Grüne Regierungs-vorbereitung: NSU-Akten geheim halten, Waffen exportieren

28.05.2021, Lesezeit 7 Min.
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Robert Habeck (Vors. Bündnis 90/Die Grünen) Foto: Stephan Röhl / Heinrich-Böll-Stiftung / flickr.com

Im Wahlkampf machen die Grünen deutlich, wo ihre Prioritäten liegen. Je näher die Regierungsbeteiligung rückt, desto mehr nehmen sie Abstand von ihren pazifistischen und antirassistischen Positionen. Auch unter einer grünen Regierung werden Verstrickungen von Verfassungsschutz und NSU verdeckt gehalten und Waffen in Krisengebiete exportiert.

Der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, sagte während seiner Reise in die Ukraine, dass Waffen dorthin geliefert werden müssten, da sich das Land sonst zu Recht “alleingelassen” fühlen würde. Seine Kritik an der bisherigen Linie Merkels kam also diesmal von rechts: Deutschland solle Waffen an die Ukraine liefern. Und brach damit auch mit der bisherigen Ablehnung der Grünen, Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. In seinem Interview mit dem Deutschlandfunk betonte er, dass es sich nicht um einen Alleingang handle, sondern auch Baerbock vor einigen Wochen in ihrem TAZ-Interview “die Linie schon eingeschlagen hat“.

Zynisch sagte er, dass er wisse, dass diese Waffen nicht nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden können. Es gehe aber unter anderem um gepanzerte Fahrzeuge, für den Transport von Verletzten. Die Grüne Politik findet immer wieder etwas angeblich “humanes”, um den Militarismus voranzutreiben. Angeblich gehe es in der deutschen Außenpolitik um mehr Demokratie, Frauenrechte usw. Vor einer halben Ewigkeit begründete der damalige Verteidigungsminister Peter Struck mit den Worten “Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt“ die nie endende Besatzung Afghanistans. Nun kommt die Grünen-Führung und verkündet: “Die Ukraine verteidigt die Sicherheit Europas”.

Diese Sicherheit erfordert anscheinend auch die Ablehnung des Pipeline-Projekts Nord Stream 2, die Habeck im gleichen Interview erwähnt. So wird nur notdürftig von Umweltschutz-Argumenten verhüllt, dass die Grünen der deutschen Bourgeoisie einen Imperialismus versprechen, der nicht mehr von russischem Öl und Gas abhängig ist, sondern seine Interessen gegen Russland durchsetzen kann. Die Große Koalition möchte dagegen eine relative Unabhängigkeit von Russland mit einem Flüssiggas-Import aus den USA herstellen. Die Grünen setzen dagegen auf grüne Technologien. Nicht umsonst titelt Deutschlandfunk seinen Artikel: “Deutschland will unabhängig von Import-Gas aus Russland werden” Ihr Ziel ist, wie das der Großen Koalition, ein unabhängiger deutscher Imperialismus, um gegebenenfalls die Interessen der deutschen Bourgeoisie schnell und optimiert in Verhandlungen durchsetzen zu können.

Das Versprechen eines technologischen Umbaus und damit der Rettung deutscher Arbeitsplätze und der deutschen Industrie durch den Ausbau “grüner” Technologien (Punkt 93 des grünen Grundsatzprogramms) ist in aller Munde. Mit Elementen eines “Green New Deal”, also mit massiven staatlichen Investitionen in “nachhaltige” Technologien, soll die für die deutsche Wirtschaft zentrale Autoindustrie auf Elektroantriebe umgerüstet werden. Damit werden die umweltschädigenden Auswirkungen dieser Industrie ins Ausland verlagert, also zum Beispiel in die Länder, in denen die Rohstoffe für die Batterien abgebaut werden. So kann das deutsche Kapital zur Befriedung der Bevölkerung die hiesigen CO2-Emissionen senken und gleichzeitig im Ausland den globalen Klimawandel vorantreiben. Der Aufstieg eines unabhängigen deutschen Imperialismus setzt also gleichzeitig die Ausbeutung von Ressourcen und Menschen in halbkolonialen Ländern vorraus.

Den Staat gegen die Bevölkerung verteidigen

Die Schwarz-grüne Landesregierung in Hessen weigert sich, geheim gehaltene Akten zur Mordserie des faschistischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) offenzulegen. Fast 150.000 Menschen hatten eine Petition unterstützt, auch von den Angehörigen des im Jahr 2006 in Kassel vom NSU ermordeten Halit Yozgat. Warum die NSU Akten nicht veröffentlicht wurden, erklärte CDU-Innenminister Peter Beuth: die Sicherheitsbehörden sollten ihre Arbeitsweise nicht offen legen. Er fügte hinzu: „Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder Menschen gezielt zu gefährden.”

