Warum wir 2021 noch für queere Befreiung kämpfen

19.06.2021, Lesezeit 15 Min.
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Parteien und Institutionen versprechen einen passiven Weg zur Befreiung. Doch wie kommen wir tatsächlich an unsere Rechte?

Auf den ersten Blick sieht die Situation für Queers in Deutschland historisch gut aus: Nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung wurde die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt, seit Ende 2018 gibt es die Möglichkeit für einen dritten Geschlechtseintrag. Nicht nur in Film und Fernsehen findet sich immer mehr schwule, lesbische, bisexuelle und trans Repräsentation. Auch in Politik und Zivilgesellschaft und bis hinein in die Regierung sind offen queere Personen vertreten. Bei den diesjährigen Wahlen versprechen die großen Parteien ebenfalls mehr queere Repräsentation. Besonders die „Ehe für alle“, also die eigentlich selbstverständliche Zusage, dass Staat und Kirche nicht die Art der persönlichen Beziehungen diktieren, gilt als Vorzeigeprojekt der Grünen – zu Unrecht, denn nicht staats- und kapitalismustreue Parlamentarier:innen hatten sie erkämpft, sondern eine beharrliche internationale Bewegung, die jahrzehntelang der Repression des Staates ausgesetzt war und ist.

Doch dieser große Erfolg ist nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur vollständigen queeren Befreiung: Zunächst einmal ist selbst die Gleichstellung vor dem Gesetz noch längst nicht vollendet. Wir sehen beispielsweise das diskriminierende Sonderarbeitsrecht bei kirchlichen Trägern, die repressive Rechtslage gegenüber trans Personen, den Ausschluss von polyamoren Partnerschaften aus der Ehe für „alle“. Eine Gleichstellung aller überall vor dem Recht wird weiterhin sogar von den linken reformistischen Parteien blockiert und sabotiert. Erst vor kurzem stimmten die SPD und Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) gegen die Selbstbestimmung von trans Menschen im Bundestag. Und auch die Grünen haben in ihrer Regierungszeit unter Schröder (SPD) und Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) keine Gleichstellung umgesetzt – sondern LGBTQIA+-Personen mit den Hartz-Gesetzen und Riester-Rente massenhaft in Armut gestürzt und mit dem Otto-Katalog und dem biometrischen Reisepass umfangreichen Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt. Die tatsächliche Bilanz von Grünrotrot in Regierungen ist also grauenhaft; in den Parlamenten repräsentieren diese Parteien keineswegs die Interessen von LGBTQIA+, sondern manövrieren mal nach links und mal nach rechts, wie es ihnen gerade passt.

Die Verteidigung gegen den Rechtsruck und ein Reformismus, der im Weg steht

Und nicht nur, dass die bürgerlichen Parteien mit der queeren Befreiung kaum vorankommen: Der anhaltende Rechtsruck in Deutschland, aber auch im Rest der Welt, bedroht die kleinen errungenen Fortschritte. Dieser Rechtsruck geht weltweit auch mit zahlreichen queerfeindlichen Regierungen wie in den USA, Brasilien, Polen oder Ungarn einher. Das ist eine ständige Bedrohung für LGBTQIA+ trotz formaler Gleichstellung. Von der Selbstverständlichkeit, nicht auf der Straße verprügelt zu werden, nicht in der Schule oder bei der Arbeit Mobbing zu erleben, ist auch nach der „Ehe für alle“ für viele queere Menschen nichts zu spüren.

Die radikale Rechte, die bestehende Errungenschaften angreift und die LGBTQIA+-Bewegung zurückdrängen will, ist über Geheimdienst- und Polizeistrukturen bestens mit dem Staat vernetzt. Prügel auf der Straße setzen sich fort im organisierten rechten Terror. Es wäre naiv zu glauben, dass ausgerechnet der Staat, der NSU und NSU 2.0 hervorbrachte, unterstützte und deckte, eine dauerhafte Verteidigung gegen Angriffe herstellen könnte oder überhaupt wollte – formale Gleichstellung hin oder her.

