Marxismus und Schwarzen Kampf " /> Marxismus und Schwarzen Kampf " />

Die turbulenten 1950er Jahre in Südafrika – Frauen als herausfordernde Aktivistinnen

24.10.2020, Lesezeit 15 Min.
Übersetzung:
1
Leo Trotzki und C.L.R. James (Illustration: Sou Mi)

Frauen standen an vorderster Front im Kampf gegen das Apartheidregime in Südafrika. Das erklärt dieser Artikel aus South African History Online. Er ist Teil unserer Sammlung über Marxismus und Schwarzen Kampf

In den 1950er Jahren begann die zunehmend repressive Politik der Regierung eine direkte Gefahr für alle farbigen Menschen zu werden. Es kam zu einer kämpferischen Gegenwehr durch eine Welle zahlreicher politischer Aktionen von Schwarzen. Die 1950er Jahre erwiesen sich zweifellos als ein turbulentes Jahrzehnt. Wir werden sehen, dass Frauen bei praktisch all diesen Protestaktionen eine herausragende Rolle spielten, aber bei keiner waren sie so engagiert, wie bei der Anti-Pass-Kampagne.

Frauen und die Anti-Pass-Kampagne 1950-1953

Die Maßnahmen des Apartheidregimes zur Kontrolle des Zustroms und die Pass-Gesetze waren das, was Frauen am meisten fürchteten und worauf sie am vehementesten reagierten. Ihre Ängste waren nicht unbegründet. 1952 verschärfte das Gesetz zur Änderung der Eingeborenengesetzes (Native Laws Amendment Act) die Einwanderungskontrolle und machte es für jeden Afrikaner (einschließlich Frauen) zu einer Straftat, sich länger als 72 Stunden in einem städtischen Gebiet aufzuhalten, sofern nicht die erforderlichen Dokumente vorliegen. Die einzigen Frauen, die sich legal in den Townships aufhalten durften, waren die Ehefrauen und unverheirateten Töchter der afrikanischen Männer, die für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Frage kamen.

Im selben Jahr wurde das Natives-Gesetz (Gesetz über die Abschaffung von Pässen und die Koordinierung von Dokumenten) verabschiedet. Im Rahmen dieses Gesetzes wurden die vielen verschiedenen Dokumente, die afrikanische Männer mit sich führen mussten, durch ein einziges – das Referenzbuch – ersetzt, das Angaben zur Identität des Inhabers, zur Beschäftigung, zum legalen Aufenthaltsort, zur Zahlung von Steuern und gegebenenfalls zur Erlaubnis, sich in den städtischen Gebieten aufzuhalten, enthielt. Das Gesetz sah ferner vor, dass afrikanische Frauen zu einem unbestimmten Zeitpunkt in naher Zukunft zum ersten Mal Referenzbücher mit sich führen müssten. Die Frauen waren wütend über diese direkte Bedrohung ihrer Bewegungsfreiheit und ihre Anti-Pass-Kampagne, die, wie Walker es ausdrückt, „eine der lautstärksten und wirksamsten Protestkampagnen war, die es zu dieser Zeit gab“ (1991:125).

Die Proteste begannen bereits 1950, als Gerüchte über das neue Gesetz in der Presse durchgesickert waren. In einer Reihe von Orten wie Langa, Uitenhage, East London, Kapstadt und Pietermaritzburg fanden Treffen und Demonstrationen statt. Bei den Protesten in Durban im März 1950 spielte Bertha Mkize vom ANCWL 1 eine führende Rolle, während in Port Elizabeth Florence Matomela (die Provinzvorsitzende des ANCWL) eine Demonstration anführte, bei der Pässe verbrannt wurden. Bis 1953 fanden noch sporadische Demonstrationen statt, die sich beschleunigten, als örtliche Beamte begannen, die neuen Passregeln durchzusetzen. Die Reaktion war rasch und feindselig. Am 4. Januar 1953 versammelten sich Hunderte afrikanischer Männer und Frauen im Township Langa vor Kapstadt, um gegen die neuen Gesetze zu protestieren. In einer kämpferischen Rede vor der Menge erklärte Dora Tamana, Mitglied der Frauenliga des ANC und später Gründungsmitglied der Südafrikanischen Frauenföderation:

Wir Frauen werden diese Pässe niemals tragen. Das ist etwas, das mein Herz berührt. Ich appelliere an euch junge Afrikanerinnen und Afrikaner, vorzutreten und zu kämpfen. Diese Pässe schränken den Weg für uns noch mehr ein. Wegen dieser Pässe haben wir Arbeitslosigkeit, fehlende Unterkünfte und zerrüttete Familien erlebt. Wir haben es mit unseren Männern erlebt. Wer wird sich um unsere Kinder kümmern, wenn wir wegen eines kleinen technischen Verstoßes ins Gefängnis gehen – weil wir keinen Passierschein haben?

