Warum braucht es revolutionären Marxismus heute? – Einführung in den Marxismus 1

22.04.2023, Lesezeit 20 Min.
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Wir leben in Zeiten der Krise: Klima, Kriege und Inflation. Trotz technologischen Fortschritts steigt die soziale Ungleichheit. Das ist kein Zufall, sondern ein Produkt der kapitalistischen Gesellschaft. Um diese Welt verändern zu können, müssen wir sie verstehen. Vortragsreihe der Revolutionären Internationalistischen Organisation.

Wir leben in Zeiten der Krise: Klima, Kriege und Inflation. Trotz technologischen Fortschritts steigt die soziale Ungleichheit. Das ist kein Zufall, sondern ein Produkt der kapitalistischen Gesellschaft.

Um diese Welt verändern zu können, müssen wir sie verstehen.

Aus diesem Grund haben wir die Reihe „Einführung in den Marxismus“ konzipiert. Unser Ziel ist es, uns unter anderem tiefer mit den Ursachen sozialer Ungleichheit und ihren wirtschaftlichen Grundlagen, der Rolle des Staates, dem Konzept des Imperialismus sowie der Bedeutung des historischen Materialismus und der materialistischen Dialektik zu beschäftigen.

In der ersten Folge beschäftigen wir uns damit, warum wir heute den Kapitalismus überwinden müssen und den revolutionären Marxismus als Werkzeug dafür brauchen, und wie eine Strategie aussehen kann, die die sozialistische Revolution zum Sieg führen kann.

Hier kannst du dir die Folge auf Youtube und Spotify ansehen oder anhören, oder das Transkript des Vortrags nachlesen.

Warum braucht es revolutionären Marxismus heute?

Wir leben in Zeiten von Kriegen, der Klimakatastrophe und allgemein der Krisen, gerade junge Menschen bekommen das besonders zu spüren. Viele geben sich jedoch nicht mit Individualisierung, Alternativlosigkeit und der Resignation, zufrieden und das ist auch richtig so. Deshalb wollen wir in den nächsten Sitzungen aufzeigen, dass Marxismus uns ein Werkzeug gibt, die Welt zu verstehen und sie auch zu verändern!

Ihr kennt es sicher aus Diskussionen aus eurem Umfeld oder eigener Recherche. Über Marxismus wird viel behauptet. Viele denken, die Theorien von Marx passen nicht mehr in die heutige Zeit. Doch das Gegenteil ist der Fall. Sie haben an Aktualität nicht verloren, wenn man sich die Phänomene des zeitgenössischen Kapitalismus genauer anschaut. Es gibt unzählige Bücher, die Marxismus und Begriffe wie Sozialismus und Kommunismus verteufeln oder total verwässern. Genau deshalb wollen wir heute und in den nächsten Sitzungen klären: Was ist Marxismus und was bedeutet er für unsere Kämpfe?

Um den Ablauf heute zu klären: Wir wollen anfangs klar machen, warum ein revolutionärer Marxismus heute an Aktualität und Notwendigkeit nichts verloren und welche Schlüsse wir daraus ziehen können. Im Zuge dessen werdet ihr hoffentlich uns, als Klasse gegen Klasse und uns als Revolutionäre Internationalistische Organisation, kurz RIO, kennenlernen.

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Die meisten von uns schauen nicht mit Zuversicht in die Zukunft. Die Preissteigerungen haben die meisten von uns hart getroffen, zusätzlich zu den eh schon zu hohen Mieten. Löhne sind im Schnitt letztes Jahr um 5% gesunken und jede:r dritte Studierende lebt unter der Armutsgrenze. Die Profitraten sinken, die Wirtschaft hat sich nie wirklich von Wirtschaftskrise 2008/9 erholt, wir stecken in einer allgemeinen Produktivitätskrise, die zusätzlich zu dem Schocks durch Covid und dem russischen Angriff auf die Ukraine, die Inflation befeuert haben. Arbeitslosigkeit bleibt ein Problem trotz Fachkräftemangel und horrenden Überstunden, die Leute zusätzlich zur 40-Stunden-Woche schuften. Die Tafeln werden überrannt. Die Liste an Problemen ist lang.