Die derzeitige Normalisierung rechter Politik ist aber noch umfassender und geht nicht nur von Rechtsradikalen und Rechtskonservativen in den Unionsparteien, der AfD und in rechten Gruppen außerhalb der Parlamente aus, sondern zieht sich durch die ganze Parteienlandschaft. Das zeigen die jüngsten chauvinistischen Ausdrücke in SPD, der Linkspartei und den Grünen. Innerhalb des „linken“ Reformismus wird der Chauvinismus am prominentesten durch den Wagenknecht-Flügel vertreten, der eine rechte Demagogie gegen „skurrile Minderheiten“ verbreitet. Sie nennt das „linkskonservativ“. Und wer eine solche LINKE hat, braucht tatsächlich keine Konservativen mehr.

Auch ist die allgemeine Stimmung, die die „Ehe für alle“ ermöglichte, nicht unbedingt von Dauer, sondern kann Opfer reaktionärer Kampagnen werden. Aus der im Kampf gegen Rechts oft gehörten Frage „Für so etwas muss ich im Jahr 2021 noch kämpfen?“ spricht eine ganz berechtigte Empörung über nicht eingelöste demokratische Versprechen des Kapitalismus. Die Geschichte der Befreiung und ihrer Kämpfe bewegt sich nicht einfach mit der Zeit immer weiter, sondern musste mit dem Neoliberalismus, der kapitalistischen Restauration und einer ganzen Reihe rechter Bewegungen und Regierungen der letzten Jahre viele Rückschläge einstecken. Umso wichtiger ist es, eine bewusste Strategie und ein Programm für die Befreiung zu entwickeln.

Stellvertreter:innenlogik oder Selbstorganisation?

Das weit verbreitete Vertrauen in die bürgerlichen Institutionen, die schon nach und nach die Situation für die Ausgebeuteten und Unterdrückten verbessern werden, ignoriert diese historischen Tatsachen. Anstatt passiv auf Reformen durch die Institutionen zu warten, ist deshalb die Organisierung einer gesellschaftlichen Kraft notwendig, die nicht nur unsere bestehenden Rechte verteidigen, sondern unsere vollständige Befreiung erkämpfen kann. Durch NGOs zum Beispiel – Nicht-Regierungs-Organisationen, die eine zivilgesellschaftliche Ergänzung zum Parlamentarismus darstellen – werden für Queers nötige Informationen und Hilfsangebote gewährleistet. Doch NGOs sind trotz ihres Namens vom Staat und den bürgerlichen Institutionen abhängig und basieren auf der Logik der stellvertretenden Durchsetzung von Rechten mittels Delegation an diese NGOs. Damit werden fortschrittliche Reformversprechen zu demobilisierenden und passivierenden Werkzeugen. Durch sie können wir keine eigene soziale Macht aufbauen, sondern müssen uns letztlich auf die „linken Regierungen“ verlassen, die stellvertretend Gesetze erlassen sollen (und dabei tatsächlich die ganze Zeit die queere Bewegung verraten).

Für eine tatsächliche Umsetzung der Gleichheit und Freiheit der Sexualität ist eine andere gesellschaftliche und ökonomische Organisation notwendig. Sie zu erkämpfen, kann nicht abgetrennt von den nötigen Tageskämpfen gegen rechts und für formale Gleichstellung sein. Stattdessen ist dafür eine Einheit im Kampf in Organen der Selbstorganisation von Unterdrückten und Arbeiter:innen nötig. Wir brauchen eine revolutionäre queere Bewegung, die nicht auf die Institutionen des bürgerlichen Staates oder auf “linke Regierungen” setzt, sondern auf ihre eigene Kraft als Teil eines Bündnisses unter Anführung der Arbeiter:innenklasse mit Queers in der ersten Reihe.

Warum? Der Kapitalismus hat eine enorme Produktivität freigesetzt, die eine objektive Voraussetzung dafür war, dass immer mehr Menschen aus dem engen Korsett der Kleinfamilie und der Kirche mit ihren Geschlechterrollen und bigotten Sexualmoral ausbrechen konnten. So führte der Kapitalismus dazu, dass die klassischen Familienrollen zunächst aufgebrochen wurden, dass Leute in die Städte zogen und sich dort neue Kulturen bildeten, dass Teile der Hausarbeit automatisiert werden konnten, dass die Kirche eine geringere Rolle in der Erziehung einnahm. Doch der Kapitalismus hat ein Bündnis mit dem Patriarchat geschlossen und kann keine Zugeständnisse machen, die dieses Bündnis grundsätzlich gefährden. Er hat auch längst ein Stadium erreicht, in dem die kapitalistischen Krisen die einmal erkämpften sozialen und demokratischen Rechte ins Wanken bringen.

