Werneke lässt 4,8 Prozent fallen und bereitet einen faulen Kompromiss bei TVöD vor – Widerstand organisieren!

14.10.2020, Lesezeit 4 Min.
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Der Vorsitzende des ver.di-Bundesvorstandes Frank Werneke lässt die Forderung von 4,8 Prozent mehr Lohn kurz vor der nächsten Verhandlungsrunde fallen. Entweder versteht die ver.di Führung die Bedeutung der aktuellen Streiks für die 2,3 Millionen Beschäftigten nicht, oder sie will den Kampf bewusst in einen faulen Kompromiss führen. Nicht Werneke, sondern die Beschäftigten sollten über ihre Streiks und die Verhandlungen in Streikversammlungen entscheiden.

«Am Ende werden wir mutmaßlich nicht mit 4,8 Prozent abschließen». Diese Worte kommen von Frank Werneke, dem Vorsitzenden des ver.di-Bundesvorstandes. Worte, die andeuten, dass die ver.di Bürokratie entweder nicht versteht, was für eine Bedeutung die aktuellen Streiks für den Verlauf der Krise und die Frage, wer sie bezahlt (hat) oder – schlimmer – sich der Wichtigkeit der Arbeitsniederlegungen völlig bewusst ist, den Kampf aber in einen faulen Kompromiss führen will.

Die Bedeutung der aktuellen Streiks im öffentlichen Dienst und Nahverkehr ist enorm: Durch ihr Ergebnis wird bestimmt, ob die Regierung und die Reichen es schaffen werden, die Kosten der Krise weiterhin auf die Arbeiter:innen abzuwälzen. Denn die Hilfen an Großaktionär:innen und Unternehmer:innen werden durch jahrelange Kürzungen im öffentlichen Dienst, Personalmangel und Outsourcing finanziert. Im Fall von Lufthansa sehen wir, dass neun Milliarden Euro an Großaktionär:innen verschenkt werden während Tausende Beschäftigte entlassen werden. Auch bei Galeria-Karstadt-Kaufhof werden 200 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet und trotz staatlicher Hilfen gleichzeitig 5000 Beschäftigte entlassen.

Langer Rede, kurzer Sinn: Wir Arbeiter:innen zahlen für die Krise, falls die Regierung es schafft, die TVöD- und ÖPNV-Streiks so umzulenken, dass in Zukunft möglichst wenig für diese Sektoren ausgegeben wird. Es ist also die Aufgabe unserer Gewerkschaften und auch ihrer Führungen, einen so faulen Kompromiss zu verhindern und die Streiks gegen das gesamte Krisenmanagement der Regierung zu richten.

Anstatt die Streiks im öffentlichen Dienst gegen Kürzungen durch Streiks in schließenden Betriebe auszuweiten, kündigt die ver.di Führung ihre Kompromissbereitschaft an. Ein solcher Kompromiss würde sowohl die geforderten 4,8 Prozent als auch den Mindestbetrag von 150 Euro mehr Lohn betreffen.

Dieser Ankündigung geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem gar kein Angebot seitens der Regierung vorliegt und die Streikmaßnahmen noch längst nicht ausgeschöpft wurden. Bisher haben in den verschiedenen Bundesländern separat einzelne Streiktage im öffentlichen Dienst stattgefunden, die nicht einmal zusammen mit den Streiks im Nahverkehr durchgeführt wurden. Warum die Streiks weder ausgeweitet wurden noch werden? Warum zu keinem Zeitpunkt in Betracht gezogen wird, mehrere Wochen am Stück streiken, um die Forderungen tatsächlich durchzusetzen statt schon vor dem Kampf die Bereitschaft zu einem faulen Kompromiss anzudeuten?

Die Antwort ist „Sozialpartnerschaft“ und Ausverkauf unserer Interessen als Beschäftigte an die Reichen, die Regierung und Großaktionär:innen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) haben in einer gemeinsamen Presseerklärung bereits im März erklärt:

„Die Sozialpartner stellen gemeinsame Verantwortung in der Coronakrise über Differenzen. […] Konflikte und Interessen-Gegensätze bleiben bestehen, aber in besonderen Situationen werden sie hintenangestellt.

Heute sehen wir, was „die gemeinsame Verantwortung“ der „Sozialpartner“ für die Arbeiter:innen bedeutet: Ausverkauf ihrer Interessen.

Dagegen brauchen wir als Arbeiter:innen in unseren Gewerkschaften Widerstand. Denn es geht nicht um die Arbeitsbedingungen und die Lebensgrundlage von Frank Werneke, der mit seinem dicken Gehalt zufrieden ist. Sondern es geht um die 2,3 Millionen Beschäftigten und Gewerkschaftsmitglieder, deren Familien aufgrund der Wirtschaftskrise in finanzielle Not sind.

Daher dürfen wir es uns auch nicht mehr gefallen lassen, dass uns unsere Kämpfe und Streiks vom Bundesvorstand in Absprache mit dem Gegner vordiktiert werden. Stattdessen sollen von Beschäftigten in Versammlungen demokratisch über sie entschieden werden. Bei den nächsten Streiks gilt es also, Streikversammlungen zu organisieren und uns gegen den faulen „Kompromiss“ von Werneke zu stellen!

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