Einigungspapier ablehnen und weiterstreiken! Gegen den Druck von Senat und Hochschulen!

02.07.2018, Lesezeit 10 Min.
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Der Kampf der studentischen Beschäftigten um einen neuen Tarifvertrag ist an einem entscheidenden Punkt angelangt. Die Mehrheit der Tarifkommission (TK) hat in der vergangenen Woche ein Verhandlungsergebnis akzeptiert, das zur Abstimmung der Gewerkschaftsmitglieder gestellt werden wird.

Während überall in den bürgerlichen Medien, von Seiten der Senatsparteien und durch die Gewerkschaftsführungen Lobeslieder auf die Einigung gesungen werden und es so scheint als sei alles schon in Sack und Tüten, soll an den Hochschulen erst noch über das Einigungspapier an den Hochschulen abgestimmt werden. Diese Abstimmungen finden von Dienstag bis Donnerstag (03.-05. Juli) statt. Jedoch wurden vor dem Ergebnis der Mitgliederabstimmung die Streiks vorerst mit einer Mehrheitsentscheidung in der TK ausgesetzt.

Aussetzung der Streiks ist nicht hinnehmbar

Mit der Entscheidung, die Streiks vorerst auszusetzen haben sich die Mehrheit der TK und die Gewerkschaftsführung gegen die Entscheidungsmacht der Basis gestellt, obwohl sich unter anderem die Streikversammlung der Freien Universität (FU) am 27. Juni klar dafür ausgesprochen hatte, dass man bis zum Ende der Mitgliederversammlung weiter streiken solle. Dies sollte unter anderem dem Zweck dienen, dass mehr Kolleg*innen selbst abstimmen können, aktiv an Aktionen teilnehmen und weitere Kolleg*innen mobilisieren können, sowie dass die Basis im Falle einer Ablehnung des Ergebnisses leicht mobilisierbar bleibt. Es ist aber zu betonen, dass eine Minderheit in der TK, zu der ich auch gehöre, gegen das beschlossene undemokratische Vorgehen gestimmt hat.

Die Aussetzung führt in vielerlei Hinsicht dazu, dass auf die Streikenden unnötiger Druck zur Annahme des vorliegenden Einigungspapiers erzeugt wird. Zuallererst werden dadurch Tatsachen geschaffen, welche das Weiterstreiken nach der Mitgliederbefragung durch diese Streikpause erschweren werden.
In einer Situation, in der die Streikbeteiligung und der Druck auf die Hochschulen durch das Näherrücken der Prüfungsphase jeden Tag anwächst, gibt es keinen vernünftigen Grund, warum man nicht weiterstreiken sollte bis die Tinte unter dem Tarifvertrag getrocknet ist. Besser gesagt: es gibt im Interesse der Beschäftigten keinen Grund dafür. Denn natürlich spielt das den Hochschulen und dem Senat sehr wohl in die Hände.

Da während dieser Woche nicht gestreikt wird, werden wir während der Mitgliederbefragung zur Arbeit gehen müssen. Die Vorgesetzten werden die Möglichkeit haben, Druck auf uns auszuüben, dem Angebot der Hochschulen zuzustimmen. Nach 4 Wochen durchgängigem Streik sollte die erste Konfrontation mit den Vorgesetzten eigentlich erst dann stattfinden, wenn der Tarifvertrag schon unterschrieben ist, um diese Belastung und Druck vermeiden zu können. Wir werden nicht die Möglichkeit haben uns als Basismitglieder während der Mitgliederbefragung ausführlich auszutauschen.

Weitergehende Streiks bis zum Ende der Abstimmung hätten uns die Möglichkeit gegeben, jeden Tag in den Streikcafés mit unterschiedlichen Kolleg*innen über das Angebot und den Verlauf des Arbeitskampfes zu diskutieren. Jetzt finden nur einmalig am Montag jeweils voneinander getrennte dezentrale Streikversammlungen statt, auf denen über das Einigungspapier diskutiert wird. Eine derartig große Entscheidung bräuchte jedoch eigentlich mehrere dezentrale und eine große zentrale Streikversammlung, damit man über alle Positionen, Perspektiven und Meinungen diskutieren kann.