So konnten auf dem Höhepunkt der Blockkonfrontation des Kapitalismus mit der Sowjetunion, in der Zeit der antiimperialistischen Befreiungsbewegungen, der zugespitzten Arbeitskämpfe und nicht zuletzt der sexuellen Befreiung ab 1968 sowohl die Arbeiter:innenklasse als auch die LGBTQIA+ davon ausgehen, dass der Spielraum im kapitalistischen Staat ausgeweitet wird. Es wurden gewisse Zugeständnisse errungen, wie die Entkriminalisierung der Homosexualität in Deutschland sowie Lohnerhöhungen. Das geschah aufgrund eines enormen Drucks der Arbeiter:innen- und Jugendbewegungen. LGBTQIA+-Gruppen bewegten sich gegen den Kapitalismus.

Seit dem Niedergang der Bewegungen der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten ab Ende der 1970er Jahre, an dem der „Marsch durch die Institutionen“ – also die Passivierung der Bewegungen – einen großen Anteil hatte, gab es kaum mehr Mittel gegen die Kapitalist:innen und ihren Staat, Zugeständnisse zu erzwingen. Der „Marsch durch die Institutionen“ war eben die Behauptung, dass eine Abkürzung möglich sei, ohne die Selbstorganisierung revolutionär weiterzuführen und gegen die Vermittlungsinstanzen des Kapitalismus – in Deutschland damals besonders die SPD und die Gewerkschaftsbürokratie – zu richten und die Arbeiter:innen für ein revolutionäres Projekt zu gewinnen. Diese Abkürzung mündete schließlich in den Grünen, die den Staat reformieren statt bekämpfen wollten. Jetzt haben wir den Salat, dass kapitalistische Regierungsprojekte behaupten, LGBTQIA+ zu repräsentieren und damit den Kapitalismus in Schutz nehmen.

Reformen, die über die Institutionen kamen, blieben allerdings beschränkt: ohne fortschreitende Organisierung und ohne Perspektive auf Befreiung. Genau deshalb ist ein prinzipieller Bruch mit den Parteien der bürgerlichen Regierungen, zu denen Grünrotrot gehört, nötig. Wir müssen an die Fäden der besten Elemente des 1. Mai 1968 und der Stonewall Riots 1969 wieder anknüpfen, welche sich beide gegen diesen Staat richteten, anstatt sich ihm unterzuordnen.

Ein kämpferisches Erbe und der schädliche Marsch durch die Institutionen

Seit 1968/69 ist viel Wasser den Rhein heruntergelaufen und Bürgerliche trauen sich nun, queere Themen „anzufassen“. Insofern auf den Pride-Märschen Wägen der Kapitalist:innen, der Polizei, der Konservativen und sogar der Kirche fahren, sind diese Paraden ungefährlich und man kann sich mit Regenbogenfarben im „Westen“ brüsten. Die kämpferischen Teile der queeren Befreiung sind demgegenüber der notwendige Gegenangriff auf das Bündnis, das Patriarchat und Kapitalismus eingegangen sind, um ihre Gewinne und deren Weitergabe zu schützen sowie die Arbeiter:innenklasse durch Spaltung zu schwächen.

Unbezahlte Care-Arbeit, besonders im Familienbereich, ist etwas, auf das die Kapitalist:innen nicht verzichten möchten. Ebenso wie die Spaltung von Arbeiter:innen durch sexistische und queerfeindliche Ideologien, die die Rechte immer wieder in Stellung bringt. Auch wenn der Kapitalismus behauptet, dass die romantische familiäre Partnerschaft auf Liebe beruhen soll, spielen in Wirklichkeit ökonomische Fragen eine sehr große Rolle darin, wer mit wem wie zusammen ist und bleibt. Besonders für mehrfach unterdrückte Arbeiter:innen, deren Arbeit oftmals prekär und weniger bezahlt ist. Wer die familiäre Ordnung des kapitalistischen Staats nicht einhält, wird als anders markiert, um diese Ordnung zu stärken. So wird im Kapitalismus durch die Ausgrenzung von Queerness die sexuelle Norm erst hergestellt, die der Kapitalismus dringend benötigt. Queerfeindlichkeit ist daher nichts, das irgendwie zufällig gewachsen ist und mit genug Aufklärungsarbeit wieder weggeht, sondern ist funktional für den patriarchalen Kapitalismus und wird darin immer wieder erneuert.