Zusätzlich ist die derzeitige Situation bestimmt durch ansteigende geopolitische Spannungen. Nicht nur Deutschland hat 100 Milliarden mehr ins Militär investiert, sondern weltweit steigen die Militärausgaben auf ein Rekordhoch. Die Konfrontationen zwischen Großmächten sind zurück. Der Angriff auf die Ukraine ist ein erstes blutiges Zeichen dafür, und in Zukunft können wir direkte militärische Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten nicht ausschließen. Jene Militarisierung kriegen wir auch im Inneren zu spüren, z.B. durch Ausbau der Polizeibefugnisse durch neue Gesetze. Insbesondere die Jugend bekommt das mit. Bundeswehrwerbung auf Trams oder in den Klassenzimmern, sorgen dafür, dass mittlerweile ist jede:r 10. neue Rekrut:in bei der Bundeswehr minderjährig.

Als wäre das alles nicht genug, befinden wir uns mitten in der Klimakrise und überschreiten wahrscheinlich schon in den nächsten 10 Jahren das 1,5 Grad Ziel laut IPCC. Lützerath hat eindrucksvoll gezeigt, dass die Regierungen sich nicht gegen die Profitinteressen der Konzerne stellen wollen und können. Im Gegenteil kriminalisieren und unterdrücken sie diejenigen, die dagegen protestieren. Die ungehinderte Ausbeutung der Ressourcen unseres Planeten durch die kapitalistischen Konzerne wird unsere Lebensgrundlage zerstören. Die Klimakatastrophe malt eine noch dunklere Zukunft für uns alle und wird die schon bestehenden Probleme, Flucht, Hunger, Armut oder Kriege nur weiter befeuern.

Das Buch, das wir in den nächsten Sitzungen behandeln wollen, Einführung in den Marxismus von Ernest Mandel, wurde schon im Jahr 1977 veröffentlicht. Die Ungleichheit, die aus den Klassenwidersprüchen in der kapitalistischen Gesellschaft herrührt, die er im ersten Kapitel beschreibt, ist bis heute die gleiche geblieben. Erst diesen Monat zeigte eine neue Oxfam Studie eine erneute massive Zunahme der Ungleichheit. Nach Angaben der Weltbank erleben wir aktuell die größte Zunahme der weltweiten Ungleichheit und Armut seit dem Zweiten Weltkrieg und jede zehnte Person auf der Erde hungert. Die Erzählung einer stetig gerechter werdenden Welt allein durch Reformen ist ganz offensichtlich unzutreffend.

Der Zusammenhang zwischen den Krisen und den Widersprüchen des Kapitalismus tritt bis heute offen zutage. Die revolutionäre Überwindung ebendieser Wirtschaftsweise, die unsere Gesellschaft grundlegend strukturiert, ist dringend notwendig, um Krisen, Kriege und Klimakatastrophe abzuwenden und eine gerechte und lebenswerte Gesellschaft zu erkämpfen. Eine sozialistische Gesellschaft, die den Klassenwiderspruch überwinden kann, die die Wirtschaft demokratisch plant und nach den Bedürfnissen ausgerichtet ist, statt nach Profitinteressen.

Das Werkzeug, mit dem wir unserer Meinung nach den Kapitalismus überwinden und eine sozialistische Gesellschaft aufbauen können, ist der revolutionäre Marxismus.

Marxismus ist als Weltanschauung, als Kritik der politischen Ökonomie und der politischen Theorie, als Theorie und Praxis der Erfahrung der Arbeiter:innenbewegung, und als Kunst der Strategie zu begreifen. Was bedeutet das im Einzelnen?