Der vielleicht wichtigste Grund, warum diese Entscheidung skandalös ist: in einem Kampf, in dem hunderte Beschäftigte seit vier Wochen in einem faktisch unbefristeten Streik waren, hätte die Entscheidung über die Aussetzung des Streiks basisdemokratisch getroffen werden müssen, also in den Händen der Gesamtheit der gewerkschaftlich organisierten studentischen Beschäftigten selbst liegen müssen. Die Taktik der immer wieder erneuerten Verlängerung der Streiks, welche so eben fast einem Erzwingungsstreik glich, zeigte damit den entscheidenden Nachteil auf, dass sie anders als bei letzterem durch Manipulation und undurchsichtige Manöver von Senat und Gewerkschaftsbürokratie leichter beendet bzw. wie jetzt ausgesetzt werden konnten.

Sonderkündigung von TV-L – wo bleibt die Nachhaltigkeit?

Als studentische Beschäftigte haben wir im Laufe der Kampagne mehrere Streikversammlungen organisiert, auf denen „rote Linien“ bestimmt wurden. Natürlich war die wichtigste davon die Ankopplung an den Tarifvertrag der Länder (TV-L), unter dem die Mehrheit der übrigen Hochschulbeschäftigten arbeitet.

In dem vorliegenden Einigungspapier ist eine TV-L Ankopplung ab 1. Juli 2023 vorgesehen, jedoch nur unter der Bedingung, dass es ein Sonderkündigungsrecht gibt. Demnach haben die Hochschulen die Möglichkeit dieser Ankopplung zu widersprechen, falls von dem Senat nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden. Sollte in diesem Falle kein Kompromiss gefunden werden, dürfen sie einseitig die Formulierung mit der TV-L Ankopplung aus dem Tarifvertrag streichen.

Wie diese fehlende Ausfinanzierung bewiesen wird, richtet sich nach den allgemeinen Erhöhungen in den kommenden Hochschulverträgen. Falls die jährliche prozentuale Erhöhung der den Hochschulen vom Senat zugewiesenen Geldern zwei Jahre lang nacheinander durchschnittlich unter dem Niveau der prozentualen TV-L Erhöhungen liegt (also circa 2-2,3 Prozent), werden sie sich von ihrer Verpflichtung befreien können.

Mit diesem Sonderkündigungsrecht würden die Hochschulen nicht den gesamten Tarifvertrag kündigen müssen, sondern nur die TV-L-Ankopplung. Damit wollen sie vermeiden, dass die Kündigung des gesamten Tarifvertrages – zu Recht – als ein schwerer Angriff seitens der Hochschulleitungen angesehen wird. Denn das würde zu erneuten Streiks führen, die mit den nun gemachten Erfahrungen im Rücken und einem weiter gesteigerten Organisierungsgrad noch viel größer als die jetzigen werden könnten.

Eine Kündigung des Tarifvertrags bedeutet, dass jeglicher tarifrechtlicher Anspruch nicht mehr geschützt wird. Wenn aber nur die TV-L Ankopplung gekündigt wird, wird der Angriff als deutlich geringer wahrgenommen, was die Mobilisierung dagegen deutlich erschwert.

Bis 2023 werden fast alle studentischen Beschäftigten, die heute streiken, nicht mehr an der Uni beschäftigt sein. Dementsprechend wird auch deswegen der Druck auf die Hochschulen und den Senat geringer ausfallen als jetzt. Unsere befristeten Verträge und der geringere Beschäftigungszeitraum führen dazu, dass die gemachten Streikerfahrungen schwieriger für die zukünftigen SHK-Generationen zu vermitteln sind. Daher wäre eine gesicherte TV-L Ankopplung für die Zukunft der SHKs an Berliner Hochschulen viel besser, als wenn diese ständig von den Hochschulen gekündigt zu werden droht.