Die Trotzkampagne beginnt und Frauen treten vor

Im Juni 1952 initiierten der ANC und die SAIC 2 eine kooperative Initiative, die als „Defiance Campaign“ bekannt wurde. Radikale Taktiken der Auflehnung sollten eingesetzt werden, um Druck auf die Regierung auszuüben. Dies stand im Einklang mit dem erklärten „Aktionsprogramm“ des ANC von 1949. Freiwillige des ANC und der SAIC (die CPSA 3 hatte sich 1950 aufgelöst) begannen, sich öffentlich über diskriminierende Gesetze hinwegzusetzen und zur Verhaftung zu provozieren, wobei sie die Gefängnisse füllten und das Justizsystem überlasteten. Frauen waren bei vielen dieser kämpferischen Vorfälle prominent. Florence Matomela war eine von 35 Aktivistinnen, die in Port Elizabeth verhaftet wurden, und Bibi Dawood rekrutierte 800 Freiwillige in Worcester. Fatima Meer, eine Inderin, wurde wegen ihrer Rolle bei den Unruhen verhaftet und anschließend verbannt. Eine weitere Frau, die während der „Defiance Campaign“ in den Vordergrund rückte, war Lilian Ngoyi, die später Präsidentin sowohl des ANCWL als auch der FSAW 4 wurde. Sie hatte zuvor sehr zurückhaltend agiert und sich in kirchennahen Organisationen engagiert, aber die „Defiance Campaign“ machte ihr klar, dass die Regierung nur durch eine aggressivere und militantere Haltung das Engagement der Frauen im nationalen Freiheitskampf voll und ganz erkennen würde. Die Beteiligung von Frauen an der „Defiance Campaign“ erwies sich zweifellos als ein wichtiger Impuls für ihre politische Entwicklung in allen Bereichen. Sie stärkte nicht nur den ANCWL, sondern motivierte die Frauen auch zur Gründung des FSAW.

Die Föderation der südafrikanischen Frauen (FSAW oder FEDSAW)

Drei wichtige Aktivistinnen waren im April 1953 in Port Elizabeth, als die „Defiance Campaign“ im vollem Gange war und es in der Region zu weit verbreiteten politischen Unruhen kam. Maßnahmen zur Zustromkontrolle waren erst einige Monate zuvor in der Region eingeführt worden und hatten einen Sturm des Protests in der Bevölkerung ausgelöst. Bei den drei Frauen handelte es sich um Florence Matomela (Präsidentin der ANCWL am Ostkap), Frances Baard, die eine führende lokale Figur der Gewerkschaft der Beschäftigten in der Lebensmittel- und Konservenindustrie (FCWU) war, und Ray Alexander, die Generalsekretärin der FCWU, die sich zur Teilnahme an einer Gewerkschaftskonferenz in Port Elizabeth aufhielt. Die drei beschlossen unter sich, dass die Zeit reif sei, um ein Treffen der Frauen einzuberufen, um die Gründung einer nationalen Frauenorganisation zu diskutieren. Über das informelle Treffen, das am selben Abend stattfand, wurde kein Protokoll geführt, aber Ray Alexander sagte später, dass etwa 40 Frauen daran teilgenommen hätten. Mit Ausnahme von Alexander, einer Frau Pillay, einer Frau Damons und Gus Coe waren die meisten Frauen Afrikanerinnen. Obwohl sie von verschiedenen Organisationen kamen, engagierten sich alle Frauen für die Kongressallianz und die im Vorjahr initiierte „Defiance Campaign“. Ray Alexander wies auf die Vorteile eines Dachverbandes hin, der eine nationale Strategie zur Bekämpfung der für Frauen wichtigen Themen ausarbeiten würde: alltägliche Angelegenheiten wie steigende Lebensmittel- und Transportkosten, Pässe und der Zustromkontrolle. Die Frauen reagierten enthusiastisch, und Ray Alexander wurde gebeten, die Angelegenheit weiter zu vertiefen.

Ray Alexander lebte in Kapstadt, daher fand die Planung für die erste Konferenz dort statt. Hilda Watts (Bernstein), ebenfalls eine Kommunistin und erfahrene politische Aktivistin, wurde gebeten, den Johannesburger Flügel des Komitees zu leiten. Daraufhin sollten Johannesburg und Kapstadt die wichtigsten FSAW-Zentren werden. Als eine energische, fähige Organisatorin, die sich seit den 1930er Jahren unermüdlich für Frauenrechte eingesetzt hatte, war Ray Alexander die ideale Frau für diese Aufgabe. Sie gewann landesweit eine Reihe einflussreicher Frauen, die ihr halfen, aber ihr individueller Beitrag war beachtlich. Alle wichtigen Organisationen waren in ihrem „Frauenausschuss“ vertreten, darunter die ANC-Frauen Liga, Gewerkschafterinnen, Mitglieder der SAIC, der Transvaal All-Women’s Union und des Congress of Democrats (COD). Der COD war nach der Auflösung der CPSA im Jahr 1950 gegründet worden; ihm gehörten somit viele der ehemaligen Mitglieder der Kommunistischen Partei an.

