Bist du Kommunist? Dann lass uns über die IMT reden

15.02.2024, Lesezeit 15 Min.
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Fahnen vom Funken beim 1. Mai in München, 2022, Foto: Simon Zinnstein / Klasse Gegen Klasse

Die Internationale Marxistische Tendenz, angeführt von Alan Woods, vermarktet sich neuerdings als „die Kommunisten". Ist das ein Schritt nach links? Irgendwie schon. Aber Jahrzehnte opportunistischer Politik verschwinden nicht über Nacht.

Diesen Monat begann die Internationale Marxistische Tendenz (IMT), angeführt von Alan Woods, angekündigt, einige ihrer größten Sektionen umzubenennen. Sie plant, eine Revolutionäre Kommunistische Partei in Großbritannien zu gründen, dasselbe in der Schweiz und in Kanada. Sie verkündete gleichfalls, sich selbst in die Revolutionäre Kommunistische Internationale umzubenennen. Im letzten Jahr verteilten Mitglieder der IMT denselben Aufkleber in verschiedenen Ländern: „Bist du Kommunist? Dann organisier dich!“ Ein QR-Code ermöglicht gleich, der IMT beizutreten und anzufangen, ihr Geld zu schicken.

Die IMT gibt es in ihrer bisherigen Form seit 30 Jahren und nur selten zeigte sie sich mit Hammer und Sichel – bis jetzt. Schauen wir uns die Geschichte der IMT an, um ihren neuen Kurs zu verstehen.

Die Spaltung des CWI

Die IMT wurde 1992 als Abspaltung vom Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI) gegründet – ihren Namen nahm sie jedoch erst ein Jahrzehnt später an. Das CWI war eine trotzkistische Gruppe, die 1974 von Ted Grant gegründet worden war und in deren Zentrum die Militant-Strömung in der britischen Labour Party stand.

Grant war ein Anführer der Vierten Internationale, der von Leo Trotzki gegründeten revolutionären Organisation, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg dem Zentrismus anheimfiel. Nach 1945 war die trotzkistische Bewegung isoliert und desorientiert und einige ihrer Anführer:innen dachten, es wäre das Beste, in den sozialdemokratischen Parteien zu überwintern. Damit verwandelten sie die kurzfristige Taktik des Entrismus in eine langfristige Strategie. Obwohl er diesem „Entrismus sui generis“ – auch „Langzeitentrismus“ – anfangs skeptisch gegenüberstand, wurde Grant bald einer seiner stärksten Anhänger.

Als um 1968 eine Welle der Radikalisierung der Jugend begann, sagten sich die meisten Splittergruppen der trotzkistischen Bewegung von der Sozialdemokratie los und gründeten neue, unabhängige revolutionäre Organisationen. Grant hingegen verschärfte seine Ausrichtung auf die Labour Party: Er erklärte es zum „historischen Gesetz“, dass sich die Massen in Zeiten des Aufruhrs immer zuerst zu ihren „traditionellen Massenorganisationen“ hinwenden würden. Das zwinge Marxist:innen dazu, den reformistischen Parteien beizutreten.

Die jahrzehntelange Arbeit in der Labour Party war natürlich unvereinbar mit der Verteidigung eines offen bolschewistischen Programms. Unter Grants Führung vertrat der Militant ein zentristisches Programm, das einen Mittelweg zwischen reformistischen und revolutionären Positionen verfolgen wollte. Nur die Forderungen, die die „durchschnittlichen“ Arbeiter:innen nicht „abschrecken“ würden, sollten aufgestellt werden. Militant behauptete zum Beispiel, dass sich der Sozialismus friedlich einführen ließe, wenn die Labour Party eine Mehrheit im Parlament erringen und ein kühnes sozialistisches Programm durchsetzen würde. Sie behaupteten auch, Polizist:innen seien „Arbeiter:innen in Uniform“ und sollten in Gewerkschaften organisiert werden. Als Margaret Thatchers Regierung einen imperialistischen Krieg gegen Argentinien vom Zaun brach, lehnte Grant jede Art von antiimperialistischem Widerstand ab, weil dieser „die Marxist:innen in den Augen der Arbeiter:innen diskreditieren würde.“

