Marxismus und Schwarzen Kampf . Wir empfehlen davor Die turbulenten 1950er Jahre in Südafrika – Frauen als herausfordernde Aktivistinnen zu lesen" /> Marxismus und Schwarzen Kampf . Wir empfehlen davor Die turbulenten 1950er Jahre in Südafrika – Frauen als herausfordernde Aktivistinnen zu lesen" />

Der Frauenmarsch 1956

24.10.2020, Lesezeit 7 Min.
Übersetzung:
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Leo Trotzki und C.L.R. James (Abbildung: Sou Mi)

Am 9. August 1956 veranstalteten 20.000 Frauen einen Marsch auf die Gewerkschafts-Gebäude in Pretoria, einer der Hauptstädte Südafrikas, um gegen die vorgeschlagenen Änderungen des Urban Areas Act 1 zu protestieren. Dieser Artikel ist Teil unserer Sammlung über Marxismus und Schwarzen Kampf . Wir empfehlen davor Die turbulenten 1950er Jahre in Südafrika – Frauen als herausfordernde Aktivistinnen zu lesen

Strijdom, du hast dich an die Frauen gewagt, du hast einen Stein ins Rollen gebracht.

So geht das Lied, das zu diesem historischen Anlass komponiert wurde. Mitte 1956 gab es bereits Pläne für den Marsch nach Pretoria, und die Föderation Südafrikanischer Frauen (FSAW) hatte schriftlich darum gebeten, dass sich J.G. Strijdom, der damalige Premierminister, mit ihren Anführerinnen trifft, damit sie ihren Standpunkt darlegen können. Der Antrag wurde abgelehnt.

Daraufhin schickte der ANC Helen Joseph und Bertha Mashaba in Begleitung von Robert Resha vom ANC und Norman Levy vom Congress of Democrats (COD) auf eine Tour durch die wichtigsten Stadtgebiete. Es war geplant, sich mit den örtlichen Anführern zu beraten, die dann Vorkehrungen für die Entsendung von Delegierten zu der Massenversammlung im August treffen sollten.

Der Frauenmarsch war ein spektakulärer Erfolg. Frauen aus allen Teilen des Landes trafen in Pretoria ein, einige von so weit her wie Kapstadt und Port Elizabeth. Dann strömten sie entschlossen aber geordnet zu den Gewerkschafts-Gebäuden. Die Zahl der protestierenden Frauen wurde auf 10.000 bis 20.000 geschätzt, wobei die FSAW davon ausging, dass es die bisher größte Demonstration war. Sie füllten das gesamte Amphitheater im Bogen des anmutigen Herbert-Baker-Gebäudes. Walker beschreibt die beeindruckende Szene:

Viele der afrikanischen Frauen trugen traditionelle Kleidung, andere trugen die Farben des Kongresses, grün, schwarz und gold; indische Frauen waren in weiße Saris gekleidet. Viele Frauen hatten Babys auf dem Rücken, und einige Hausangestellte brachten die Kinder ihrer weißen Arbeitgeber mit. Während der gesamten Demonstration zeigte die riesige Menschenmenge eine Disziplin und Würde, die zutiefst beeindruckend war (Walker 1991:195).

Weder der Premierminister noch einer seiner leitenden Mitarbeiter war da, um die Frauen zu sehen, so dass die Anführer wie im Vorjahr die riesigen Bündel unterschriebener Petitionen vor der Bürotür von J.G. Strijdom hinterließen. Es stellte sich später heraus, sie wurden entfernt, bevor er sich die Mühe gemacht hatte, sie anzusehen. Auf Vorschlag von Lilian Ngoyi, einer meisterhaften Taktikerin, stand die riesige Menge dann eine halbe Stunde lang in absoluter Stille vor dem Gebäude. Bevor sie gingen (wieder auf vorbildliche Weise), sangen die Frauen „Nkosi sikeleli Afrika“. Ausnahmslos alle, die an der Veranstaltung teilnahmen, beschrieben sie als eine bewegende und emotionale Erfahrung. Die FSAW erklärte, es sei eine „monumentale Leistung“.

Die Bedeutung des Frauenmarsches muss analysiert werden. Die Frauen hatten einmal mehr gezeigt, dass das Stereotyp der politisch ungeschickten und unreifen, an das Zuhause gebundenen Frauen, überholt und unzutreffend war. Und wie schon im Vorjahr, versuchte die Afrikaans-Presse den Eindruck zu erwecken, dass es Weiße waren, die „das Sagen hatten“. Dies traf eindeutig nicht zu. Die FSAW und das Kongressbündnis gewannen großes Ansehen durch den offensichtlichen Erfolg des Unterfangens. Die FSAW war politisch erwachsen geworden und konnte als anerkannte Organisation nicht mehr unterschätzt werden – eine bemerkenswerte Leistung für ein Organ, das kaum zwei Jahre alt war. Das Bündnis beschloss, den 9. August von nun an als Frauentag zu begehen und er wird nun im neuen Südafrika jedes Jahr als nationaler Feiertag begangen.

