Entweder ist die Linke internationalistisch oder sie ist nichts

10.08.2016, Lesezeit 6 Min.
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Vom 10. bis 17. August findet in Buenos Aires die 10. Konferenz der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale (FT–CI) statt. Delegierte aus verschiedenen Ländern Europas und Lateinamerikas diskutieren die kommenden Interventionen angesichts der internationalen Situation.

Die Wirtschaftskrise, die politische und soziale Polarisierung und die zunehmende Delegitimierung der traditionellen Parteien – besonders in Europa und den USA – führen zu neuen politischen Phänomenen auf der ganzen Welt. Wo wirtschaftliche, politische und soziale Krise – einen besonders hohen Grad angenommen haben, sprechen wir von Tendenzen hin zur „organischen Krise“. Dieses Konzept wurde vom italienischen Revolutionär Antonio Gramsci benutzt, um Situationen zu beschreiben, in denen es keinen Zusammenprall von Revolution und Konterrevolution gibt, aber durchaus eine „Krise der Gesamtheit“, die weit über die Konjunktur hinausgeht.

Das führt dazu, dass große Teile der Massen mit ihrer traditionellen politischen Vertretung brechen und neue „Denkweisen“ aufkommen. Das erklärt, warum trotz Ausbleiben großer Klassenkämpfe – ausgenommen Frankreich – bedeutende politische Phänomene nach links wie nach rechts entstanden sind.

In Europa beispielsweise ist, um es mit Gramsci auszudrücken, die „große bürgerliche Unternehmung“ der EU in einer tiefen Krise, besonders nach dem Brexit. In den USA ist das Zweiparteiensystem infrage gestellt, was sich auf der linken Seite in der Kampagne von Sanders, der besonders von der jungen Wähler*innenschaft getragen wurde, ausgedrückt hat und auf der rechten in der Präsidentschaftskandidatur von Trump, der von den Sektoren der Arbeiter*innen unterstützt wird, die von der Krise am härtesten getroffen wurden.

In Lateinamerika macht sich die „organische Krise“ besonders in Brasilien und Venezuela bemerkbar. Im Rahmen des Endes der Lebensdauer der sogenannten „postneoliberalen“ Regierungen fand in Brasilien ein institutioneller Putsch gegen Dilma Rousseff statt. In Venezuela verbindet sich die tiefe Wirtschaftskrise durch den Verfall des Ölpreises mit der Krise des regierenden Chavismus.

FT–CI: Eine intensive Aktivität

Die Genoss*innen von Révolution Permanente aus Frankreich, organisiert als Revolutionär-kommunistische Strömung innerhalb der NPA, waren Teil der Bewegung gegen die Arbeitsmarktreform. Es werden Delegierte der Gruppe Clase contra Clase aus dem spanischen Staat anwesend sein, die Teil des Umgruppierungsprojektes „No hay tiempo que perder“ (Es gibt keine Zeit zu verlieren) sind, das eine Alternative der Klassenunabhängigkeit gegenüber dem Neoreformismus von Podemos darstellt. Die Delegierten der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) aus Deutschland waren Teil der Solidaritätsbewegung mit den Geflüchteten, die aufgrund des imperialistischen Kriegs in Syrien massenhaft nach Europa kamen. Außerdem kommen Genoss*innen der FT aus Großbritannien.

In Lateinamerika stand die Revolutionäre Arbeiter*innenbewegung (MRT) aus Brasilien in der ersten Reihe im Kampf gegen den institutionellen Putsch. Jetzt sind sie Teil der Mobilisierungen gegen die Regierung von Michel Temer und stellen zahlreiche antikapitalistische Kandidat*innen bei den Kommunalwahlen im Oktober. Die Bewegung Sozialistischer Arbeiter*innen (MTS) aus Mexiko war bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung von Mexiko-Stadt im Juni die einzige Alternative links der linksreformistischen Bewegung der nationalen Erneuerung, nachdem in den letzten 25 Jahren keine antikapitalistische Organisation an Wahlen teilnahm. Die Genoss*innen der Partei Revolutionärer Arbeiter*innen (PTR) aus Chile sind an den wichtigsten Schulen und Universitäten verankert und von dort aus Teil der kämpferischen Studierendenbewegung und kämpfen aktuell gegen das private Rentensystem. Die Revolutionäre Arbeiter*innenliga – Vierte Internationale (LOR-CI) aus Bolivien beteiligten sich an den wichtigsten Streiks der letzten Monate und haben genauso wie die Liga Sozialistischer Arbeiter*innen (LTS) aus Venezuela und die Aktivist*innen der FT in Uruguay in diesem Jahre ihre eigenen digitalen Tageszeitungen gestartet.