Mitte der 1980er Jahre erreichte Militant einen gewissen Einfluss, wenngleich Behauptungen, sie habe über 8000 Mitglieder gehabt, übertrieben sein dürften. Schlussendlich entschied die Bürokratie der Labour Party, die Trotzkist:innen, die Labours Jugendorganisation anführten, loszuwerden. Militant konnte dagegen keinen Widerstand leisten, weil sie auf eine dauerhafte Orientierung auf die Labour Party festgelegt waren. Stattdessen versuchten Grants Anhänger:innen, sich noch tiefer einzugraben. Das führte zu Demoralisierung und einem Schwinden der Mitgliederzahlen. Anfang der 1990er entschied die Mehrheit des ausgedehnten Apparates der Organisation unter Peter Taaffe – mit mehr als 250 Vollzeitbeschäftigten – mit der Labour Party zu brechen, um von Militant zu retten, was zu retten war. Mit diesem „Scottish Turn“ beschloss die Mehrheit des CWI, nach Jahrzehnten die Sozialdemokratie zu verlassen.

Die Minderheit, angeführt von Grant und Woods, die diesen Bruch ablehnte, sollte später die IMT werden. Grant erklärte, die Labour Party zu verlassen, hieße, Jahrzehnte geduldiger Arbeit in der Partei wegzuwerfen. Die einzige Existenzberechtigung der IMT war also die Absicht, noch länger in der Labour Party, der SPD und anderen reformistischen Arbeiter:innenparteien auszuharren.

Das CWI und später die IMT betrieben ihren Langzeitentrismus nicht nur in bürgerlichen Arbeiter:innenparteien, sondern auch in rein bürgerlichen Parteien wie der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) und später MORENA in Mexiko oder der Pakistanischen Volkspartei (PPP) des ultrakorrupten Bhutto-Klans. Nur ein einziges Mitglied der IMT wurde jemals in ein nationales Parlament gewählt – und das war ein Kandidat der PPP, der der IMT selbst zufolge genauso korrupt war wie seine Partei.

Auf der Suche nach Subjekten

Nach der Abspaltung vom CWI bestand die IMT über Jahrzehnte als „die marxistische Stimme der Sozialdemokratie“. Sie sahen sich jedoch mit den gleichen Schwierigkeiten wie Taffees Unterstützer:innen konfrontiert: Die Labour Party, die SPD und ähnliche Parteien setzten eine brutale neoliberale Politik durch und zogen immer weniger sozialistisch gesinnte Arbeiter:innen und Jugendliche an. Die IMT musste also nach neuen Milieus Ausschau halten, während sie formal an ihren entristischen Prinzipien festhielt.

Sie fand ein Thema, das linksgerichtete Jugendliche in den frühen und mittleren 2000er Jahren begeisterte: die „Rosa Welle“ der Regierungen in Lateinamerika. Woods wurde ein Cheerleader des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Nachdem der Putsch 2002 durch Massenmobilisierungen gestoppt worden war, änderte Chávez seine Rhetorik und erklärte den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ zu seinem Ziel.

Wie wir an anderer Stelle ausführlich darlegten, stellte Chávez‘ Regierung das dar, was wir Marxist:innen Bonapartismus sui generis nennen würden. In der Hoffnung auf größere Unabhängigkeit vom Imperialismus sieht sich ein Teil der Bourgeoisie eines halbkolonialen Landes gezwungen, die Massen mit fortschrittlichen Forderungen hinter sich zu bringen. So charakterisierte Trotzki zum Beispiel die Regierung von Lázaro Cárdenas im Mexiko der 1930er Jahre. Woods lehnte es ab, marxistische Kategorien auf Venezuela anzuwenden – er erklärte Chávez zum Führer einer sozialistischen Revolution, obwohl dieser Oberhaupt eines bürgerlichen Staates war und das Privateigentum an den Produktionsmitteln stets verteidigte. Chávez hörte nie auf, die venezolanischen Staatsschulden an den Imperialismus abzubezahlen. Woods wendete Grants theoretische Rechtfertigung des Opportunismus an und schrieb, dass eine klare marxistische Analyse der venezolanischen Regierung „sektiererisch“ sei und „uns sofort von den Massen abschneiden würde“.

