Online-Semester: Schwerwiegender Fehler im System

06.11.2020, Lesezeit 8 Min.
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Zoom-Absturz, Jobverlust, kein Geld auf dem Konto und das ewige Pendeln zwischen Langeweile, Panik und Depression. So oder so ähnlich verlief das letzte Semester für tausende Studierende in ganz Deutschland. Jetzt steht das nächste Online-Semester vor der Tür. Wer hat bei diesen Aussichten schon Lust auf “Meeting beitreten” zu klicken?

Über 21.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden meldete das RKI am heutigen Freitagmorgen. Seit Montag sind mit dem Lockdown “light” massive neue Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie in Kraft getreten. Wobei “light” hier bedeutet, dass die Regelungen das Privatleben, Freizeiteinrichtungen und die Kulturbranche treffen, während die Wirtschaft mit aller Kraft am Laufen gehalten werden soll, auch wenn das bedeutet weitere Infektionen bei der arbeitenden Bevölkerung in Kauf zu nehmen.

Für Studierende heißt das: außer Arbeit findet alles online statt. Das Wintersemester, das an den Universitäten am Montag begann (an Hochschulen teilweise bereits Anfang Oktober), bereitet vielen mit Recht Sorge. Auch wenn man meinen könnte, dass die Universitäten und Hochschulen aus dem teilweise katastrophalen letzten Semester gelernt hätten, stehen Studis vor den gleichen Problemen, wie noch vor 6 Monaten.

Für viele Studis brauchte es wahrscheinlich nur ein paar Minuten in den neuen Kursen, um schon panische Flashbacks an das letzte Semester auszulösen: Das Einwählen in Kurse klappt nicht, Zoom funktioniert nicht, oder keine:r hört irgendwen vernünftig, die Online-Lernplattformen brechen zusammen und Dozierende können, wenn ihnen die Diskussionen nicht gefallen, die Sitzungen einfach beenden. Die Medienkompetenz vieler Dozierender offenbarte sich schon im letzten Semester. Gut, man könnte argumentieren, dass die Situation unerwartet kam, und niemand auf die komplette Umstellung der Lehre auf onlinebasierte Plattformen vorbereitet war. In der Realität geht es an den meisten Stellen trotzdem nahtlos mit der traurigen Vorstellung der letzten Monate weiter: Vorlesungen werden einfach staubtrocken aufgenommen und hochgeladen, die Räume zur oftmals eigentlich sehr notwendigen Diskussion unter Studis existieren praktisch nicht und ein unkommentierter Text nach dem anderen ploppt im Seminarforum auf. Was letztes Semester schon keinen Spaß gemacht hat, wird den Winter über wohl noch weniger Freude bereiten.

„Obwohl die Studierenden eines Kurses kollektiv den Bedarf nach mehr synchronen Sitzungen äußern, um sich gegenseitig zu sehen, Austausch  und ein wenig mehr „Normalität“ in diesen eh schon belastenden Zeiten zu haben, ändert sich nicht. Um trotzdem eine regelmäßige Beteiligung an diesen Hausaufgaben zu erhalten, wird mit Emails und drohendem Ton Druck gemacht. Wir werden in manchen Seminaren nicht mehr behandelt wie Erwachsene, sondern wie Kinder, die durch Angst zu ihren Hausaufgaben motiviert werden sollen.” – Lea, Soziale Arbeit

Die Voraussetzung dafür, dass sich Studis das Online-Studium antun können, ist aber überhaupt ein oder mehrere Geräte zu besitzen, über die sie am Online-Semester teilnehmen können. Einen Laptop oder Computer, Webcam, Micro, stabiles Internet, etc. Die Hürden sind hoch. Bereits im letzten Semester hat das Kosten für tausende Studis bedeutet, und etlichen der neuen Erstis wird es genauso gehen. Hilfe von den Unis, oder gar vom Staat? Fehlanzeige.

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Um seinen Laptop nach dem dritten Absturz von Zoom überhaupt wütend gegen die Wand schleudern zu können, ist aber auch eine Wohnung, in der das möglich ist, notwendig. In Städten wie Berlin, München oder Hamburg ist die Wohnungssituation extrem angespannt. Studierende wohnen oft auf engem Raum, in überteuerten WG-Zimmern, oder runtergekommenen Studierendenwohnheimen. Während Deutsche Wohnen, Vonovia und co. sich mit der Spekulation von Leerstand eine goldene Nase verdienen, bleibt vielen Studis (aber auch Azubis und anderen prekär Beschäftigten) nur die Wahl in eine Wohnung am Rand der Stadt zu ziehen, sich zu verschulden, oder sich sogar seinen Wunsch-Studiengang aus dem Kopf zu schlagen, weil es einfach nicht bezahlbar ist zum Studieren in eine andere Stadt zu ziehen.

