Streik bei Ford-Werken in Köln: Der erste in der Geschichte?

Die deutsche Automobilindustrie steckt in einer tiefen Krise, jetzt kommt es auch bei Ford in Köln zu Streiks. Wie kam es zu diesem Streik und warum sind die Ford-Werke historisch bedeutsam für die Geschichte der Arbeitskämpfe in Deutschland?
Die Automobilindustrie in Deutschland befindet sich seit einiger Zeit in der Krise, jetzt spitzt sich die Situation weiter zu. Nachdem letzten Herbst die Aufkündigung des Haustarifvertrags bei Volkswagen und die einhergehenden Streiks für Schlagzeilen gesorgt haben, folgen jetzt auch bei den Ford-Werken in Köln Streiks. So traten nach einer Mitgliederabstimmung der IG Metall vor einer Woche nun am 14. Mai an die 10.000 Beschäftigte in einen 24-stündigen Streik. Dieser Streik ist dabei als ein historischer Moment der Ford-Werke in Köln zu bezeichnen, denn er ist der erste Streik in der Geschichte der Kölner Betriebe, zu dem die IG Metall aufgerufen hat. Was ist der Hintergrund dieses Streiks? Und ist es wirklich der erste Arbeitskampf bei den Ford-Werken in Köln?
Autobauer Ford in tiefer Krise
Seit die Ford-Werke vor zwei Jahren auf die Produktion von Elektroautos umgestellt wurden, liegt das Geschäft weit hinter den Erwartungen. Unter anderem mussten durch die schnelle Umstellung der Produktion auf E-Autos einige Produktionsschritte ausgelagert werden, zum Beispiel werden zentrale Bauteile kostspielig bei VW gekauft, was die Profitmarge pro verkauftem Auto stark mindert. Insgesamt sank dabei der Marktanteil an verkauften Fordwägen in Deutschland von 5% im Vorjahr auf 3.5%. Der deutsche Ableger des amerikanischen Megaautobauers ist damit in einer tiefen Krise angekommen.
Und das bekommen die Arbeiter:innen jetzt zu spüren. Von den 11.500 Stellen in Köln sollen bis 2027 2.900 gestrichen werden, was bedeutet, dass jede:r vierte Arbeiter:in vom Arbeitsplatzverlust bedroht ist. Dabei baut der Konzern schon seit 2018 Stellen ab, damals waren es noch 20.000, heute sind es 8.500 weniger. Eigentlich hatte sich das Management dazu verpflichtet, bis 2032 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Die Arbeiter:innen haben durch diese Unsicherheit große Angst vor der Zukunft und votieren deswegen in großer Mehrheit für den Streik. Dabei hilft auch nicht die Finanzspritze von 4.4 Milliarden Euro, die der Mutterkonzern als Transformationsland nach Deutschland schickte, denn zur selben Zeit hieß es aus den USA, dass dies die letzte Finanzhilfe sein werde. Ein IG Metall-Sekretär betont dabei, dass selbst diese hohe Summe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein darstellt, da damit nicht einmal die aktuellen Minuszahlen des Konzerns ausgeglichen werden können.
In den Verhandlungen geht es zum einen um den angedrohten Stellenabbau, dem die IG Metall Verhandlungsführung mit hohen Abfindungen für Kündigungen begegnen möchte. Doch noch viel tiefer geht dabei die Frage, ob es nicht sogar bald zu einer Insolvenz des deutschen Ablegers kommen könnte, was die komplette Belegschaft betreffen würde. Expert:innen der Autoindustrie bewerten die allgemeine Lage von Ford auf dem europäischen Markt als quasi aussichtslos, die Firma sei zu klein, um sich gegen größere Konkurrenten durchzusetzen, und die angebotenen Produkte sowieso sehr schlecht nachgefragt, ohne Sicht auf Besserung.