An den Orten der Welt, wo der Kapitalismus Queers duldet, versucht er sie in die kapitalistische Familie und den kapitalistischen Staat zu integrieren. Freiheit der Sexualität und des Geschlechts wird aber es nie in einem System geben, welches das persönliche Zusammenleben auf die Grundlage von ökonomischem Zwang stellt. Die Zwänge der Lohnarbeit sorgen weiter dafür, dass eine freie Entfaltung nur in sehr engem Rahmen möglich ist.

Mit einer revolutionären sozialistischen Perspektive können wir die queere Befreiung als sehr viel mehr sehen als nur als Repräsentation im Rahmen kapitalistischer Institutionen und rechtliche Gleichstellung: Revolutionäre queere Befreiung innerhalb einer sozialistischen Planwirtschaft unter der demokratischen Verwaltung der Arbeiter:innenklasse ist der Horizont, alles zu sein und zu tun, das die eigene Persönlichkeit entfaltet, statt bei der Arbeit und oftmals auch Zuhause Gefangene:r eines Wirtschaftssystems zu sein, das Profite für andere erzeugt. Dazu schreibt Tatiana Cozzarelli:

In diesem Sinne verlieren Geschlechterrollen, und vielleicht sogar Geschlecht selbst, ihre materielle Basis; das soziale Bedürfnis nach Geschlechterrollen würde verschwinden, wodurch die Möglichkeit offen bliebe, mehrere Geschlechter, keine Geschlechter, fließende Geschlechter und eine neue Form der Sexualität, die auf eben dieser Fluidität basiert, zu haben. Die Umstrukturierung produktiver Arbeit würde ebenso eine Rolle in dem Beenden sexueller Entfremdung spielen. Die Technologie schafft die Voraussetzungen dafür, dass wir alle weniger Stunden arbeiten und weiterhin mehr als genug für alle produzieren können.

In einer befreiten Gesellschaft wird sich der Blick auf Geschlecht und Sexualität mehr ausweiten als es ein noch so liberaler Kapitalismus je könnte. Der Weg zur vollständigen Befreiung ist keine Utopie, sondern konkret mit den heute notwendigen strategischen Schritten verbunden. Der Weg aus der sexuellen Unterdrückung kann nicht über kleinere Übel und Märsche durch die Institutionen innerhalb des kapitalistischen Systems stattfinden, das die Unterdrückung (re)produziert. Er muss stattdessen auf eine tatsächliche Konfrontation der staatlichen Organe hinführen. Dazu ist es strategisch notwendig, dass gerade die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse und Queers zusammen in einem revolutionären Projekt gesammelt werden, damit sie LGBTQIA+-Bewegung, aber auch die Arbeiter:innenklasse insgesamt anführen können. Die reformistischen Bürokratien stehen dem im Weg, da sie sie sich mit ihren bürgerlichen Regierungsprojekten auf den Chauvinismus – mit Konservativen in der Union, mit der Gewerkschaftsbürokratie als Türsteherin innerhalb der Arbeiter:innenklasse, mit den Kirchen – als Bündnispartner stützen und objektiv auf den Kapitalismus, der den Chauvinismus hervorbringt.

Ein Übergangsprogramm für vollständige Befreiung

Der notwendige Übergang beginnt in der Organisierung von Queers in politischen Gruppen, die ihre Forderungen gegen die bestehende Wirtschaftsordnung aufstellen und strategische Verbündete in der organisierten Arbeiter:innenklasse suchen. Natürlich sind Arbeiter:innen nicht per Definition queerfreundlich. Sie können Vorurteile haben, die ihnen beigebracht wurden. Doch gehören die allermeisten Queers selbst der Arbeiter:innenklasse an. Und nur die Arbeitenden halten die gesamte Wirtschaft am Laufen, also haben auch nur sie die Macht, sie zum Stehen zu bringen. Das ist die strategische Macht, das kapitalistische System zu Fall zu bringen und mit einer Arbeiter:innenregierung die Gesellschaft komplett neu zu strukturieren. Nötig ist ein gesellschaftlicher Kampf mit Streiks als Alternative zum parlamentarischen kleinen Übel und ein tatsächliches Gegenmittel zum Rechtsruck, durch die Aktivierung der Massen.