Aber selbst die schönste Wohnung kann in Zeiten von Online-Uni und Corona-Krise zur Falle werden. Nervige Mitbewohnis, die eigenen Geschwister, oder einfach die Isolation von seinen Freund:innen sind noch die angenehmsten Gründe. Seit Beginn der Pandemie steigen auch die Zahlen von patriarchaler Gewalt an Es gibt viele Gründe, die dazu führen können, dass die eigenen vier Wände alles andere als ein Ort sind, an dem man sich “entspannt” sein Vorlesung anschauen, oder den nächsten Seminartext lesen kann. Zeitgleich fallen durch die Schließung von Bibliotheken und Cafés Orte weg, die wichtig sind für Hausarbeiten, Gruppenarbeiten, oder einfach das alltägliche Lernen. Der (erneute) Lockdown nimmt Studierenden die Zufluchtsorte, die eigentlich so bitter nötig sind, um eine gesunde Studienzeit zu ermöglichen. Der dadurch verursachte psychische und auch physische Druck wird durch die Universitäten meist komplett ignoriert und durch einen erhöhten Arbeitsaufwand in den Online-Semestern sogar noch verstärkt. Mittlerweile ist der Punkt erreicht, an dem bis zu 50 Prozent aller Jugendlichen womöglich an Angststörungen oder Depressionen leiden, was sich natürlich wiederum maßgeblich auf die eigenen Studienleistungen auswirkt. Der steigende Leistungsdruck, der mit Maßnahmen zur Neoliberalisierung der Bildung, wie der Bologna-Reform immer weiter anzieht, verstärkt diese Tendenzen.

„Ich habe dieses Wintersemester angefangen zu studieren, alles online. Ich hatte mich voll darauf gefreut an der Uni mehr Leute kennenzulernen und mit ihnen zu diskutieren! Ich hatte gehofft, dass die Bedingungen dafür besser sein würden als in der Schule oder bei der Arbeit (FSJ). Leider bleibt uns diese Möglichkeit durch online-Studium komplett verwehrt. Es ist super schwierig, über WhatsApp Chats mit Fremden darüber zu sprechen, wie die Uni besser gestaltet werden kann… Vielleicht könnte man sich ja gegenseitig helfen, aber so ist das gerade echt schwer! Ich bin mir sicher, dass ich nicht die einzige bin, die solche Probleme hat…” – Ayrin, Soziologie

Aber für viele ist die Lernatmosphäre das geringste Problem: Der Lockdown trifft Branchen, in denen standardmäßig Studierende arbeiten, um ihr Leben zu finanzieren. Viele Studis arbeiten in der Gastronomie, die mit enormen Einnahmeverlusten kämpfen muss. Aufgrund der hohen Einnahmeausfälle, die Restaurants, Bars und Clubs während der Coronapandemie zu verzeichnen haben, werden die die (befristet oder ohne Arbeitsvertrag beschäftigten) Studis oftmals  als erstes entlassen. Auch Kino- und Theaterkassen, oder große Messen fallen als Jobmöglichkeiten weg.

Circa ⅔ aller Studis haben seit Beginn von Corona ihre Jobs verloren. Für eine Million Studis, die sich im Frühjahr in finanzieller Not befanden, gab es von Bildungsministerin Karliczek 100 Millionen Euro „Nothilfe” – also umgerechnet 100€ pro Person. Diese absurd geringe Menge an Hilfsgeldern war zudem hinter riesigen bürokratischen Hürden versteckt, um auch ja nicht die Gefahr einzugehen tatsächlich irgendwem aus der Krise zu helfen. Während sich für etliche Studis die Frage stellt, ob sie es sich überhaupt leisten können weiter zu studieren, müssen sie mit ansehen, wie die Bundesregierung ohne mit der Wimper zu zucken dutzende Milliarden Euro an Großkonzerne wie die Lufthansa verteilt.

Die Generation Praktikum steht einer Zukunft gegenüber, die unsicherer nicht sein könnte: Die Klimakatastrophe droht, geopolitische Spannungen zwischen imperialistischen Großmächten nehmen zu, in Polizei und Bundeswehr gibt es gut organisierte und bewaffnete Fascho-Strukturen und die anstehende Wirtschaftskrise wird die wohl schärfste seit fast 100 Jahren. Dagegen müssen wir uns organisieren, denn wir können nicht tatenlos zu sehen, wie unsere Zukunft ruiniert wird.

Wir müssen uns organisieren gemeinsam mit anderen Jugendlichen, die in prekären Jobs arbeiten oder unter schlechten Bedingungen ihren Schulabschluss machen müssen, mit Arbeiter:innen, die im öffentlichen Dienst gerade für bessere Löhne kämpften, während die Presse sie erst als Held:innen feierte und dann gegen ihre Streiks hetzte.

„Ich halte es für dringend nötig, dass wir Studis uns POLITISCH organisieren. Diese Probleme haben alle eine POLITISCHE Ursache. Nur indem wir uns organisieren, können wir diskutieren, wie wir unsere gemeinsamen Probleme lösen können.” – Ayrin, Soziologie

Wir organisieren uns bei KGK Campus, um uns gegen dieses System zu stellen, das zulässt, dass unter der Pandemie vor allem all diejenigen leiden, die ausgebeutet und unterdrückt werden. Wir kämpfen dafür die Krise zu überwinden, und zwar nicht auf den Rücken der Arbeiter:innen und der Jugend, sondern auf Kosten der Kapitalist:innen und Ausbeuter:innen, die seit Jahrzehnten von den tödlichen Verhältnissen profitieren.

Deshalb laden wir dich ein, Teil des Netzwerkes Klasse Gegen Klasse Campus zu werden! Willst du mit uns diskutieren, Artikel schreiben oder uns helfen, mit Videos, Fotos, Kampagnen, Aktionen etc. mehr junge Leute zu erreichen, um unseren Kampfplan gegen die Krise und gegen die Regierung zu verbreiten und gemeinsam eine revolutionäre Kraft aufzubauen?

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