Ein internationales Netzwerk von Online-Tageszeitungen, um in die neuen politischen Phänomene zu intervenieren

Ein zentrales Element der Konferenzdiskussionen wird die Frage sein, wie wir das Projekt La Izquierda Diario noch stärker als internationales Netzwerk linker Tageszeitungen mit Ausgaben in Spanisch, Portugiesisch, Englisch, Deutsch und Französisch (und einer Rubrik auf Türkisch) nutzen können.

Dieses Netzwerk hat große Fortschritte gemacht. In den letzten Monaten wurden die 14 Millionen Seitenaufrufe überschritten. Aufgrund der Intervention unserer Gruppen in den Klassenkampf verwandelte das Netzwerk die FT in einen dynamischen Pol der internationalen Linken.

La Izquierda Diario ist in Argentinien ein landesweiter Bezugspunkt. Alleine im Juli wurde es mehr als zwei Millionen Mal aufgerufen und fast drei Millionen Seiten wurden angeklickt. Das ist ein neuer Höchstpunkt markiert ein Wachstum von 148 Prozent im Vergleich zum gleichen Monat im Vorjahr und ein Wachstum von 85 Prozent im Vergleich zu Juni 2016. Jetzt sollen tausende neue Korrespondent*innen dazu gewonnen werden, von denen monatlich 2.000 Artikel veröffentlicht werden. Das soll dazu beitragen, dass die fortgeschrittenen Arbeiter*innen und Jugendlichen die Tageszeitung in ihre eigene Hand nehmen und sie so zu einem „kollektiven Organisator“ (Lenin).

In Frankreich konnte sich Révolution Permanente zum Sprachrohr der Bewegung gegen die Arbeitsmarktreform aufschwingen und wurde alleine im Juni 600.000 mal aufgerufen. Intellektuelle und linken Persönlichkeiten wie Tariq Ali lobten „Rev Perm“ für die Anstrengungen, die Stimme der Jugendlichen von „Nuit Debout“ zu verstärken. Im Spanischen Staat wurde Izquierda Diario im Mai 100.000 mal abgerufen, was zeigt, das auch dort Jugendliche und Arbeiter*innen nach einer Alternative zum Rechtsruck von Podemos suchen und den Kampf der französischen Arbeiter*innenklasse und Jugend verfolgen wollen.

In Brasilien hat sich Esquerda Diário zur größten Website der Linken verwandelt und mit einer durchschnittlichen Reichweite von 250.000 Menschen die Seiten der PSOL oder der PSTU bei weitem überstiegen. Damit wurde die Zeitung zur Stimme für alle diejenigen, die den institutionellen Putsch unabhängig von der regierenden PT bekämpften. In Mexiko machte La Izquierda Diario mit dem Kampf der Lehrer*innen gegen die neoliberale Bildungsreform von Enrique Peña Nieto einen Sprung, indem sie die Repression der Regierung verurteilte und die internationale Solidarität verbreitete. Dadurch kam die Seite an die 200.000 monatlichen Aufrufe.

Die Genoss*innen von Left Voice aus den USA nahmen am Left Forum in New York teil und weiten ihre Bekanntheit unter aktiven Teilen der Linken aus, um zu einer Referenz für revolutionäre Ideen in der englischsprachigen Welt zu werden.

All diese Erfahrungen werden dazu dienen, auf der Konferenz darüber zu reflektieren, wie das internationale Netzwerk La Izquierda Diario und die einzelnen Tageszeitungen neue und ambitioniertere Herausforderungen annehmen können.

 

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