Zentral für den Marxismus ist der dialektische Materialismus. Also, dass die Methode der Analyse auf dem Verständnis der materiellen Realität, die in ständiger Bewegung ist, beruht. Also anders als bei religiösen, postmodernen oder anderen idealistischen Ansätzen bestimmen nicht Gott, Sprache oder Ideen unsere Existenz, sondern entscheidend dafür ist unsere materielle Realität. So ist auch der Grund, warum uns Konzerne weiter schlecht bezahlen und die Umwelt zerstören, nicht, dass die CEOs und Regierungen nicht mit den richtigen Argumenten überzeugt wurden. Genauso, gilt es auch für Kriege und Aufrüstung immer weiter voranschreiten, obwohl wir doch alle Frieden wollen. Ideen, Appelle und Bitten können schließlich nichts an Profitinteressen und nationalstaatlicher Konkurrenz ändern. Marxismus hilft uns nicht nur heute zu verstehen, dass Ideen nicht einfach vom Himmel fallen, sondern ein Produkt der Weise, wie wir leben, sind und so kann es uns dabei helfen, ein Verständnis unserer Gesellschaft und der menschlichen Entwicklung zu erlangen.

Zum Marxismus gehört natürlich ebenso die kritische Wissenschaft der politischen Ökonomie. Zum Verständnis, wie der Kapitalismus uns konditioniert, braucht es Wissen darüber, wie unsere Wirtschaftsweise funktioniert, wie Waren produziert werden, wie Profite entstehen, woher Krisen kommen usw. Doch die Kritik ist nie nur eine rein ökonomische, hinzu kommt die Kritik der Politik, des Rechts und des bürgerlichen Staates, die auf die ökonomische Basis aufbauen. Staat, Medien, Schulen oder Unis, sind keineswegs neutral, sondern dienen den Interessen der Herrschenden. So durchzieht dessen Kritik nicht nur die politischen, sondern auch die ökonomischen Schriften von Marx und Engels.

So wird die kapitalistische Produktion nicht nur als unmenschlich und barbarisch abgetan, sondern auch verstanden, dass durch den Kapitalismus die Produktion schneller und effizienter wurde, im Vergleich zu vorherigen Gesellschaften. Das eröffnet die Möglichkeit, die Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Jedoch dient die Produktion in einer kapitalistischen Gesellschaft der Schaffung von Profit und nicht dazu, die Bedürfnisse aller zu befriedigen. Die kapitalistische Produktion hat den absurden Gegensatz erzeugt, dass Essen weggeschmissen wird, während Millionen Menschen verhungern, so wie es bei der Weltwirtschaftskrise war, als Essen verbrannt wurde, um die Preisstabilität zu erhalten.

In diesem Sinne bildet Marxismus auch eine Theorie und Praxis der Revolution heraus. So liefert der Marxismus nicht nur eine Analyse der Gründe für revolutionäre Veränderungen – nämlich die tiefen Widersprüche in der ökonomischen Basis der Gesellschaft –,sondern hat auch eine Strategie und ein Programm für die Überwindung des Kapitalismus entwickelt.

Um klarzumachen, was es bedeutet aus der Geschichte zu lernen, lohnt sich ein Blick auf die Kämpfe der Marxist:innen vor und im Ersten Weltkrieg. Während beispielsweise um 1900 führende Sozialdemokrat:innen wie Eduard Bernstein der Meinung waren, dass ein friedliches Hineinwachsen des Kapitalismus in den Sozialismus möglich wäre und man deshalb auf den Kampf für eine Revolution verzichten könne, sahen revolutionäre Marxist:innen wie Rosa Luxemburg, Wladimir Lenin oder Leo Trotzki voraus, dass die wachsenden Konflikte zwischen imperialistischen Mächten zu Kriegen führen mussten, die für Millionen von Opfern und unvorstellbare Zerstörung sorgten. Während die SPD 1914 den Kriegskrediten des Kaiserreichs zustimmte – mit dem Argument des Kampfes gegen das despotische russische Zarenreich –, steht heute die SPD mit an der Spitze der militärischen Eskalation mit Panzern.

