GEW-Streikversammlung ohne Demokratie und Strategie

17.05.2025, Lesezeit 6 Min.
1
Bild: Inés Heider

Der Streik der GEW Berlin für kleinere Klassen geht weiter. Wie kann der Kampf gewonnen werden?

Der Berliner Senat, insbesondere die Senatorin für Bildung, Katharina Günter-Wünsch (CDU), und einige Medien sind wütend. Laut ihnen sei es unverantwortlich, dass die Berliner Lehrer:innen in Prüfungszeiten streiken. Es ist aber nicht der Streik, der die Bildungsgerechtigkeit gefährdet, sondern der Normalzustand an Schulen, die unterbesetzt und mit Kürzungen konfrontiert sind. So betonte der GEW-Vorsitzende Gökhan Akgün in seiner Rede richtigerweise: „Die Verantwortung für diese Eskalation tragen nicht die Beschäftigten, sondern der Regierende Bürgermeister”. Er betonte auch, dass der Streik eine Antwort auf die derzeitigen Kürzungen dar „die solidarische Stadt sind” und die weitere Verdrängung marginalisierter Menschen befördern. Angesichts dessen ist der Streik absolut notwendig und erfährt auch durchaus viel Solidarität von Eltern und Schüler:innen, sowie von politischen Initiativen wie „Schule muss anders“. 

Doch nach mehreren Jahren ohne erfolgreichen Abschluss, mit Verbeamtungswelle und geringerer Streikbeteiligung fragen sich viele Kolleg:innen natürlich, wie es weitergehen kann. Die GEW-Führung will das Vorhaben mit falschen Kompromissen wie einer Dienstvereinbarung nach dem Vorbild Brandenburgs (die dort im Handumdrehen nicht mehr eingehalten wurde) am liebsten in die Schublade stecken, aus der man es überraschenderweise überhaupt noch einmal herausgeholt hat. Das bezeugt auch der Vorschlag, das Vorhaben an die Bundesebene zu übertragen, trotz dessen, dass Annett Lindner aus dem Arbeitsbereich Tarif- und Beamtenpolitik des Geschäftsführenden Vorstands der Bundes-GEW, bei der 6. Konferenz für gewerkschaftliche Erneuerung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Anfang Mai sagte, dass Entlastung im Bund nicht diskutiert wird und ihrer Meinung nach, wenn dann in Berlin erkämpft wird. Trotz dieser Umstände waren viele der Streikaktivitäten weiterhin gut besucht, wie sich an der kämpferischen Demonstration am Donnerstag zeigte. 

Für Beschäftigte im Bildungsbereich, wie Erzieher:innen, Lehrkräfte, Sozialarbeiter:innen und viele mehr, ist dieser Streik weiterhin ein Hoffnungsschimmer. Während immer mehr Kolleg:innen ausbrennen oder keine Perspektive mehr sehen, wie sie gute und gerechte Bildung ermöglichen können, liegt im Streik ein konkretes Potential, die Verhältnisse zu ihren Gunsten zu drehen. Statt Kürzungen, Kriegsertüchtigung, “Stärkung der Wirtschaft” durch mehr Arbeit und dem Anstieg von rassistischen und sexistischen Positionen infolge des Rechtsruck, die allesamt die Arbeitsbedingungen in der Bildung, sowie das Leben der Kolleg:innen und das von ihren Schüler:innen und ihren Familien bedrohen, könnte mit einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz (TV G) ein Leuchtturm der Veränderung geschaffen werden. Es braucht jetzt Masseninvestitionen in Bildung, die können wir gegen Merz, Wegner und Co. aber nur hart erkämpfen! 

