Hamburger Polizei gesteht Lügen über die G20-Proteste

10.10.2017, Lesezeit 4 Min.
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Während des G20-Gipfels in Hamburg behauptete die Polizei, dass ihre Beamt*innen unter Lebensgefahr standen. Besonders in der Nacht von Freitag zu Samstag habe es in der Schanze einen Hinterhalt von ausländischen Gewalttätern gegeben. Nun räumt die Behörde ein: Diese ganze Geschichte hat sie mehr oder weniger frei erfunden.

Wie Der Spiegel auf der Grundlage einer kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane Schneider berichtet, hat die „Hamburger Innenbehörde eingeräumt, dass sich ihre Darstellung der G20-Krawalle in wesentlichen Punkten nicht beweisen lässt“.

Was für ein abenteuerlicher Satz! Man könnte genauso gut schreiben: Die Darstellung der Hamburger Polizei war eine Lüge.

Die Polizei hat damals selbst über die Zahl ihrer Einsatzkräfte vor Ort gelogen – inzwischen wissen wir, dass erstaunliche 31.000 Beamt*innen in Hamburg waren.

Zur Erinnerung: In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli kam es in der Schanze zu Krawallen. Die Bullen fuhren  den ganzen Nachmittag und bis zum Abend in der Schanze mit riesigen Wasserwerfern auf – doch plötzlich und ohne jeden erkennbaren Grund zogen sie sich aus dem Viertel zurück. In dieser Zeit wurden einige Geschäfte geplündert – wobei die Darstellungen der Plünderungen auch maßlos übertrieben waren, wie Gewerbetreibende berichteten.

Erst viele Stunden später stürmten die Bullen zurück in die Schanze – mit Hubschraubern, Panzern, Sturmgewehren, und Kriegsgerät aller Art. Warum? Angeblich hatten „ausländische Gewalttäter“ auf dem Dach im Schulterblatt 1 einen „Hinterhalt“ vorbereitet, mit Steinen, Gehwegplatten, Eisenstangen und Molotowcocktails. Angeblich waren die Bullen dadurch in „Lebensgefahr“.

Nun, gibt es irgendwelche Beweisstücke für diese Darstellung? Polizei: „nach derzeitigem Kenntnisstand keine“.

Linke-Abgeordnete Schneider sagt: „Die viele Menschen bewegende Frage, warum die Polizei die Anwohner nicht geschützt hat, muss endlich zweifelsfrei aufgeklärt werden.“

Aber die Erklärung ist doch offensichtlich, und war bereits eine Woche nach den Ereignissen auf dieser Seite zu lesen:

Am Donnerstag [den 6. Juli] [hat die Polizei] eine angemeldete und friedliche Demonstrationbrutal auseinander getrieben. Der angebliche Anlass waren „ein paar Halstücher“, also Vermummung von einzelnen Demonstrant*innen. Selbst staatliche Medien berichteten, dass die Gewalt an diesem Abend von der Polizei ausging. Die Legenden über die „gewaltbereiten Demonstrant*innen“ bröckelten.

Am Donnerstag Abend muss es deswegen Krisentreffen im Hamburger Senat sowie im Führungsstab der Polizei gegeben haben. Man brauchte dringend Bilder, um zu belegen, was für gefährliche Leute in Hamburg unterwegs waren. Und so wurde der Einsatz am Freitag akribisch geplant. […]

An einer warmen Freitagnacht im Sommer waren Zehntausende Menschen in der Schanze unterwegs. Warum war die Polizei an jeder Kreuzung mit schwer bewaffneten Beamt*innen und ihren riesigen Wasserwerfern postiert? Stundenlang hat sie Partygänger*innen geschubst und provoziert.

Die Cops mussten nur warten, bis die Dunkelheit anbrach und der Alkoholpegel stieg. Irgendwann flog eine erste Flasche (und wenn nicht, waren unzählige Zivilbullen im Einsatz, die notfalls solche Anlässe nachreichen konnten). Eskalieren, eskalieren, eskalieren. […]

Stundenlang hielt sich [die Polizei] von der Schanze fern. Warum? Dass die Beamt*innen sich in „Lebensgefahr“ befunden hätten, wie die Polizei behauptet, ist jedenfalls höchst widersprüchlich. Viel näherliegender ist: Es gab eine politische Entscheidung, dass mindestens ein paar Läden wirklich verwüstet werden mussten. […]

Die Polizei war nicht überfordert – sie tat genau das, was sie tun wollte.

Das wäre alles fast unterhaltsam – wenn diese Lügen nicht die Grundlage für drakonische Urteile gegen Demonstrant*innen wären.

Nun: Warum zögert Der Spiegel, die Sache beim Namen zu nennen, und von „Lügen“ zu sprechen?

Der Spiegel hat, genauso wie praktisch alle bürgerlichen Medien in Deutschland, die Lügen der Polizei als Fakten weiterverbreitet. Sogar die Linkspartei hat das alberne Märchen von 500 verletzten Cops übernommen.

Deswegen braucht die Arbeiter*innenbewegung und die Linke auch eigene Medien, die die Lügen des bürgerlichen Staates kritisch hinterfragen. Deswegen brauchen wir Klasse Gegen Klasse.

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