So ist die Forderung der Massen in Hessen, die NSU Akten zu öffnen, eine staatsfeindliche Forderung, weil die Sicherheitsbehörde ihre Arbeit der Bevölkerung nicht öffnen könnte. Die Grünen in Hessen stimmten im Parlament gegen die Veröffentlichung der NSU-Akten. Ein Antirassismus in Deutschland ist die Veröffentlichung der NSU-Akten der Bevölkerung, da eben die Grüne sich gegen diese Forderung stellt, zeigt sie dass sie nicht antirassistisch ist, sondern die Verteidigerin der Sicherheitsbehörden, die in diesen Ermordungen verstrickt ist.

Eine Offenlegung der Verstrickung der staatlichen Instanzen komme nicht in frage, weil ein solcher Schritt „Leib und Leben“ von Informant:innen über die rechte Szene gefährden würde. Entsprechende Stellen zu schwärzen, wie die Opposition im Parlament vorgeschlagen hat, finde die Grüne nicht überzeugend. Die staatliche Finanzierung der rechten Strukturen durch Bundesverfassungsschutz verhinderte weder den Aufstieg der AfD noch die Mordserie des NSU bisher, geschweige denn rassistische Typen wie Maaßen an der Spitze solcher Organe, die rechten Strukturen mitfinanzierten, die Taten der rechten Strukturen relativieren, überzeugen die Öffentlichkeit noch mal, was für die Behörden normal und Gesetzesnorm sein sollte, überschneidet sich nicht mit der Meinung der Öffentlichkeit. Maßen, jahrelang hinter seinem Schreibtisch die Politik der geheimen Staatsstrukturen ungestört bestimmte, fiel mit seinen öffentlichen Aussagen in Kritik. Deshalb sind die staatliche Strukturen keine Orte, um die Bewertung der NSU-Akten, sondern die Bevölkerung, wogegen sich die Grüne auf dem Weg zur Bundesregierung gestellt hat.

Die Grüne will ja gerade die Integration in diesen Staat vorantreiben, wie wir in unserem Artikel dargelegt haben, was der grüne Plan „Das Ministerium für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ bedeutet. Der Sinn ist, die Verteidigung alter und das Erkämpfen neuer Rechte außerhalb der bürgerlichen Demokratie, beziehungsweise den Klassenkampf, zu entkräften und in den bürokratischen Apparat zu integrieren, sodass jeder Kampf, – der an diesem Punkt nicht mehr als eine Kontroverse ist – „zivilisiert” innerhalb des vom bürgerlichen Staat abgesteckten Rahmens bleibt und jede noch so minimale Forderung nur durch ein langes, mühsames Waten durch den Sumpf der Institutionen durchgesetzt (und von der nächsten Regierung wieder rückgängig gemacht) werden kann, wo letztendlich der jetzige Staat gestärkt wird, ohne seinen restriktiven Apparat aufzugeben.

Die Grüne Partei hat bereits in ihrer Koalition mit Schröders SPD gezeigt, dass sie keine Schwierigkeiten haben, ihren selbst hochgehaltenen Pazifismus aufzugeben oder die Rechte der arbeitenden Menschen mit der Hartz IV- Reform anzugreifen. Nun beweist die Grüne wieder, wozu sie fähig ist und wie schnell ihre eigene Wähler:innen enttäuschen wird. Der bayerische Ministerpräsident hält es für besser in die Opposition im Parlament zu gehen, als in eine Grün-Schwarze Koalition unter Führung der Grünen einzutreten, was die Wahrscheinlichkeit einer Grün-Rot-Roten Regierung vergrößert.

Es ist bereits zu erkennen, was eine GRR-Regierung auf der Bundesebene zu bedeuten hat. Die Grüne hat angefangen nach den Regeln des bürgerlichen Staates zu spielen, so wie es jede Partei tun muss, die sich an die Spitze des bürokratischen Apparats der BRD stellen möchte. Jede tatsächliche Opposition gegen seine wirtschaftlichen Interessen und dem damit verbunden Imperialismus geht verloren, wenn man sein Spiel mitspielen möchte. Man muss sich die Möglichkeit offen halten Koalitionen nach rechts bilden zu können, baut Beziehungen zu Lobbyist:innen und erhält Spenden. Keine Partei kann verhindern, dass die Interessen des Kapitals in jede Regierungskoalition eindringen. Der Kampf gegen die Kooptierung fortschrittlicher Politik kann nicht innerhalb des Parlamentarismus geführt werden.

Deswegen schlagen wir dagegen vor, aus den Erfahrungen mit RRG-Regierungen auf der Landesebene zu lernen, die Illusionen in eine GRR-Regierung aufzugeben und eine unabhängige revolutionäre Arbeiter:innenpartei aufzubauen.

Es rettet uns kein Grün-­Rot-­Rot: Für eine unab­hängige revo­lutionäre Partei!

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