Der Ausschuss traf sich regelmäßig, um die kommende Konferenz zu planen. Andere bemerkenswerte Frauen, die daran teilnahmen, waren Ida Mtwana (ANC Women’s League), Josie Palmer (ehemalige CPSA und Transvaal All-Women’s Union), Helen Joseph (COD), Amina Cachalia und Frau M Naidoo (SAIC) sowie drei Gewerkschafterinnen: Bettie du Toit, Lucy Mvubelo und Hetty du Preez. Ray Alexander reiste auch nach Durban, um Pläne mit Frauen in Natal zu koordinieren, wo Dr. K. Goonam, Fatima Meer und Fatima Seedat von der SAIC und Bertha Mkize und Henrietta Ostrich vom ANC um ihre Meinung gebeten wurden. Einladungen zur Eröffnungskonferenz der FSAW wurden von 63 Frauen, die die Ziele des Kongressbündnisses unterstützten, unterzeichnet und im März 1954 verschickt.

Die Federation of South African Women (FEDSAW oder FSAW) wurde am 17. April 1954 in der Trades Hall in Johannesburg gegründet und war der erste Versuch, eine nationale, Frauenorganisation auf breiter Basis zu gründen. 146 Delegierte, die 230.000 Frauen aus allen Teilen Südafrikas vertraten, nahmen an der Gründungskonferenz teil und sagten ihre Unterstützung für die breit abgestützten Ziele der Kongressallianz zu. Die spezifischen Ziele der FSAW bestanden darin, die Frauen Südafrikas zusammenzubringen, um die volle Chancengleichheit für alle Frauen, ungeachtet ihrer Ethnie, Hautfarbe oder ihres Glaubens, zu gewährleisten und ihre sozialen, rechtlichen und ökonomischen Einschränkungen zu beseitigen.

Hilda Bernstein legte den Entwurf einer Frauencharta vor, und in völliger Übereinstimmung mit der nationalen Befreiungsbewegung, wie sie von der Kongressallianz vertreten wird, forderte die Frauencharta die Verleihung des Wahlrechtes von Männern und Frauen aller Ethnien; Chancengleichheit in der Arbeitswelt; gleichen Lohn für gleiche Arbeit; gleiche Rechte in Bezug auf Eigentum, Ehe und Kinder sowie die Abschaffung aller Gesetze und Bräuche, die Frauen eine solche Gleichstellung verwehrten. Ferner forderte es bezahlten Mutterschaftsurlaub, Kinderbetreuung für berufstätige Mütter und kostenlose und obligatorische Bildung für alle südafrikanischen Kinder. Diese Forderungen wurden später in die Freiheitscharta aufgenommen, die vom 25. bis 26. Juni 1955 vom Kongress des Volkes in Kliptown bei Johannesburg verabschiedet wurde.

Die administrativen Vorarbeiten für das neu gegründete FSAW entwickelten sich in den folgenden Monaten, aber auf der Eröffnungskonferenz im April 1954 wurde ein nationaler Exekutivausschuss gebildet. Ida Mtwana wurde zur nationalen Präsidentin gewählt (sie war auch die vorsitzende ANCWL-Präsidentin), was auf die Schlüsselrolle hinwies, die dem ANC (dem Seniorpartner der Demokratischen Allianz) in der neuen Organisation zukommen sollte. Ray Alexander wurde die nationale Sekretärin, und die Vizepräsidenten waren Gladys Smith, Lilian Ngoyi, Bertha Mkize und Florence Matomela.

Die Frauen waren eisern der Meinung, dass die Eröffnungskonferenz ein uneingeschränkter Erfolg gewesen sei. Auf Vorschlag von Hilda Watts wurden den männlichen Freiwilligen die Verpflegungsaufgaben für die Konferenz übertragen. Dies war symbolisch. Wie Ida Mtwana es ausdrückte: „Vorbei sind die Zeiten, in denen der Platz der Frauen in der Küche und bei der Betreuung der Kinder war. Heute marschieren sie Seite an Seite mit den Männern auf dem Weg zur Freiheit“ (Walker 1991:154).