Das doppelte Spiel des Senats

Die jetzige Regierungskoalition, angeführt von der SPD, ist für ihre Kürzungspolitik im öffentlichen Dienst in den letzten 15 Jahren bekannt. Wir können auf keinen Fall ausschließen, dass in der nächsten Regierungsperiode im Rahmen der Politik der „Schwarzen Null“ der Bundesregierung – an der wiederum die SPD beteiligt ist – wieder Kürzungen im Bereich der Bildung und im öffentlichen Dienst stattfinden werden.

In diesem Szenario ist es nicht sonderlich schwierig einzuschätzen, welche Löhne gekürzt werden, falls wir ein Sonderkündigungsrecht zulassen, dass seitens des Senats und den Hochschulen dazu genutzt wird, eine „offene“ Stelle zum Sparen zu schaffen.

Wir dulden diese Politik nicht länger! Die Regierungen, die sehr wohl Geld für Rüstung, die innere Militarisierung, und Milliardensubventionen für private Unternehmen haben werden mit neuen Kürzungsplänen versuchen, die kommende wirtschaftliche Krise aus den Taschen der Arbeiter*innen und der Jugend zu bezahlen. Wir studentischen Beschäftigten wurden bereits jetzt durch den langanhaltenden Lohnverfall um 25 Millionen Euro beraubt und haben die Verantwortung, eine sichere TV-L-Ankopplung ohne ein Sonderkündigungsrecht für die zukünftigen Generationen zu erkämpfen.

Nur so können wir die Perspektive eröffnen, dass die studentischen Beschäftigten mittelfristig bundesweit in den TV-L eingegliedert werden und somit diese künstliche Spaltung ein für alle Mal beendet wird!

12,50 Euro erst im Juli 2019 – 1,5 Jahre Lohnunterschied zwischen den Hochschulen

Ein bedeutender Teil der Aktiven, die die Kampagne mittragen, sind mittlerweile nicht mehr studentische Beschäftigte, weil ihre Verträge schon ausgelaufen sind. Nach dem Einigungspapier tritt die erste Lohnerhöhung erst in Juli 2018 in Kraft. Das bedeutet, dass die Kolleg*innen, die bis heute mit uns gestreikt haben, aber schon teilweise aufgehört haben oder sehr bald aufhören werden, keinen Cent von der Lohnerhöhung bekommen würden.

Sie würden nur nicht von dem Tarifvertrag profitieren können, den sie selber erkämpft haben, weil die Hochschulen die Verhandlungen blockiert haben und die Gewerkschaftsführungen bereit sind, ihre Interessen für die Karrieren der Politiker*innen der Regierungskoalition zu verkaufen. Wo bleibt aber unsere Solidarität unter einander, wenn wir das Angebot so akzeptieren?

Das zweite Problem mit dem Anfangslohn ist die Lohnhöhe. Die TU Berlin zahlt ihren studentischen Beschäftigten seit dem Anfang des Jahres 12,50 €. In dem jetzigen Angebot vom KAV landet der TVStud III erst im Juli 2019 auf derselben Höhe. Das bedeutet, dass an Berliner Hochschulen am Ende anderthalb Jahre lang kein gleicher Lohn für die gleiche Arbeit bezahlt wird.

Wie weiter? Nein zu der Einigung – weiterstreiken!

Vor einem Jahr wurde in der Tarifkampagne die Frage gestellt, ob wir überhaupt streiken können. Am Anfang des Jahres wurde uns gesagt, dass wir nicht mehr als eine Woche durchhalten können. Als wir über den Erzwingungsstreik diskutiert haben wurde bezweifelt, dass wir fähig seien, mehrere Wochen zu streiken. Beständig haben wir von KlasseGegenKlasse darauf beharrt, in die Kraft der Basis zu vertrauen, was die Gewerkschaftsführung offenbar nicht tut.

Heute stehen wir am Ende unserer vierten Streikwoche so stark wie noch nie.

