Fridays For Future: Bundesweit 300.000 gegen Kohleenergie und Klimawandel

15.03.2019, Lesezeit 5 Min.
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Heute streikten hunderttausende Schüler*innen in ganz Deutschland und in über 120 Ländern gegen die Zerstörung der Umwelt und den Raub ihrer Zukunft. Es ist der bisher wichtigste Aktionstag der Bewegung, die parallel in über 1600 Städten mobilisierte, 200 davon in Deutschland. Die größten Demonstrationen fanden in Berlin und München statt, wo jeweils Zehntausende demonstrierten.

Seit langem haben deutsche Schulen keine solche bundesweite Dynamik erlebt. Im Jahre 2009 gab es massenhafte Proteste gegen die Bologna-Reform; vor einigen Jahren begannen Berliner Schüler*innen unter dem Motto „Refugee Schul- und Unistreik“ gegen den aufkommenden Rechtsruck, Abschiebungen und Rassismus zu streiken. Im letzten Jahr gingen im Zuge der massenhaften Mobilisierungen gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz tausende Schüler*innen in München auch während der Unterrichtszeit auf die Straße. Nun ist das Gespenst des Schulstreiks im ganzen Land und international angekommen – inspiriert durch eine 16-jährige junge Frau.

Greta Thunberg, dieser Name ist in aller Munde: die Schwedin schlägt seit vergangenem Jahr weltweit Wellen, nachdem sie begann, ihre Schule gegen den Klimawandel zu bestreiken und daraufhin auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen eine Rede hielt. Thunberg ist nun sogar für den Friedensnobelpreis nominiert. Inzwischen breitete sich ihre Methode auf alle Kontinente aus und erreicht am heutigen „Global Climate Strike“ einen Höhepunkt.

Die Jugend in der ersten Reihe

In 200 Städten in Deutschland haben heute insgesamt 300.000 Menschen demonstriert: ein Zeichen dafür, dass ökologische Fragen an Relevanz gewinnen. International gingen in über 120 Ländern ebenfalls Hunderttausende auf die Straße.

Während Klimaproteste in Deutschland in den letzten Jahren – spätestens seit der Niederlage der Castor-Protestbewegung – eher isoliert blieben, stellt Fridays For Future einen Wendepunkt dar. Zuletzt hatten die „Ende-Gelände“-Proteste viele Jugendliche, vor allem Studierende, politisiert. Die harte Polizeirepression, die eine Person im Hambacher Forst das Leben kostete, war die Reaktion eines deutschen Staates, der für das Problem der Klimakrise keine Lösung finden kann.

Die Bewegung der Schüler*innen stößt auf breite Sympathie: Tausende Wissenschaftler*innen haben sich bereits mit der Bewegung solidarisiert, genauso wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Auf dem gestrigen Warnstreik der Busfahrer*innen der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) rief die Basisgruppe ver.di aktiv zur Solidarität mit den Schüler*innen auf:

Um die drohende Klimakatastrophe noch abzuwenden, müssen wir den Ausstoß von CO2 schnell und radikal senken. Das beste Mittel dafür: Möglichst viele Menschen müssen von PKWs auf Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen umsteigen. Doch das wird kaum gelingen, wenn die Züge wegen Personalmangels ständig ausfallen.
Wir würden auch weitergehen: Wir müssen den Nahverkehr deutlich ausbauen, und viel mehr Personal einstellen. Dafür braucht es auch ordentliche Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Wir brauchen einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, finanziert durch die Besteuerung der Banken und Konzerne.

Auch viele Lehrer*innen unterstützen die Bewegung, viele demonstrieren zusammen mit ihren Klassen. Dennoch gab es Einschüchterungen seitens Schulleitungen, an mehreren Orten wurden Verweise an Streikende verteilt. Die Jugendlichen ließen sich dennoch nicht einschüchtern; so kam es beispielsweise in Berlin dazu, dass 30.000 demonstrierten – anstatt der vorhergesagten 5000.

Den Schüler*innen geht es um ein Ende des Klimawandels: eine einfache Forderung, die jedoch die Frage aufwirft, wie sie zu erreichen ist. Verschiedene Positionen kamen auf den Demonstrationen auf häufig mit großer Kreativität selbst gebastelten Schildern und diversen Sprechchören zum Ausdruck. Während einige die Frage des individuellen Konsums aufwarfen und etwa zu weniger Plastikverbrauch rieten, war eine weit verbreitete Forderung die des Ausstiegs aus der Kohleverstromung. „Hopp hopp hopp – Kohlestopp!“ tönte es in ganz Deutschland. Eine einfache, aber klare Forderung, die von den Regierungsparteien nicht erfüllt wird. Daher riefen viele Demonstrierende zu einem Wandel in der Politik auf.

Capitalism will never be green

In München demonstrierten mindestens 10.000 Schüler*innen. Viele forderten im Antikapitalistischen Block einen Systemwandel. Die Zerstörung der Natur ist nur aufzuhalten, wenn das System überwunden wird, das sie ausbeutet: der Kapitalismus. Deswegen demonstrierten Schüler*innen der Marxistischen Jugend München zusammen mit der sozialistischen Frauengruppe Brot und Rosen, der Gruppe Refugee Struggle for Freedom, der Schüler*innengruppe Druck! und der Linksjugend solid‘. In ihrem Aufruf schreiben sie:

Der Kampf für das Klima muss zwangsläufig auch ein Kampf gegen den Kapitalismus sein. Egal, wie grün sich manche Konzerne geben und egal, wie schön die Versprechen von Parteien wie den Grünen sind: Eine auf dem Streben nach Profit basierte Wirtschaftsordnung kann keine echte Rücksicht auf Ökologie und unsere Lebensbedingungen nehmen!

Hierzu ist es nötig, dass die Kämpfe der Arbeiter*innen, Jugendlichen und Frauen zusammengeführt werden. Um der Bewegung mehr Schlagkraft zu geben, müssen die Gewerkschaften über die Solidaritätsbekundungen hinausgehen und zu tatsächlichen Streiks aufrufen.

Die kapitalistischen Regierungen versuchen, die Kosten der Krise und die Folgen der Umweltkatastrophe auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen und propagieren einen grünen Kapitalismus. Jedoch ist dieses System grundlegend auf die Profite einer Minderheit, der Kapitalist*innen, orientiert, die kein materielles Interesse daran haben, die Produktion anders zu organisieren. Nur eine demokratische Kontrolle der gesamten volkswirtschaftlichen Produktion durch die Bevölkerung und die Verstaatlichung der großen Energie- und Industriekonzerne kann die Klimakatastrophe beenden. Um unseren Planeten zu retten, müssen wir den Kapitalismus überwinden.

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