Die Revolutionär:innen analysierten den Krieg stattdessen als Ausdruck der gegensätzlichen Interessen verschiedener imperialistischer Staaten und betonten, dass die Jugend und die Arbeiter:innenklasse sich nicht den Interessen ihrer jeweiligen herrschenden Klassen unterwerfen darf und sich gegen den imperialistischen Krieg mobilisieren müsse. Lenin und Trotzki verbrachten dafür lange Jahre im Exil, Luxemburg und Liebknecht saßen immer wieder im Gefängnis. Schließlich standen sie 1917 in Russland und 1918 in Deutschland an der Spitze revolutionärer Aufstände, die schließlich dem Krieg ein Ende bereiteten. In Russland standen die Bolschewiki an der Spitze dieser Revolution, Lenins revolutionäre Arbeiter:innenpartei. Ihr Sieg war die erste sozialistische Revolution in der Geschichte, aus der wir heute noch unzählige Lehren ziehen können. Allen voran die Notwendigkeit des Aufbaus einer revolutionären Partei, die in entscheidenden Momenten des Klassenkampfes die Arbeiter:innenklasse und alle Unterdrückten im Kampf gegen Staat und Kapital anführen kann.

Das Gegenteil konnten wir in der Novemberrevolution 1918 in Deutschland erleben, wo die SPD mit Friedrich Ebert an der Spitze die Revolution verriet und Luxemburg und Liebknecht ermorden ließ, die sich zu spät von der reformistischen SPD getrennt hatten, um eine schlagkräftige revolutionäre Partei aufbauen zu können, die dem Reformismus die Führung entreißen und die Revolution zum Sieg führen könnte.

Deshalb muss Marxismus nicht nur ein Analysewerkzeug sein, sondern auch eine Anleitung zum Handeln begriffen werden. Integraler Bestandteil des Marxismus ist also nicht nur die Kritik der bestehenden Verhältnisse, wie es oft an den Unis gelebt wird. Ohne Handlungsperspektive, ohne Praxis verkommt er.

Das ist auch für diesen Lesekreis hervorzuheben, ihn als Chance zu sehen, sich nicht nur weiterzubilden, sondern Handlungsperspektiven zu entwickeln. D.h. hier die SItzungen sollen ein Ort des ideologischen Kampfes in der Perspektive der revolutionären Organisierung sein, die notwendig ist, wenn wir die Welt – um es mit Marx zu sagen – nicht nur verschieden interpretieren, sondern auch verändern wollen.

Heute stehen wir noch nicht unmittelbar vor einem Dritten Weltkrieg, aber größere Spannungen und die Ausdehnung von Kriegen sind schon jetzt an der Tagesordnung. Mitten im Ersten Weltkrieg stellte Rosa Luxemburg die Alternative “Sozialismus oder Barbarei?” auf. Mehr denn je brauchen wir auf diese Frage eine strategische Antwort.

Widerstand ist überall: Wie führen wir ihn zum Sieg?

Denn es ist eindeutig, dass sich die Menschen die Missstände auf der Welt nicht gefallen lassen. Massenhafte Proteste zu BLM, Generalstreiks in Frankreich, der Aufstand im Iran oder Kämpfe in Peru zeigen den Anstieg der Klassenkämpfe aktuell sehr anschaulich. Die Kämpfe gegen die Inflation, wie auch in der beeindruckenden Streikbewegung in Großbritannien, sind dabei auch direkte Reaktion auf die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukrainekrieges, die sich noch verschärfen werden, wenn der Krieg noch länger dauert oder weiter eskaliert.

Auch hier in Deutschland sind wir erst kürzlich in und für Lützerath auf die Straße gegangen. Jetzt gerade gibt es Streiks bei der Post, in Schulen, Flughäfen und im öffentlichen Dienst. Doch die Kämpfe sind vereinzelt. Gewerkschaftsbürokratien, also die bezahlten Führungen der Gewerkschaften, nicht etwa deren demokratische Vertretung der Mitglieder, lassen sich auf Abschlüsse unter Inflationsniveau ein und die Klimabewegung steckt in einer Strategiekrise. Die Linkspartei, NGOs und Postautonome, wie bei Ende Gelände, haben keine Antwort auf die Frage: Wie kommen wir aus der Defensive? Wie erkämpfen wir Lebenswerte Löhne und Sozialleistungen die sich automatisch an die Inflation anpassen? Wie können wir den Krieg beenden, der auf allen Seiten nur zu größeren Leiden führt? Wie setzen wir die Enteignung von RWE & Co unter der demokratischen Kontrolle von Arbeitenden und Verbrauchenden durch, um die Energiewende zu erzwingen?

