Spanischer Staat: Podemos und die „neue linke“ Polizei

02.08.2016, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

In verschiedenen Ländern Europas erringen neue linksreformistische Projekte gute Wahlergebnisse. Im spanischen Staat regiert Podemos gemeinsam mit anderen linken Organisationen seit mehr als einem Jahr in zahlreichen wichtigen Städten. Doch die Polizeigewalt gegen Arbeiter*innen, Jugendliche und Migrant*innen wird fortgesetzt.

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In vielen Teilen Europas breiten sich seit einigen Jahren linke, reformistische Projekte aus, wie etwa Syriza in Griechenland, Podemos im spanischen Staat oder Sinn Féin in Irland. Projekte, die mit ein paar Reformen und ein bisschen Anti-Austeritätspolitik die Welt besser machen wollen. Auch in Deutschland schauen viele Linke auf diese Länder und freuen sich über gute Wahlergebnisse dieser Parteien.

Im Zuge der Finanzkrise von 2008 kam es ab 2011 weltweit, unter anderem im spanischen Staat, zu großen Massenprotesten. Die Bewegung 15M wurde geboren, Plätze besetzt, Generalstreiks organisiert und Parlamentsgebäude umzingelt. Die im März 2014 gegründete Partei Podemos konnte durch diese Protestbewegung entstehen und stark werden – gleichzeitig trug sie jedoch auch erheblich dazu bei, die Proteste von der Straße in die Parlamente zu kanalisieren.

Podemos zielt darauf ab, eine ‚vernünftige Regierung‘ zu stellen und den „Wohlfahrtsstaat“ wiederherzustellen. Dazu werden ein klein wenig mehr Sozialausgaben versprochen, mit der ‚regierenden Kaste‘, wie Podemos die Eliten des Landes nannte, wird aber nicht gebrochen. So wollen sie als Juniorpartner Teil einer sozialdemokratischen Regierung sein und stellen sich nicht einmal gegen die Monarchie oder die NATO.

Innerhalb kurzer Zeit nach ihrer Gründung schossen die Umfragewerte von Podemos durch die Decke und nach einem Jahr feierte die Partei Wahlerfolge in den wichtigsten Großstädten bei den Kommunalwahlen. In drei der fünf größten Städte (Madrid, Barcelona und Saragossa) regiert jetzt Podemos gemeinsam mit anderen linken Organisationen.

Die „Regierung des Wandels“ in Barcelona

Die neue Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, kommt aus der Bewegung gegen Zwangsräumungen. Allerdings entschied sie sich bereits an ihrem ersten Arbeitstag um – es wird weiter geräumt. Wohnungen stehen leer, während viele Menschen auf den Straßen schlafen müssen.

Auch in Fragen der Polizei macht der Reformismus eine sehr unglückliche Figur. Versprochen wurde eine „linke“ Polizei, denn seit 2011 verschärft Ministerpräsident Rajoy Demonstrationsgesetze, verbietet das Dokumentieren von Polizeieinsätzen und gängelt die Presse. Die Polizei, die den von Podemos regierten Städten untersteht, führt diese Gesetze dennoch fort. Die „neue linke Podemos-Polizei“ ist ein weiteres Produkt des Reformismus – nicht mehr als ein weiteres nicht eingehaltenes Versprechen.

An meinem ersten Abend in Barcelona durfte ich diese „neue linke“ Polizei näher kennenlernen. Auf einem öffentlichen Platz waren sehr viele junge Leute. Es wurde Bier in der Öffentlichkeit getrunken – in Barcelona absolut verboten. Zivilbullen liefen durch die Menge, und griffen ein paar Leute raus. Weitere Polizeiwagen kamen – eine argentinische Genossin filmte den Einsatz. Die Polizei wollte sie festnehmen. An einige wurden Bußgelder verteilt, die Mehrheit der Leute war bereits vom Platz geflohen.

Natürlich sind andere Sektoren stärker von Polizeigewalt betroffen, als weiße mitteleuropäische Partytouris. Besonders die Manteros, Straßenverkäufer*innen, die zumeist gefälschte Produkte an touristischen Orten verkaufen, werden von der Polizei schikaniert und geschlagen. Im Sommer 2015 verstarb ein senegalesischer Mantero in Polizeigewahrsam unter ungeklärten Umständen. Die Stadtregierung tut nichts.

Was bedeutet Reformismus eigentlich?

Eine linke Führungspersönlichkeit verspricht, sich allen Problemen anzunehmen und lähmt dabei jegliche Mobilisierung auf den Straßen. In Griechenland und den Städten im spanischen Staat sieht man das Ergebnis dieser Politik: mit voller Kraft in die gleiche Richtung wie vorher. Als „Bürgermeisterin des Wandels“ angetreten, verwandelte sich Colau so schnell in die „Verwalterin der Kontinuität“. Jegliche Ähnlichkeit mit Tsipras ist kein Zufall.

Keine selbsternannten demokratischen Sozialist*innen werden gegen Kapitalismus und Ausbeutung helfen. Denn um Verbesserungen zu erreichen, setzt der Reformismus nicht auf die Unabhängigkeit der Arbeiter*innenklasse, sondern verhandelt mit der Bourgeoisie um die Mitverwaltung des Kapitalismus. Ein Aspekt dessen zeigt sich in der „neuen linken Podemos-Polizei“.

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