#Trotsky2020: „Die Aufgabe der revolutionären Partei ist, die ‚richtigen Ideen‘ mit der Arbeitermassenbewegung zusammenzuschweißen“

18.09.2020, Lesezeit 4 Min.
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Anlässlich des 80. Jahrestags der Ermordung Leo Trotzkis spricht Daniela Cobet im Rahmen des Films #Trotsky2020 über die Lehren aus der Niederlage der französischen Arbeiter*innenklasse in den 1930er Jahren und ihre Bedeutung für heute.

Dieser Beitrag ist Teil des Films #Trotsky2020, der hier in gesamter Länge angeschaut werden kann.

Von der stalinistischen Bürokratie ins Exil getrieben, fand Trotzki während eines Teils der ersten Hälfte der 1930er Jahre Zuflucht in Frankreich. Der Kontext war der der Weltwirtschaftskrise und all der politischen Phänomene, die sie auslöste: Massenarbeitslosigkeit, Radikalisierung wichtiger Teile der Arbeiter*innenbewegung, Verzweiflung in den Rängen der Kleinbourgeoisie, der Aufstieg faschistischer Gruppen….

In einer solchen Situation war der trotzkistische Kern, der zwar aus sehr wertvollen Kämpfer*innen bestand, dennoch viel zu schwach, um eine entscheidende Rolle in der Situation spielen zu können. Verfolgt von den Stalinist*innen, die damals gleichzeitig mit der Sozialdemokratie die beiden größten Arbeiter*innenorganisationen bildeten, hatten sich die Trotzkist*innen relativ isoliert von den arbeitenden Massen gesammelt, und die sich beschleunigenden Ereignisse ließen ihnen keine Zeit, ihren Rückstand aufzuholen, ohne zu kühnen Taktiken zu greifen.

„Für einen Revolutionär genügt es nicht, ‚richtige Ideen‘ zu haben. Die Aufgabe der revolutionären Partei ist, die ‚richtigen Ideen‘ mit der Arbeitermassenbewegung zusammenzuschweißen. Nur dann wird die Idee eine treibende Kraft.“Mit diesem Satz eröffnete Trotzki einen der emblematischsten Texte der damaligen Zeit.

Einen Weg zu den werktätigen Massen zu finden, sich mit ihnen so zu verschmelzen, dass revolutionäre Organisationen entstehen, die die Ereignisse beeinflussen könen und nicht „am Rand bleiben“, um seinen Ausdruck zu gebrauchen, war für Trotzki in diesen Jahren eine Obsession. Er war entgegen aller spontaneistischen Vorstellungen überzeugt, dass Revolutionär*innen sowohl beim Übergang von einer zunehmend vorrevolutionären Situation zur Revolution als auch beim Sieg der Revolution selbst eine entscheidende Rolle zu spielen hatten.

In dieser Zeit schlug er daher den revolutionären Kämpfer*innen in Frankreich eine ganze Reihe von Taktiken vor, die sowohl kühn als auch vielfältig waren, um die strategische Notwendigkeit einer revolutionären Partei so gut wie möglich verkörpern. Von der Politik der Einheitsfront zwischen den großen Organisationen der Arbeiter*innenbewegung, um Seite an Seite gegen den faschistischen Aufstieg zu kämpfen und zu verhindern, dass die Katastrophe, die sich gerade in Deutschland ereignet hatte, erneut geschieht, bis zum Eintritt von Trotzkist*innen in die französische Sektion der Sozialdemokratie, um mit ihren radikalisierten kämpferischen Arbeiter*innen zusammenzukommen und zu vermeiden, an den Rand gedrängt zu werden, sobald die Einheitsfront Wirklichkeit wurde.

Die Situation heute ist sicherlich ganz anders als in den 1930er Jahren. Zum Beispiel gibt es heute keine Massenorganisation in der Größenordnung der damaligen. Dennoch bleibt angesichts der Umwälzungen, die die gegenwärtige Krise unweigerlich mit sich bringen wird, Trotzkis Besessenheit, den revolutionären Marxismus mit der Massenbewegung der Arbeiter*innenbewegung zu verschmelzen und sich nicht mit einer Randposition abzufinden, hochaktuell.

Das gilt umso mehr, weil in einem Land wie Frankreich die Arbeiter*innen- und Massenbewegung nicht auf die aktuelle Krise gewartet hat, um die ersten Anzeichen einer Neuzusammensetzung zu zeigen. Das haben wir sowohl bei der Gelbwesten-Bewegung als auch bei dem großen Streik gegen die Rentenreform im vergangenen Dezember gesehen.

Dennoch hat die radikale Linke trotzkistischer Herkunft in einem Land, in dem sie historisch ein sehr großes Gewicht hatte und bei einigen Wahlen sogar mehr als 10% der Stimmen erhielt, keine entscheidende Rolle gespielt und nimmt heute einen relativ marginalen Platz ein. Was die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) betrifft, so droht ihr die Auflösung, die trotz aller Mängel, die diese Partei haben mag, heute nur der reformistischen Linken von Jean-Luc Mélenchon zugute käme.

Gegen die Auflösung der NPA zu kämpfen, um sie zu einem Werkzeug für die Neuzusammensetzung einer radikalen Linken zu machen, die Trotzkis taktische Kühnheit wiederbelebt, und in Frankreich eine mächtige revolutionäre Partei aufzubauen, die sich aus Kämpfer*innen unterschiedlicher Traditionen, aber auch aus den besten Elementen der Avantgarde der Arbeiter*innen, die in den letzten Kämpfen hervorgetreten sind, zusammensetzt, und zwar rund um ein revolutionäres Programm und eine revolutionäre Strategie; das ist die größte Ehrung, die dem großen russischen Revolutionär 80 Jahre nach seiner Ermordung zuteil werden kann.

Schaue hier den Beitrag von Daniela Cobet im Video:

 

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