Woods Strategie beruhte auf der Vorstellung, dass die bolivarische Regierung mit genügendem Druck der Massen dazu gebracht werden könne, mit dem Kapitalismus zu brechen. Das ist eine klassisch zentristische Strategie, die schon in den frühen 1950er Jahren von Michel Pablo formuliert wurde, um seine politische Unterstützung der algerischen Regierung von Ben Bela zu rechtfertigen.

Es ist wichtig, festzustellen, dass die IMT völlig kommentarlos mit der Tradition von Ted Grant brach. In den 1960er Jahren kritisierte Grant Pablo und andere trotzkistische Anführer:innen für ihre Anpassung an den deformierten Arbeiter:innenstaat Kuba unter Fidel Castro und Che Guevara. Grant beharrte darauf, dass in Kuba eine proletarische Revolution notwendig sei, die eine von den Stalinist:innen unabhängige Führung herstellen würde. Aber nun argumentierte Woods auf einmal dafür, dass der Sozialismus in Venezuela unter der Führung von Chávez, dem Oberhaupt eines bürgerlichen Staates, erreicht werden könnte. Darin klang der alte, antimarixistische Glaube von Militant an, dass ein friedlicher Übergang in den Sozialismus möglich sei.

Und das ist nicht bloß ein Bruch mit Grants Erbe – es ist vor allem ein Bruch mit allem, was Trotzki während seines mexikanischen Exils über Lateinamerika schrieb. Während Trotzki den Arbeiter:innen riet, die „Volksfront-Parteien“ abzulehnen, warb die IMT unter den Arbeiter:innen dafür, Chávez‘ Partei, der PSUV, beizutreten und sich so mit einem fortschrittlichen Flügel der Bourgeoisie zu verbünden.

Als das links-bonapartistische Projekt von Hugo Chávez unter dessen Nachfolger Nicolás Maduro, der zunehmend autoritäre und neoliberale Maßnahmen ergriff, zerfiel, brach die IMT schließlich mit der PSUV. Das war jedoch kein Bruch mit der bürgerlich-nationalistischen Ideologie des Chavismus. Die IMT bildete ein Bündnis mit einer stalinistischen Partei, um eine Rückkehr zum Chavismus von Chávez zu fordern. Die Schwesterorganisation von RIO/Klasse Gegen Klasse in Venezuela, die Arbeiter:innenliga für den Sozialismus (LTS), kämpfte dagegen für die politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse.

Dieser Opportunismus beschränkte sich nicht auf Venezuela. Woods erklärte auch seine Unterstützung der bürgerlichen Regierung von Evo Morales in Bolivien. Und über Jahrzehnte unterstützte die IMT in Mexiko Andrés Manuel López Obrador (AMLO), der zuerst Bürgermeister der mexikanischen Hauptstadt war und nun Präsident des Landes ist. In den USA argumentiert die IMT richtigerweise, dass Sozialist:innen niemals Bernie Sanders unterstützen könnten, weil er ein bürgerlicher Politiker ist. Südlich des Río Grande ist der IMT das Prinzip der Klassenunabhängigkeit aber anscheinend fremd. Durch die Beschönigung des Chavismus und anderer bürgerlicher Regierungen macht es die IMT schwerer, jungen Menschen zu erklären, was der Kommunismus ist und was er nicht ist.

