Die Polizei schützt uns nicht vor patriarchaler Gewalt

29.05.2025, Lesezeit 4 Min.
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Symbolbild: klauscook / Shutterstock.com

In Deutschland wurde ein Fall brutaler sexualisierter Gewalt bekannt, der Erinnerungen an Gisèle Pelicot weckt. Forderungen nach immer härteren Strafen greifen jedoch zu kurz.

Erst letzten Sommer erschütterte der Fall von Gisèle Pelicot die Medien weltweit. Nun wurde in Deutschland ein grausamer Fall sexualisierter Gewalt bekannt, der an den Fall Pelicot erinnert. Zuerst berichtete tagesschau.de über die Recherche des öffentlich-rechtlichen Formats STRG_F, die ein online aktives Vergewaltiger-Netzwerk aufdeckte. Besonders ekelhaft: Bereits im Juli 2023 waren die Journalist:innen von STRG_F auf den Fall aufmerksam geworden und meldeten den Nutzer der Polizei. Doch passiert ist bis Ende 2024 wohl nichts. Mittlerweile ist der Mann bereits bei einem Unfall verstorben, bevor ein Haftbefehl vollstreckt werden konnte.

Der Fall schockiert und macht unglaublich wütend. Und er zeigt gut, was dieses System hervorbringt – sowohl an patriachaler Gewalt, als auch an unwirksamen Lösungsstrategien dagegen. Es ist zu erwarten, dass viele auf diese furchtbare Enthüllung mit der Forderung nach verschärften Strafen antworten werden. Den Täter selbst werden diese Strafen zwar nicht mehr treffen können, doch ermitteln die Behörden wegen möglicher weiterer Beteiligter nun gegen Unbekannt. 

So verständlich diese Reaktionen sein mögen: Sie sind selbst Ausdruck einer gefühlten Ohnmacht. Denn tatsächlich hat sich die Drohung mit strafrechtlichen Sanktionen als weitgehend unwirksam erwiesen, die Zahl der Fälle sexualisierter Gewalt zu verringern. Tatsächlich legt gerade dieser Fall auch nahe, dass auf die Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen sexualisierte Gewalt kein Verlass ist. Es ist unklar, warum die Polizei Hamburg über ein Jahr lang keine Ermittlungen anstellte, obwohl ihr der Fall bekannt war. Es ist aber unwahrscheinlich, dass wir es erfahren werden, denn die Hamburger Polizei ermittelt dazu intern selbst. 

Es gibt keinen Grund daran zu glauben, dass staatliche Institutionen Formen der sexualisierten Gewalt entschieden verfolgen würden. Vielmehr wird die Angst vor Gewalt dazu instrumentalisiert, die Macht des Staats zur Repression weiter zu stärken. So wird sich grundlegend nichts daran ändern, dass patriarchale Ideologie und Gewalt unsere Gesellschaft zutiefst prägen. Auch in diesem Fall war der Mann Teil eines ganzen Netzwerkes. Diese Männer sind nicht als sexistische Gewalttäter geboren worden, sondern in diesem System dazu geworden, in patriarchal geprägten Familien und Schulen, Medien und Onlinekulturen. Und dieses System ist gleichermaßen kapitalistisch wie patriarchal und darauf ausgelegt, solche Taten hervorzubringen.

Dabei ist die Brutalität wie hier nur ein Glied in einer ganzen Kette der Gewalt, die neben Formen der psychischen auch solche der strukturellen Gewalt umfasst. So gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Kürzungspolitik der neuen Bundesregierung im Interesse der Aufrüstung und der unvermindert großen Zahl der Fälle sexualisierter Gewalt. Nicht zufällig geht es im Koalitionsvertrag mit keinem Wort um Frauenhäuser. Stattdessen werden vielerorts Gelder gestrichen, Wohnraum wird fast unbezahlbar. Wer durch Kürzungen seinen Job verliert oder schon von jeher weniger Lohn bekommt, ist schneller materiell vom Partner abhängig.

Mit Forderungen nach immer härteren Strafen dürfen wir uns deshalb nicht vereinnahmen lassen. Sie bieten keine Lösung, wenn wir dafür kämpfen wollen, dass wir diese Gewalt an der Wurzel packen und beenden können. Es bleibt dabei: Der Kampf gegen sexistische Gewalt in all ihren Formen ist untrennbar verbunden mit dem Kampf für eine Welt ohne jede Ausbeutung und Unterdrückung. Eine Welt ohne Kapitalismus.

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