Hiermit spreche ich nur einige Kämpfe an, die derzeit geführt werden. Der Marxismus kann als wissenschaftliches Werkzeug dienen, die gegenwärtige Krisen zu verstehen und die Kämpfe gegen diese zu gewinnen, nicht nur für einzelne Reformen, sondern aus der Defensive in eine offensive Perspektive der sozialistischen Revolution zu überführen.

Zentrale Stellung der marxistischen Theorie sind die Arbeiter:innen, also alle jene, die lohnabhängig sind. Viele, vor allem junge Menschen denken, dass sie nicht Teil der Klasse sind. Doch sind es gerade wir, die in Schule, Ausbildung oder Uni auf eben jene Ausbeutung vorbereitet werden. Denn die meisten von uns werden Büroangestellte, Erzieher:innen, Metallarbeiter:innen, Lehrer:innen, Bahnfahrer:innenn oder Programmierer:innen, wie ich. [Auch die meisten die hier sitzen besitzen keine Produktionsmittel(Maschinen, Fabriken etc.) und müssen oder werden für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen.]

Wir, die jenigen die jeden Tag arbeiten müssen um zu überleben, sind diejenigen, die die Welt am Laufen halten und sie auch komplett umkrempeln können. Insbesondere in der Logistik oder Produktion können sie die komplette Wirtschaft lahmlegen, aber auch Arbeiter:innen im Sozialwesen, in reproduktiven Sektoren können eine enorme Strahlkraft entwickeln. Wenn sie sich zusammenschließen und für ihre objektiven Interessen eintreten, können sie nur die Welt gewinnen. 1917 in Russland waren es die Textilarbeiterinnen von Petrograd, die den Aufstand gegen den Krieg und gegen den Zaren lostraten und so die ganze Welt ins Wanken brachten.

Es war jedoch nicht einfach ein spontaner Aufstand. Jahrzehntelange Erfahrung im Klassenkampf und die Organisierung der fortgeschrittensten Teile der Arbeiter:innenklasse in der bolschewistischen Partei gaben den Ausschlag für den Sieg der Revolution.

Heute haben wir so eine Kraft (noch) nicht, und Jahrzehnte des Neoliberalismus nach der Zerschlagung der durch den Stalinismus bürokratisch degenerierten Arbeiter:innenstaaten haben in vielen Ländern der Welt zu einer beispiellosen Zersplitterung der Arbeiter:innenklasse geführt. Die Gewerkschaftsführungen und NGOs trugen ihr selbiges dazu bei, dass die Spaltungen zwischen Arbeiter:innen “erster” und “zweiter” Klasse weiterbestehen, oder dass Kämpfe gegen sexistische und rassistische Unterdrückung getrennt von Arbeitskämpfen stattfinden.

Hier zeigt sich ein strategischer Pfeiler, auf den der Marxismus beruht, den wir in den nächsten Sitzungen tiefer diskutieren werden. Die Gesellschaft ist geprägt vom Gegensatz von Kapital und Arbeit.Trotzdem hält sich das Gerücht hartnäckig, dass Arbeitende nur Männer im Blaumann sind oder gar nicht mehr existieren. Die Mehrheit der Weltbevölkerung ist Teil der lohnabhängigen Klasse. Dazu kommt das Arbeitende immer migrantisch und immer weiblicher und offen queerer als je zu vor sind. Umso wichtiger ist es, dass wir den Kampf von Unterdrückung mit der von Ausbeutung verbinden. Schließlich sind es nicht nebeneinanderstehende Mechanismen, sondern Teil des kapitalistischen Systems und die Unterdrückung findet auch hier ihre materielle Basis. Deshalb können die Arbeitenden, die eben eine so strategische Position besitzen, die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderungen zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen.

Dafür brauchen wir eine materielle Kraft, die diese Kämpfe zusammenführen und ihnen eine Strategie geben kann, um den Kapitalismus zu stürzen. Der Aufbau einer solchen Kraft – einer revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse und der Jugend – kann nicht nur hier geführt werden.