Der „wilde“ Streik 1973 bei Ford
Doch das ist keineswegs der erste Streik, den es bei den Ford-Werken in Köln gegeben hat. Es ist nur der erste Streik, der von der Gewerkschaft selbst unterstützt wurde. Denn am 24. August 1973 kam es zu einem sechstägigen „wilden“ Streik von überwiegend türkischen Arbeiter:innen, die ohne die Erlaubnis der Gewerkschaft IG Metall in den Ausstand traten und die Fabrik besetzten.
Überwiegend türkische „Gastarbeiter:innen“ arbeiteten damals mit niedrigerem Lohn als die deutschen Kolleg:innen und unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen in den Kölner Werken. Im Urlaub fuhren sie meistens mit dem Auto zu ihren Familien in die Türkei, was damals noch sehr lange dauerte. Die Reise war eine Plage, und oft kamen sie deswegen verspätet zurück zur Arbeit in der Fabrik. Deswegen feuerte der Chef von Ford-Köln am Freitag, den 24. August 1973, 300 türkische Arbeiter:innen, worauf diese aus Protest die Fabrik besetzen und einen sechstägigen „wilden“ Streik begannen, der am Ende durch Polizeigewalt aufgelöst wurde. In einem Spiegel Artikel von 1973 werden die Arbeitsbedingungen in der Fabrik folgendermaßen geschildert:
„So sind die 12 000 Türken bei Ford fast ausschließlich an die strapaziösen Endmontagebänder gesetzt worden, wo deutsche Kollegen nicht arbeiten wollen und wo es mit 8,40 Mark 20 Prozent weniger in der Stunde gibt als an bequemeren Arbeitsplätzen im Werk.“
Der berechtigte Kampf der Arbeiter:innen damals war leider erfolglos, denn er wurde mit heftigen Repression überzogen und es gab keine ausreichende Unterstützung von der IG Metall, die damals wie heute nicht alles dafür tat, um vor allem die migrantischen, also stärker unterdrückten Teile der Arbeiter:innenklasse zu organisieren. Das damalige Management des Konzerns setzte laut den Aussagen eines IG Metall-Anführers „arbeitswillige“ Streikbrecher ein, die Schlägereien mit den Streikenden begannen, um die Kampfkraft der Arbeiter:innen zu schwächen. Wir wollen wieder aus dem Artikel vom Spiegel zitieren, indem der Ausländer-Referent der IG Metall, Yilmaz Karahasan über die damaligen Repressionen berichtet:
„Am letzten Tag des Streiks, am Donnerstagmorgen, da gab es wahrscheinlich von der Geschäftsleitung organisierte Demonstrationen mit getarnten Arbeitswilligen, die dann mit der Schlägerei anfingen.“
Darüber hinaus wurden einige türkische Anführer des Streiks mit Ausweisungen aus Deutschland gedroht, woraufhin einige wohl untergetaucht sind, um sich dieser Repression zu entziehen. Darunter war auch der ikonische Anführer Baha Targyn, ein dreißigjähriger Arbeiter, der durch seine Abbildungen auf Fabrikzäunen mit dem Megafon in der Hand in die Geschichtsbücher der deutschen Arbeiterbewegung eingehen wird.
Streik ist die Devise, wir zahlen nicht für eure Krise!
Damals wie heute gilt: Anstatt massenhafter Entlassungen muss um jeden Arbeitsplatz gekämpft werden, und dafür muss die IG-Metall im Zweifel so lange streiken wie nötig. Nicht die Beschäftigten sollen für die Krise zahlen und ihre Jobs verlieren, sondern die Bosse, die sich auch in der Krise die Taschen vollstopfen, müssen dafür aufkommen. Statt Entlassungen braucht es eine 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich. Der aktuelle Weg der deutschen Autoindustrie mit dem Versuch des Überlebens durch den Verkauf von E-Autos führt ökonomisch und ökologisch in eine Sackgasse. Nur ein geplanter Umbau der Produktion auf kollektive Mobilität wie Busse und Schienen kann das Klima und die Jobs der Beschäftigten sichern.