Sexuelle, romantische und geschlechtliche Befreiung ist schließlich Befreiung aus der kapitalistischen Regierung. Sie wird erst stattfinden, wenn straighte ebenso wie queere Leute durch sie befreit werden. Ein Weg zu dieser Befreiung muss darum ein gemeinsamer Kampf queerer und straighter Subjekte gegen die Herrschaft des bürgerlichen Staats sein. Unsere Antwort auf die Verschiebung nach rechts ist eine universalistische, keine seperatistische: die Einheit der Arbeiter:innen und Unterdrückten für eine freie Gesellschaft, die gegen die bestehende kapitalistische Totalität erkämpft wird.

Die radikale Senkung der Arbeitszeit ist notwendig, damit die persönliche Entfaltung überhaupt möglich ist. In einer Welt, in der nur fürs Arbeiten gelebt wird, gibt es keine freie Sexualität. Der Aufbau neuer familiärer Strukturen, die keine Zwangsstrukturen sind, benötigt freie Zeit. Arbeitszeitsenkung bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie die Forderung nach fester Beschäftigung mit Tarifvertrag für alle ist notwendig, um die rassistischen und sexistischen sowie LGBTQIA+-feindlichen Spaltungen der Arbeiter:innenklasse in Prekäre und fest Beschäftigte, Hoch- und Niedrigbezahlte, Arbeitende und Arbeitslose zu überwinden. Diese Übergangsforderungen können eine Brücke bilden von den heutigen Bedürfnissen zu einer befreiten Gesellschaft, und eine revolutionäre Einheit der Arbeiter:innen und LGBTQIA+ herstellen.

Die Vergesellschaftung der Care-Arbeit unter Arbeiter:innenkontrolle sowie die Erneuerung des Wohnens und Arbeitens nach den Bedürfnissen der Menschen ohne Profite, mit entschädigungslosen Enteignungen profitierender Konzerne, sind ebenso notwendig für die Arbeiter:innenklasse insgesamt wie für die queere Befreiung. Eine Schranke der trans Rechte ist zum Beispiel ein unterdrückerisches Gesundheitswesen, das auf Profiten beruht. Wer für trans Rechte kämpft, muss daher auch für die Abschaffung eines profitorientierten Gesundheitswesens mit Fallpauschalen kämpfen und sich für die Arbeiter:innenkontrolle über ein staatliches bedürfnisorientiertes Gesundheitssystem einsetzen. Das ist eine einigende, antikapitalistische Perspektive. Ebenso ist es für queere Communities und Lebenskonzepte nicht möglich, sich auf einem kapitalistischen Wohnungsmarkt mit Zwangsräumungen und absurden Mieten zu entwickeln. Die Enteignung der großen Wohnungskonzerne ohne Entschädigung und die Kontrolle von Lohnabhängigen und Mieter:innen über ihre Häuser sind schlicht notwendig im Kampf um eine freie Gesellschaft.

Selbstorganisierte Bewegungen, die Forderungen wie diese nach vorne stellen, die die kapitalistischen Institutionen und ihren Staat nicht akzeptieren, können als erste Linie des Kampfes um Befreiung eine viel weitere Perspektive entwickeln als die Repräsentation durch ein kleineres Übel. Dafür ist es nötig, die Hoffnungen in die Parteien des kleineren Übels aufzugeben und diese Parteien stattdessen zu konfrontieren. Das müssen wir bereits heute tun, da die grünrotroten Parteien nach wie vor nur beschränkte Gleichheit von LGBTQIA+ vor dem Recht schaffen, das kapitalistische Gesundheitswesen verwalten, das kapitalistische Eigentum mit der Polizei beschützen und mit bürokratischen Führungen gegen Selbstorganisation vorgehen.

Queere Befreiung ist viel mehr als ein neues Ehegesetz oder die Sicherheit vor körperlicher Gewalt auf dem Weg nach Hause. Wenn die Pride-Partys gefeiert sind, liegt diese Herausforderung noch vor uns. Wir können sie nicht über das Parlament bewältigen. Freiheit wird nicht durch prokapitalistische Regierungsprojekte erreicht. Sie zu erkämpfen heißt, gegen diesen Staat und seine Parteien aufzustehen.

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