Kriechen nach Links

Während der 2010er kroch die IMT langsam nach links und brach mit ihrer entristischen Strategie, während sie theoretisch orthodox grantistisch blieb. Im Vereinigten Königreich verließ sie die Jugendorganisation Young Labour und baute eine eigene marxistische Studierendenorganisation auf. Als die Socialist Workers Party 2013 in eine Krise geriet und ihre Hegemonie als größte linksradikale Gruppe an den britischen Universitäten verlor, füllte die IMT dieses Vakuum teilweise.

Neue Schichten der Jugend, die während oder nach der kapitalistischen Krise von 2008 politisiert wurden, sind viel eher bereit, sich mit dem Kommunismus zu identifizieren. Eine Radikalisierung, die auch durch Social Media vereinfacht wurde, trieb viele Jugendliche zu Positionen viel weiter links als die traditionellen Positionen der IMT. Die IMT verteidigte beispielsweise immer Polizeigewerkschaften und behauptet, dass diese die Polizei der Arbeiter:innenbewegung annähern und „die Fähigkeit des kapitalistischen Staates, die Arbeiter:innenklasse zu unterdrücken, untergraben“ würden. Doch die Millionen, die während der „Black Lives Matter“-Bewegung 2020 auf die Straßen gingen, verstehen, dass Polizeigewerkschaften völlig reaktionäre Institutionen sind, die aus der Gewerkschaftsbewegung ausgeschlossen werden müssen.

Um sich diesem neuen Bewusstsein anzupassen, ohne die eigenen früheren Positionen deutlich zu revidieren, nahm die IMT nun zu hoffnungslos konfusen Formulierungen über die Polizei Zuflucht. Sie sagt nun, sie verfolgt „den Ansatz, jene Aktionen der Polizeigewerkschaften abzulehnen, die auf Kosten der breiteren Arbeiter:innenklasse gehen, aber solche Aktionen zu unterstützen, die den Arbeiter:innen nützen und Polizist:innen der Gewerkschaftsbewegung annähern“. Es handelt sich um eine typische zentristische Schummelei, denn dieser Satz kann sowohl eine vollständige Unterstützung von Polizeigewerkschaften als auch ihre vollständige Ablehnung meinen. Als Klasse Gegen Klasse und Trotzkistische Fraktion für die Vierte Internationale (FT-CI) brauchten wir unsere Positionen 2020 nicht zu revidieren, weil immer schon klar machten, dass Polizist:innen keine Arbeiter:innen sind. Die IMT erklärt im Gegensatz dazu, dass Polizeigewerkschaften in den USA unveränderlich reaktionär seien, in Kanada und dem Rest der Welt aber potenziell fortschrittlich seien.

Immer größere Widersprüche traten auch hinsichtlich Palästinas an die Oberfläche. Wie wir an anderer Stelle ausgeführt hatten, verteidigte die IMT über Jahrzehnte eine „sozialistische Zwei-Staaten-Lösung“ und erklärte, ein „sozialistisches Israel“ sollte neben einem „sozialistischen Palästina“ existieren. Unserer Auffassung nach stellt die Position der IMT ein Zugeständnis an den Chauvinismus dar. Eine wachsende Zahl junger Menschen unterstützt die marxistische Vorstellung eines einzigen, demokratischen, sozialistischen Palästinas als Teil einer Sozialistischen Föderation des Nahen Ostens. Daher änderte die IMT stillschweigend ihre Position und ihre abscheulichsten anti-palästinensischen Inhalte aus der Mitte der 2000er Jahre aus dem Netz genommen.

In verschiedenen Fragen bewegt sich die IMT nach links und nähert sich korrekten trotzkistischen Positionen an. Zumindest ist sie jetzt leiser, was ihre Unterstützung für Polizeigewerkschaften oder ein „sozialistisches Israel“ angeht. Nirgendwo erkennt sie diesen Meinungswandel jedoch an oder erklärt ihn gar.