Pässe für afrikanische Frauen

Die ersten Versuche der Regierung, Frauen zum Mitführen von Pässen und Genehmigungen zu zwingen, waren ein großes Fiasko. Im Jahr 1913 erklärten Regierungsbeamte im Oranjefreistaat, dass Frauen, die in den städtischen Townships leben, jeden Monat neue Einreisegenehmigungen kaufen müssten. Als Reaktion darauf schickten die Frauen Vertretungen an die Regierung, sammelten Tausende von Unterschriften auf Petitionen und organisierten massive Demonstrationen, um gegen die Genehmigungspflicht zu protestieren. Die Unruhen breiteten sich in der ganzen Provinz aus und Hunderte von Frauen wurden ins Gefängnis gesteckt. Der zivile Ungehorsam und die Demonstrationen gingen mehrere Jahre lang sporadisch weiter. Letztendlich wurde die Genehmigungspflicht aufgehoben. Bis in die 1950er Jahre wurden keine weiteren Versuche unternommen, Genehmigungen oder Pässe für afrikanische Frauen zu verlangen. Obwohl 1952 Gesetze erlassen wurden, die solche Dokumente verlangten, begann die Regierung erst 1954 mit der Ausstellung von Genehmigungen und 1956 von Referenzbüchern für Frauen. Die Ausstellung von Genehmigungen begann im Westkap, welches die Regierung als „farbiges Vorzugsgebiet“ bezeichnet hatte. Innerhalb der von der Regierung festgelegten Grenzen konnten keine afrikanischen Arbeiter eingestellt werden, es sei denn, das Arbeitsministerium stellte fest, dass keine farbigen Arbeiter zur Verfügung standen. Ausländische Afrikaner sollten gänzlich aus dem Gebiet entfernt werden. Es durften keine neuen Familien einreisen, und Frauen und Kinder, die die Voraussetzungen für einen Verbleib nicht erfüllten, sollten in die Reservate zurückgeschickt werden. Die Einreise der Wanderarbeiter sollte von nun an streng kontrolliert werden. Männliche Familienoberhäupter, deren Familien ausgewiesen oder daran gehindert worden waren, das Gebiet zu betreten, wurden zusammen mit den Wanderarbeitern in gleichgeschlechtlichen Wohnheimen untergebracht. Die Verfügbarkeit von Familienunterkünften war so begrenzt, dass die Zahl der gebauten Wohneinheiten weit hinter dem natürlichen Bevölkerungswachstum zurückblieb.

Um solch drastische Maßnahmen zur Eindämmung des Zustroms durchzusetzen, brauchte die Regierung ein Mittel, um Frauen zu identifizieren, die kein gesetzliches Recht hatten, im Westkap zu bleiben. Gemäß den Bestimmungen des Gesetzes zur Änderung der Eingeborenengesetze (Native Laws Amendment Act) waren Frauen mit dem Status nach Abschnitt 10(1)(a), (b) oder (c) nicht verpflichtet, Genehmigungen mit sich zu führen. Theoretisch waren nur Frauen in der Kategorie von Abschnitt 10(1)(d) – d.h. Arbeitssuchende oder Frauen mit einer Sondergenehmigung zum Verbleib im Stadtgebiet – zum Besitz solcher Dokumente verpflichtet. Trotz ihrer gesetzlichen Ausnahme wurden Frauen mit Rechten nach Abschnitt 10(1)(a), (b) und (c) von den örtlichen Behörden Genehmigungen erteilt, die behaupteten, die Dokumente seien zu ihrem eigenen Schutz. Jede Frau, die ihren Status (a), (b) oder (c) nicht nachweisen konnte, musste mit Verhaftung und Abschiebung rechnen.

Bald nachdem die Genehmigungen für Frauen im Westkap ausgestellt worden waren, begannen örtliche Beamte damit, die Bestimmungen in der gesamten Union durchzusetzen. Die Reaktion auf das neue System war rasch und feindselig. Noch bevor das Westkap zu einem „farbigen Vorzugsgebiet“ erklärt wurde, bereiteten sich die Afrikaner auf das Unvermeidliche vor. Am 4. Januar 1953 versammelten sich Hunderte afrikanischer Männer und Frauen im Township Langa vor Kapstadt, um gegen die bevorstehende Anwendung des Gesetzes zur Änderung der Eingeborenengesetze zu protestieren. In einer feurigen Rede vor der Menge erklärte Dora Tamana, Mitglied der ANC Women’s League und Gründungsmitglied der Federation of South African Women:

Wir, die Frauen, werden diese Pässe niemals tragen. Dies ist etwas, das mein Herz berührt. Ich appelliere an euch junge Afrikanerinnen und Afrikaner, vorzutreten und zu kämpfen. Diese Pässe machen den Weg für uns noch schmaler. Wir haben Arbeitslosigkeit, fehlende Unterkünfte und Familien erlebt, die wegen der Pässe zerbrochen sind. Wir haben es mit unseren Männern erlebt. Wer wird sich um unsere Kinder kümmern, wenn wir wegen eines kleinen technischen Vergehens ins Gefängnis gehen – weil wir keinen Passierschein haben.

Quelle: South African History Online

1 Eine der Vorschriften, die die Passgesetze ausmachen (Anm. d. R.)

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