Deshalb muss weiter gestreikt werden. Eine Versammlung wäre hier eine konkrete Möglichkeit, die Kräfte des Streiks zu stärken und eine gemeinsame Perspektive und Ideen zu entwickeln. Doch die GEW-Spitze hatte hier anscheinend andere Pläne und Interessen als viele der anwesenden Kolleg:innen. So wurde durch Akgün gleich am Anfang verkündet, dass es keine Möglichkeit geben wird, über die Streikplanung abzustimmen, da die Satzung dies vorgibt. Weiterführend wurde argumentiert, dass die bei der Versammlung Anwesenden nicht für 30.000 Mitglieder entscheiden können. Eine Argumentation, die absurder kaum sein könnte. Warum sollten die Streikenden nicht selbst über ihren Streik entscheiden? Nie kommen in einer “Mitmachgewerkschaft”, wie sich die GEW nennt, so viele Mitglieder zusammen wie in einer Streikversammlung. Sie ist das potentiell repräsentativste und demokratischste Gremium, das es gibt. Es ist völlig klar, dass das Mandat über den Streik zu entscheiden bei den Beschäftigten und bei niemandem sonst liegen muss. 

Selbst die Artikulation von Meinungen scheint an diesem Tag nicht gewünscht worden zu sein. Statt einer offenen Diskussion bestand die ganze Versammlung aus einer Rede des Vorsitzenden, sowie daraus, dass zwölf ausgewählte Kolleg:innen über die Stimmung in ihren Bezirken berichtet haben. Strategische Diskussion oder Einordnung politischer Entwicklungen waren unerwünscht. Erst wenige Minuten vor Schluss gab es die Möglichkeit für Kolleg:innen, sich im Saal zu Wort zu melden. Das führte zu großem Unmut, sodass es im Laufe der Versammlung immer wieder laute Zwischenrufe gab und Kolleg:innen das Recht zu reden forderten.

Tatsächlich gab es aber auch einige kritische Stimmen auf der Bühne, die hin und wieder, statt nur auf die Fragen zur Stimmung einzugehen, auch inhaltliche Beiträge gemacht haben. So hat etwa ein Kollege aus Lichtenberg sich positiv auf den Kampagnenplan, den die junge GEW vor zwei Jahren vorgeschlagen hat, bezogen und die Ausweitung des Streiks gefordert. Ebenfalls hat er kritisiert, dass die Beschlüsse der letzten Streikversammlung im Mauerpark nicht umgesetzt worden sind. Trotz solcher kämpferischen Appelle sind viele Kolleg:innen weiterhin ratlos und resigniert, wollen aber zum großen Teil weiter kämpfen. 

Positiv hervorzuheben an diesem Tag ist, dass trotz der Trennung in zwei Streikversammlungen einige Lehrkräfte noch auf die Versammlung der Erzieher:innen gingen, um von ihren Problemen zu erfahren und ihnen Mut zuzusprechen. Ebenfalls organisierte die GEW eine Solidelegation von ihrem Streik zum Streik der Kolleg:innen bei der CFM, was eine klasse Unterstützung für diesen wichtigen Streik darstellt. Daraufhin revanchierten sich auch die Kolleg:innen der CFM und sprachen auf der Streikdemonstration am Donnerstag den GEW Kolleg:innen ihre Solidarität zu.

Die Perspektive, die es jetzt braucht, ist die Etablierung von echter Streikdemokratie. Kämpferische Kolleg:innen müssen sich zusammenschließen und diese einfordern. Es braucht weitere Streiktage mit offenen Versammlungen, wo ein Kampfplan entwickelt wird, der es dem Senat schwer macht, den Streik zu ignorieren. Hierfür gibt es unter den Streikenden bereits Ansätze, wie Eskalationsstufen, konzentrierte Mobilisierungspunkte, sowie gemeinsame Demonstrationen mit politischen Initiativen zur Einbindung von Eltern, Schüler:innen und solidarischen Unterstützer:innen. Des Weiteren existiert die Idee, den TVG gemeinsam mit Ver.di komplett neu aufzuziehen und auf die Kitas auszuweiten. Es existieren also mehr Möglichkeiten, wie man den Streik führen kann als ein „Weiter so“. In den nächsten Monaten müssen diese diskutiert und umgesetzt werden, damit die Beschäftigten im Bildungsbereich endlich bekommen, was ihnen zusteht! 

Mehr zum Thema