Von Streikenden umzingelt: VSG-Kolleg*innen überreichen Müller einen Offenen Brief

30.04.2018, Lesezeit 4 Min.
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Beim traditionellen "Arbeitnehmerempfang" des Berliner Bürgermeisters Michael Müller (SPD) konfrontieren ihn die Streikenden der Vivantes Service GmbH mit einem Offenen Brief. Darin fordern sie ihn auf, sich endlich tatsächlich dafür einzusetzen, dass sie - wie ihre Kolleg*innen - nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt werden.

Bürgermeister Michael Müller ist in ein hitziges Gespräch verwickelt – umringt von Streikenden der VSG (Vivantes Service GmbH). Fast wirkt es, als bräuchte er dringend Verstärkung, als er sich nach Dilek Kolat umdreht und die Gesundheitssenatorin mit ins Gespräch holt.

Die Szene spielt sich am Vorabend des Ersten Mai beim traditionellen „Arbeitnehmerempfang“ des Bürgermeisters im Roten Rathaus ab. Für diese Gelegenheit haben die Beschäftigten der VSG einen Offenen Brief verfasst, der Müller noch einmal schwarz auf weiß darlegen soll, worum es bei ihrem Streik geht und warum sie den Senat in der Verantwortung sehen. Dort heißt es unter anderem:

Wir sind es leid, hingehalten zu werden – von den Arbeitgebern genauso wie von der Politik, die uns angeblich unterstützt!

Wir kämpfen gemeinsam weiter – TVöD für ALLE ist weiterhin unser Ziel!

Der Brief wurde auf der Streikversammlung am 26. April beschlossen und am nächsten Tag von allen Streikenden persönlich unterschrieben.

Die Kolleg*innen der VSG haben allen Grund, richtig sauer zu sein. Schließlich hat die Rot-Rot-Grüne Regierung mit Müller an der Spitze bereits 2016 versprochen, sich um die Angleichung ihrer Löhne an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zu kümmern. Doch stattdessen mussten sie immer wieder Druck machen, um überhaupt Bewegung in die Verhandlungen mit der VSG-Geschäftsführung zu bringen. Aktuell sind sie seit 20 Tagen im Streik, morgen werden es drei Wochen sein.

Trotzdem bleiben sie an diesem Abend ruhig und gefasst. Als Müller in seiner Rede die VSG erwähnt, geben sich die Kolleg*innen zwar lautstark zu erkennen – aber es geht ihnen vor allem um das persönliche Gespräch im Anschluss. Sie wünschen sich die klare Zusage, dass Bürgermeister und Senat nicht mehr die Verantwortung für die Probleme bei der Vivantes-Tochter von sich weisen.

Kaum hat Michael Müller seine Rede beendet und steigt vom Podium, da fangen ihn die Kolleg*innen auch schon ab. Der übergroße Brief, den sie ihm in die Hand drücken, ist nicht zu übersehen. Im Gespräch gibt Müller sich wie erwartet interessiert und verständnisvoll. Er wolle sich gegenüber seinem Parteigenossen und Finanzsenator Kollatz-Ahnen für die notwendige Erhöhung des Vivantes-Budgets einsetzen. Gesundheitssenatorin Dilek Kolat möchte sich ihrerseits bei der VSG-Geschäftsführung dafür stark machen, dass es ein besseres Angebot gibt.

Noch konkreter wird es nicht. Aber das war von diesem Anlass wahrscheinlich auch nicht zu erwarten. Ihr Ziel, nicht länger ignoriert zu werden, haben die Kolleg*innen auf jeden Fall erreicht. Bisher hatte sich Dilek Kolat beispielsweise kaum zum Arbeitskampf geäußert – dabei sitzt sie selbst im Aufsichtsrat von Vivantes. Ob den warmen Worten auch Taten folgen, bleibt allerdings abzuwarten.

Oder wie es Andreas Hörath aus der VSG-Tarifkommission formuliert:

Von dem Gequatsche können wir uns noch nichts kaufen. Jetzt müssen wir darauf achten, dass die Versprechen schnell umgesetzt werden. Dafür müssen wir an Müller und Kolat dranbleiben und den Druck im Streik aufrechterhalten.

Dass sie ihren Streik fortführen, steht bereits fest – mindestens bis zum Ende der Woche und wenn nötig auch länger. An den Verhandlungstisch zurückkehren wollen sie erst, wenn die Geschäftsführung ein substantiell besseres Angebot vorlegt.

Morgen nehmen die Streikenden an der Mai-Demonstration des DGB teil. Mittwoch und Donnerstag verlegen sie ihr Streiklokal erst nach Friedrichshain und dann ans Urban Krankenhaus in Kreuzberg. Am Freitag streiken sie dann gemeinsam mit den Studentischen Hilfskräften beim Aktionstag gegen Tarifflucht und Prekarisierung

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