Ein Mangel an Theorie

Das bringt uns zum „revolutionären kommunistischen“ Rebranding. Innerhalb von nur ein paar Wochen wird die IMT mit rund 70 Jahren Arbeit innerhalb von reformistischen Parteien brechen. Als Taaffe die Mehrheit des CWI vor 30 Jahren aus den sozialdemokratischen Parteien herausführte, bemühte er sich um theoretische Konsistenz. Taaffe vertrat weiterhin Grants „historisches Gesetzt“, dass Marxist:innen in den „traditionellen Massenorganisationen“ der Arbeiter:innenklasse sein müssten. Er brachte nun aber vor, dass Labour und andere reformistische Parteien aufgehört hätten, bürgerliche Arbeiter:innenparteien zu sein, und es sich nun schlicht um bürgerliche Parteien handle. Diese Theorie zog nicht in Betracht, dass sich diese reformistischen Parteien weiterhin auf die Gewerkschaftsbürokratie und damit indirekt auf die Arbeiter:innenklasse stützten. (Diese Tatsache verpflichtete Marxist:innen unserer Meinung nach jedoch nie, sich an solche Parteien anzupassen und Jahrzehnte in ihnen zu arbeiten.) Wenigstens war es der Versuch, eine Theorie für eine große strategische Wende zu liefern.

Nun vollziehen Woods und die IMT dieselbe Wende, die Taaffe und das CWI vor drei Jahrzehnten machten – und doch brachte Woods, der sich selbst für eine Art Theoretiker hält, kein Wort der Rechtfertigung dafür vor, von einigen Allgemeinplätzen über Kommunismus abgesehen. Wenn es in den 1990ern und noch vor 15 Jahren ein sektiererisches Abenteuer war, die Labour Party zu verlassen und eine konkurrierende Partei zu gründen, warum ist das dann in den 2020ern die richtige Politik? Ist die Labour Party unter Starmer so anders, als sie es unter Blair war?

Es ist zu begrüßen, dass die IMT sich das Ziel setzt, revolutionäre, kommunistische Parteien aufzubauen. Doch kann dies nicht dadurch geschehen, dass Propagandagruppen ohne bekannte Anführer:innen von Arbeiter:innenkämpfen Erklärungen herausgeben. Und auch wenn Woods sich „revolutionärer Kommunist“ nennt, scheint er seine Unterstützung für die bürgerliche Regierung Mexikos nicht aufgegeben zu haben.

Ohne irgendeine Form ernsthafter programmatischer Grundlage kann die Linkswende der IMT nicht anhalten – mit dem nächsten Trend wird sie sich zurück nach rechts wenden. Einem wilden Zick folgt unweigerlich ein ebenso wildes Zack. Die Genoss:innen der IMT brechen mit ihrer lange vertretenen Strategie der Anpassung an den Reformismus, doch es ist ein organisatorischer und weniger ein politischer Bruch. Dies wird deutlich, wenn man sich die Bilanz des CWI nach dem Verlassen der Labour Party ansieht: Obwohl es nicht mehr Teil einer reformistischen Partei war, glaubte es weiterhin daran, dass eine Art reformistische Partei auf dem Weg zu einer revolutionären Formation notwendig sei. Dies führte das CWI zur Unterstützung „neuer“ reformistischer Parteien in verschiedenen Teilen der Welt. 

Echte Klassenunabhängigkeit

In vielerlei Hinsicht wirft die IMT viele der Positionen, die Grants Tradition ausmachten, kurzerhand über Bord. In gewisser Weise erweist sich Woods jedoch als Grants treuester Schüler: Beide waren Meister der Selbstverherrlichung. Die IMT behauptet oft, Militant sei die größte trotzkistische Organisation der Welt nach 1945 gewesen. Das ist offenkundig falsch. Selbst auf ihrem Höhepunkt konnte Militant nicht mit der LCR in Frankreich oder der MAS in Argentinien mithalten, ganz zu schweigen von den Trotzkist:innen in Vietnam oder Bolivien.

