Profit, sondern nach dem Bedürfnissen der Bevölkerung produzieren. Eine tatsächliche Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle im Interesse der Beschäftigten und Bevölkerung kann nur durch einen Kampf der Gewerkschaften und Mobilisierungen stattfinden.

Die Forderung nach einem Verstaatlichung und Umstellung der Produktion im Flugbereich ist nicht neu. Auch die Beschäftigten des Airbus-Herstellers in Frankreich stellten die Politik der Konzernführung in Frage und forderten, dass sie Masken für die Krankenhäuser produzieren sollten, statt Flugzeuge, die nicht fliegen können. Ebenfalls kämpfen die Arbeiter*innen des Getriebeherstellers Voith-BHS-Fabrik in Sonthofen gegen die angekündigte Schließung. Auch bei Karstadt ist die Schließung der Hälfte der Filialen angekündigt.

An allen diesen Betrieben müssen Versammlungen der Beschäftigten stattfinden, die über einen Kampfplan gegen die Schließungen, Entlassungen und Aktienspekulationen diskutieren und aufstellen. Die Gewerkschaften sollten diese Entscheidungen mittragen, gemeinsam mit den Belegschaften Streiks organisieren und den Kampf über die Sektoren hinweg ausweiten.

Stimmen der Beschäftigten

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