Die Rolle der Frauen im Kongress des Volkes und die Freiheitscharta

Als die FSAW 1954 gegründet wurde, war die “Defiance Campaign” bereits im Sande verlaufen. Das soll nicht heißen, dass sie gescheitert war, trotz ihrer Unzulänglichkeiten. Aber die Regierung hatte die Auflehnung überstanden und führte mit beharrlichen Nachdruck noch mehr ihrer Apartheid-Maßnahmen ein. Es wurde deutlich, dass die nationale Befreiungsbewegung eine neue Initiative ergreifen musste. Das Kongressbündnis begann mit der Organisation des Kongress des Volkes; wieder einmal waren Frauen dazu bestimmt, eine wichtige Rolle zu spielen. Und dies, obwohl viele der führenden Aktivistinnen des ANCWL und der FSAW, darunter Ray Alexander, verbannt wurden und ihre Verbindungen zu der Organisation kappen mussten.

Im August 1954 bat die Congress Alliance die FSAW um Unterstützung bei der Organisation des Kongress des Volkes, und die Frauen stimmten mit Begeisterung zu. Sie sollten bei der Organisation örtlicher Gremien helfen und durch das Abhalten von Hausversammlungen und örtlichen Konferenzen neue Unterstützung an der Basis für das Bündnis gewinnen. Dies taten sie in den ersten Monaten des Jahres 1955 mit großem Erfolg. Darüber hinaus übernahmen sie die gewaltige Aufgabe, für die mehr als 2 000 erwarteten Delegierten Unterkünfte zu organisieren. Ihr Beitrag gab den Frauen Gelegenheit, sich dafür einzusetzen, dass einige ihrer Forderungen in die auf der Massenversammlung verabschiedete Freiheitscharta aufgenommen wurden.

Walker (1991:183) zeigt, dass auch wenn die FSAW zwar eng in die Planung des Volkskongresses eingebunden war, die Frauen bei der eigentlichen Tagung jedoch nur eine begrenzte Rolle spielten. Am 25. und 26. Juni 1955 versammelten sich fast 3 000 Delegierte in Kliptown. Bei der offiziellen Gesamtzahl von 2 848 waren 721 weibliche Delegierte dabei – mit anderen Worten, nur etwa ein Viertel der Delegierten des Kongress des Volkes waren Frauen. Es gab einige wenige Frauen, darunter Sonia Bunting, die aus dem Plenum sprachen, aber Helen Joseph, die Transvaal-Sekretärin der FSAW, war die einzige weibliche Rednerin auf dem Podium. Die Klausel, die sie im Namen der Frauen vorschlug, nämlich die Notwendigkeit von „Häusern, Sicherheit und Komfort“, einschließlich kostenloser medizinischer Behandlung für Mütter und Kleinkinder, wurde später tatsächlich in die Freiheitscharta aufgenommen. Frances Baard, eine prominente Gewerkschafterin und Mitglied des Exekutivausschusses der FSAW, war an der Ausarbeitung der Freiheitscharta beteiligt.

Im September 1955 wurde der Protest gegen die Verhängung von Passierscheinen für Frauen zum Hauptanliegen des ANCWL und des FSAW, aber für schwarze Frauen auf breiter Front. Diese Anti-Pass-Kampagne gipfelte im August 1956 in einer massiven Demonstration der „Macht der Frauen“. Nach dem Marsch von Pretoria wurde die Kampagne bis Ende der 1950er Jahre fortgesetzt, 1957 in Zeerust, 1957 in Johannesburg, 1958 in Johannesburg und 1959 in Natal. Wie man sehen wird, wurden die Pläne von FSAW 1960 im Gefolge der Unruhen in Sharpeville abrupt gestoppt, als die Regierung den ANC verbot. FSAW war ein schwerer Schlag versetzt worden.

Im Dezember 1956 waren mehrere Aktivistinnen in einen weiteren aufsehenerregenden Vorfall verwickelt. In dem entschlossenen Bemühen, die nationale Befreiungsbewegung einzudämmen, trieb die Regierung 156 Anführer der Congress Alliance zusammen und verhaftete sie. Unter den Inhaftierten befanden sich führende Frauen wie Lilian Ngoyi, Helen Joseph, Annie Silinga und Francis Baard. Sie wurden der Verschwörung zum Sturz der Regierung beschuldigt und in dem bekannten Treason Trial angeklagt, der viereinhalb Jahre dauerte. Während dieser langen Zeit halfen Frauen der FSAW und des ANC Unterstützung für die Verurteilten des Hochverrat-Prozesses und ihre Familien zu organisieren.

Quelle: Südafrikanische Geschichte Online

1 African National Congress Women’s League (Anm. d. R.)

2 South African Indian Congress (Anm. d. R.)

3 Communist Party of South Africa (Anm. d. R.)

4 Federation of South African Women (Anm. d. R.)

Mehr zum Thema