Woods verkündet, dass die IMT „die einzige Organisation ist, die eine Verantwortung für die Wiederherstellung des Kommunismus hat“. Andere Organisationen sind, einfach weil sie nicht die IMT sind, alle „Sekten“. Es hat den Anschein, dass die IMT-Führer:innen, während sie sich anderen trotzkistischen Tendenzen politisch etwas annähern, ihre Verbitterung verstärken. Woods sagt, dass alle Vorschläge für eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Sozialist:innen „direkt in den Papierkorb“ wandern sollten.

Schauen wir uns als Gegenbeispiel die größten trotzkistischen Organisationen in der heutigen Welt an. Die Trotzkist:innen in Argentinien bilden die Front der Linken – Einheit (FIT-U), deren größter Bestandteil die Partei der Sozialistischen Arbeiter:innen (PTS) ist, eine Schwesterorganisation von RIO/Klasse Gegen Klasse. Die FIT-U hat fünf Sitze im argentinischen Kongress (vier davon gehören PTS-Mitgliedern) und hat über 700.000 Stimmen erhalten. Die trotzkistische Linke kann in Buenos Aires etwa 25.000 Menschen mobilisieren und damit Fußballstadien füllen. Noch wichtiger ist, dass trotzkistische Arbeiter:innen in Hunderten von Betrieben vertreten sind und viele wichtige Kämpfe führten.

Mit einer kleinen Handvoll Mitglieder in Argentinien hat die IMT vage Kritik an der FIT geübt und dem Bündnis einen „parlamentarische bias“ vorgeworfen. Doch die Genoss:innen der PTS sind stolz darauf, die parlamentarische Tribüne für revolutionäre Agitation zu nutzen. Wie wir sahen, hatte die IMT nie die Gelegenheit, in der Praxis zu zeigen, wie ihre Vertreter:innen in einem bürgerlichen Parlament handeln würden.

Noch vor einem Jahrzehnt forderte Woods die Marxist:innen in Argentinien auf, sich der fortschrittlichen bürgerlichen Koalition von Néstor und Cristina Kirchner anzuschließen. Dies steht in völliger Übereinstimmung mit seiner Unterstützung für Chávez, Morales, AMLO und andere Regierungen der Rosa Welle. Glücklicherweise lehnten die meisten Trotzkist:innen in Argentinien Woods‘ Weisheit ab und gründeten stattdessen ein Bündnis, das auf Klassenunabhängigkeit basiert. Sie zeigten, dass sie auf der Grundlage eines klassenkämpferischen Programms zusammenarbeiten können, während sie ihre Differenzen offen diskutieren.

Es ist bedauerlich, dass Woods bereit war, eine Front mit Chávez, Morales oder etlichen anderen bürgerlichen Regierungen zu bilden, während er jede Zusammenarbeit zwischen Sozialist;innen ablehnte. Wir sind der Meinung, dass es insbesondere im Zusammenhang mit Israels völkermörderischem Angriff auf Gaza für Sozialist:innen unerlässlich ist, so eng wie möglich zusammenzuarbeiten und dabei keinen Hehl aus ihren Differenzen zu machen. Sollte Woods diese Idee auch ablehnen, sind wir doch davon überzeugt, dass die Mitglieder der IMT bereit sind, sie in Betracht zu ziehen.

Die PTS und die FIT-U in Argentinien stellen derzeit das größte und erfolgreichste trotzkistische Projekt der Welt dar. Aber es wäre absurd, sie als die einzigen Revolutionär:innen zu bezeichnen. Stattdessen können die Erfahrungen der FIT-U als Grundlage für den Aufbau echter Parteien und den Wiederaufbau der Vierten Internationale dienen. Dies kann nur durch Kampf und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Tendenzen der revolutionären sozialistischen Bewegung geschehen.

Dieser Artikel erschien erstmals am 12. Februar bei Left Voice.

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