Antisemitische Schmierereien in Berlin: Kampf gegen Unterdrückung geht nur zusammen

15.10.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: meunierd / shutterstock.com

In Berlin kam es zu heftigen antisemitischen Vorfällen. Wie können wir den steigenden Hass bekämpfen?

In den letzten Tagen sind immer wieder antisemitische Schmierereien in Berlin aufgetaucht. Besonders hervorzuheben sind jene, bei denen Wohnhäuser von Juden:Jüdinnen mit Davidsternen markiert wurden. Dies erinnert stark an die Praxis der Nationalsozialisten, jüdische Häuser mit dem sogenannten „Judenstern“ zu markieren. Verständlicherweise berichten deshalb viele Juden:Jüdinnen in Berlin, Angst zu haben.

Die Schmierereien stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit dem Genozid, den Israel aktuell in Gaza begeht. In der deutschen Öffentlichkeit wurde in der Vergangenheit häufig Israel mit dem Judentum gleichgesetzt, um die zionistische Besatzung positiv darzustellen. Häufig fällt dies mit Stichworten wie der „deutschen Verantwortung“, oder die Gleichsetzung von Zionismus und Judentum wird genutzt, um Anklagen gegen Siedlerkolonialismus und Besatzung als antisemitisch zu diffamieren. Beispielsweise behauptete Jutta Ditfurth, dass die Forderung nach einem freien Palästina „Macht Palästina judenfrei“ bedeuten würde. Dies schlägt nun ins Gegenteil um: Menschen nehmen die Gleichsetzung von Zionismus und Judentum für bare Münze und hetzen deshalb gegen Juden:Jüdinnen.

Antizionismus = Antisemitismus?

Die Gleichsetzung von Judentum und Zionismus ist zuallererst einmal faktisch falsch. In der bis zum zweiten Weltkrieg und dem Holocaust großen jüdischen Arbeiter:innenbewegung gab es immer eine große und einflussreiche antizionistische Strömung. Der Bund hat erkannt, dass es notwendig ist, dass sich Unterdrückte zusammenschließen müssen, um gegen die Unterdrücker zu kämpfen. Für den Bund hat dies bedeutet, für den Sozialismus in Europa zu kämpfen um so den grassierenden Antisemitismus in besiegen und gegen die Idee, durch die Vertreibung von Palästinenser:innen einen zionistischen Staat zu errichten. Heute bedeutet der gemeinsame Kampf von Unterdrückten, sowohl gemeinsam mit der palästinensischen Befreiungsbewegung gegen den von Israel verübten Genozid und den Siedlerkolonialismus zu kämpfen, als auch gegen den in Deutschland nie anwesenden Antisemitismus.

Dies ist auch bitter nötig, angesichts der in Deutschland zunehmenden Gewalt gegen Juden:Jüdinnen. Allem voran steht der antisemitische Anschlag in Halle, bei dem ein bewaffneter Faschist versuchte in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort möglichst viele Juden:Jüdinnen zu ermorden. Als sein Versuch, mit dem offensichtlichen Ziel ein Massaker zu verüben, in die Synagoge einzudringen, fehlschlug, ermordete er eine Frau vor der Synagoge und einen Mann vor einem Dönerladen. Diese Tat bleibt jedoch kein Einzelfall, schaut man auf die zahlreichen Angriffe und Drohungen gegen Synagogen alleine im letzten Jahr.

Bürgerliche Heuchelei

Von bürgerlichen Politiker:innen hört man als Reaktion darauf häufig Lippenbekenntnisse gegen Antisemitismus, während sie aber gleichzeitig rechte Strukturen in Polizei und Bundeswehr herunterspielen oder  die Freigabe der NSU Akten verweigern. Mehr noch, die wirkliche Gefahr von antisemitischer und rechter Gewalt wird rassistisch als Problem „der anderen“ abgestempelt, Politiker:innen aller Parteien sprechen, erinnern wir uns an Mai 2021, über „eingewanderten Antisemitismus“, der erst durch Muslim:innen ins Land gekommen sei. Diese Logik des Diskurses findet man auch aktuell wieder: Während sich SPD-Chefin Saskia Esken nicht mit dem Sohn jüdischer Holocaustüberlebender Berne Sanders treffen wollte, weil dieser das wahllose Bombardement von Zivilist:innen als Kriegsverbrechen benannt hat, ist es möglich, dass der deutsche „Intellektuelle“ Richard David Precht nahezu ohne Widerhall behauptete, Juden:Jüdinnen würden aufgrund ihrer Religion abseits von „Diamantenhandel und Finanzgeschäften“ keiner anderen Arbeit nachgehen. Auch der Freie-Wähler-Vorsitzender Hubert Aiwanger fiel durch seine pro-faschistischen und krass antisemitischen Aussagen in seiner Jugend auf. Doch anstatt sich ehrlich zu entschuldigen und zurückzutreten, schob er alles auf seinen Bruder und distanzierte sich oberflächlich ohne echte Aufarbeitung. Währenddessen spricht der Vorsitzender der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegenüber der Bild von „importiertem Antisemitismus“ und forderte einen „Knallhart-Kurs gegen Juden- und Israel-Hasser“, während er kein Problem damit hat, dass seine Partei mit einem skrupellosen Antisemiten koaliert.

Gemeinsam kämpfen

Sowohl die antisemitischen Angriffe als auch den Kampf gegen die Unterstützung des laufenden Genozids, müssen wir mit den Methoden der Arbeiter:innenbewegung begegnen. Während der deutsche Staat faschistische Netzwerke in Bundeswehr und Polizei weitestgehend gewähren lässt, stellt er Israel einen Freifahrtschein für den Genozid aus und führt seine intensive militärische Kooperation mit dem israelischen Staat weiter fort. Für die Gewerkschaften bedeutet dies, dass sie Komitees organisieren müssen, um Synagogen und andere jüdische Einrichtungen zu beschützen. Dafür ist es notwendig, die sogenannte „Gewerkschaft der Polizei“, die einerseits Strukturen der extremen Rechten in der Polizei verharmlost und andererseits weitreichende Demonstrationsverbote für palästinasolidarische Mobilisierungen fordert, aus dem DGB zu werfen. Es braucht gemeinsame Mobilisierungen von Gewerkschaften und allen Linken gegen den aufflammenden Antisemitismus in Deutschland und den Genozid den Israel an den Palästinenser:innen sowie dem Ende von Apartheid und Besatzung. Außerdem braucht es Streiks und Blockaden, die sich gegen die innere Militarisierung Deutschlands und das 100-Milliarden-Sondervermögen, die die Netzwerke der extremen Rechten in Polizei und Bundeswehr quasi anfeuern, sowie gegen Waffenlieferungen nach Israel, wie es die Hafenarbeiter:innen von Livorno vorgemacht haben.

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