Weil der Kapitalismus einen Weltmarkt und imperialistische Konkurrenz geschaffen hat, muss er auch international überwunden werden. Die gescheiterte Erfahrung des Stalinismus und seiner Theorie des “Sozialismus in einem Land” hat gezeigt, dass der Sozialismus langfristig nur im Weltmaßstab aufgebaut werden kann – und das heißt, dass auch unsere Strategie und die revolutionäre Partei, die wir dafür aufbauen wollen, international sein muss.

Wir von der RIO als revolutionäre Marxist:innen sind deshalb international in der Trotzkistischen Fraktion für die Vierte Internationale organisiert. Wir sind in 15 Ländern vertreten und waren in Frankreich mit bei den Streiks der Eisenbahner:innen 2019 gegen die Rentenreform dabei, ebenso wie wir heute die Mobilisierungen und Streiks gegen die neue Rentenreform mit vorantreiben. In Argentinien organisieren wir Tausende Arbeiter:innen und Jugendliche in der Partei Sozialistischer Arbeiter:innen (PTS) und nutzen das Parlament als Bühne für unser Programm und unsere Strategie mit der Front der Linken und der Arbeiter:innen, die bei Wahlen über eine Million stimmen bekommt, um Klassenkämpfe gegen Sparmaßnahmen und für Abtreibungsrechte voranzutreiben. In der vorrevolutionären Situation in Peru, mit Massenaufständen und Polizeirepression mit schon über 60 Toten werben unsere Genoss:innen dort für eine revolutionäre Antwort der Arbeiter:innen auf die Putschregierung. Im Dienste dieser Perspektive steht auch unser internationales Zeitungsnetzwerk Izquierda Diario, was in Deutschland Klasse gegen Klasse ist. Wir wollen revolutionären Journalismus machen und eine scharfe Kritik am kapitalistischen System und am Imperialismus üben und damit Arbeitenden, Unterdrückten und der Jugend eine Stimme zu geben.

Für den Aufbau einer revolutionären Jugend

Unserer Meinung nach müssen wir heute beginnen, Kräfte für den Aufbau einer revolutionären Partei zu sammeln, und nicht länger der Linkspartei hinterherlaufen. Dafür haben wir im Januar eine Konferenz organisiert, zu der 150 Personen kamen, und diskutiert, wie ein Revolutionärer Bruch mit der Linkspartei aussehen kann. Die Konferenz war das Ergebnis eines langen Fraktionskampfes innerhalb der Linksjugend Solid für ein revolutionäres Programm. Schließlich hat die Linke weder Programm noch Strategie zu bieten die eine sozialistische Geselschaft erkämpfen kann. Sie hat keine konsequente Opposition zum Krieg organisiert. Trotz steigender Preise hat sie nicht zur Hauptaufgabe gemacht massenhaft, die Leute zu mobilisieren und auch dem Kampf um die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne mit Deutsche Wohnen & Co in Berlin wurde für den Wahlkampf genutzt und versucht den Kampf so in die Parlament umzuleiten, wo der gewonnene Volksentscheid nun verraten wir. Deshalb brauchen wir unsere eigene Kraft. Eine Kraft die sich dort aufbaut, wo wir jeden Tag sind: den Unis, den Schulen und den Arbeitsplätzen. Wir möchten mit allen, die Interesse haben, den Aufbau einer neuen Gruppierung marxistischer, kämpferischer Studierender und Jugendlicher beginnen.

Wir wollen eine revolutionäre Jugend aufbauen, die sich als sozialistisch, antiimperialistisch, antimilitaristisch, feministisch und antirassistisch versteht und an der Seite der Arbeiter:innenklasse für eine sozialistische Lösung der Klimakatastrophe und der sozialen Krise kämpft. Eine Jugend, die sich konsequent der NATO und der Bundeswehr entgegenstellt, ohne sich Leuten wie Putin unterzuordnen. Eine Jugend, die sich unabhängig vom Staat, dem Kapital, der Linkspartei und den Bürokratien von Gewerkschaften und NGOs organisiert und der Resignation des geringeren Übels den Enthusiasmus des Kampfes für eine Gesellschaft frei von Ausbeutung und Unterdrückung entgegensetzt. Lasst uns die nächsten Sitzung in diesem Sinne nutzen darüber zu diskutieren, wie wir das erreichen können!

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