Warum sollten wir uns mit dem jetzigen schlechten Angebot zufrieden geben, wenn wir die Möglichkeit haben, weiter zu streiken und den Hochschulleitungen mit harten Konsequenzen in der Prüfungsphase, sowie einer weitreichenden Behinderung der Einschreibungen der Studierenden ins neue Semester zu drohen?

Letztere beginnen jetzt schon und erreichen ihre Hochphase gegen Ende der vorlesungsfreien Zeit. Bis zum neuen Semester besteht also durchaus noch Potential, Streikwirkung zu entfalten! Die Besetzung an der TU und unsere Aktion bei der Langen Nacht der Wissenschaften an der FU haben gezeigt, dass wir den Unibetrieb voll und ganz stören können, wenn wir wollen. In Kombination mit durchgängigen Streiks können solche Aktionen in der Prüfungsphase die Hochschulleitungen in die Knie zwingen.

Wir genießen weiterhin die Solidarität von anderen kämpferischen Belegschaften wie der des Botanischen Gartens oder der Vivantes Service Gesellschaft. Ebenso genießen wir die Solidarität unserer Kommiliton*innen, die sich bei der Räumung der Besetzung an der TU mit uns solidarisiert haben. Bei einer spontanen Streikversammlung nach der Räumung hatten sich über 200 Menschen (mehrheitlich Studierende) versammelt und beschlossen, der Repression der TU-Leitung mit weiteren Aktionen zu beantworten. Dies wird auch dringend notwendig sein, denn mit der Räumung des von Studierenden erkämpften und jahrelang geduldeten Freiraums der „Zwille“ an der TU hat sich deren Leitung erneut große Mobilisierungen ins Haus bestellt, die ihrem Spiel ein Ende bereiten.

Falls wir weiter streiken und die Universitäten mit zielgerichteten Aktionen lahmlegen, werden die Hochschulen keine andere Möglichkeit haben, als ein besseres Angebot zu machen. Wieder einmal gibt uns das Beispiel des Arbeitskampfes eines Teils der Kolleg*innen am Botanischen Gartens viel Kraft und Inspiration: Obwohl sie schon über 40 Monate kämpften und ihnen riesige Steine in den Weg gelegt wurden, haben sie ein Angebot von 80% der TV-L Anbindung ausgeschlagen und nicht aufgegeben bis sie tatsächlich 100% TV-L und damit die Eingliederung in die FU erreicht haben!

Wollen die Hochschulleitungen wirklich ein Wintersemester riskieren, welches ab dem ersten Tag komplett bis zum Ende lahmgelegt wird, bis wir unsere Forderungen tatsächlich erreicht haben? Noch ein Semester, in dem Veranstaltungen ausfallen und das Prestige der Universitäten weiter angekratzt wird. Durch eine kräftige Aktivierungskampagne gegen Anfang des Wintersemesters und die Einbindung von neuen Aktiven würde es die Möglichkeit geben, tatsächlich von Beginn an in einen Erzwingungsstreik zu gehen und vielleicht viel mehr rauszuholen als wir uns bisher vorgestellt haben. Das ist vielleicht unsere größte Drohkulisse, die uns bewusst sein sollte.

Bis zum Wintersemester gibt es noch viel Zeit. Lasst uns mindestens bis zum Ende der Prüfungsphase weiter streiken und die letzten Schritte für den Tarifvertrag mit einer TV-L Ankopplung ohne Sonderkündigung und mit einem Anfangslohn von min. 12,50 € ab 01.01.18 erkämpfen! Im Falle einer Ablehnung des Einigungspapiers brauchen wir mehrere Streikversammlungen, in denen wir das weitere Vorgehen bestimmen und einen neuen Kampfplan demokratisch aufstellen.

Kommt zu den Streikversammlungen!

Gebt eure Stimme an den Wahllokalen ab! Nein zu der Einigung!

Lasst uns weiter streiken und ein besseres Angebot erkämpfen!


Infos über die Streikversammlungen, sowie über Wahllokale: https://tvstud.berlin/mitgliederbefragung/

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