Drittes Entlastungspaket der Ampel – Nicht mal Schadens­begrenzung

04.09.2022, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Sergey Neanderthalec / Shutterstock.com

Die ganze Nacht berieten die Regierungsparteien über das dritte Entlastungspaket. Das Paket ist der Versuch der Regierung den "heißen Herbst" abzukühlen. Diese Maßnahmen werden dafür nicht ausreichen.

Nun ist es raus. Mit Spannung wurde das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung erwartet. Am Sonntagmorgen traten Kanzler Scholz und weitere Regierungsvertreter:innen in einer Pressekonferenz vor die Kameras, um die Ergebnisse ihrer stundenlangen Verhandlungen zu präsentieren. Das Resultat wird dem tagelangen medialen Trommelwirbel nicht gerecht. Das Gesamtvolumen des Pakets, immerhin beachtliche 65 Milliarden Euro, hört sich zwar erstmal beeindruckend an. Die beschlossenen Maßnahmen sind am Ende aber nicht mehr als ein halbgarer Kompromiss der Koalitionsparteien, die weit hinter dem liegen, was die Menschen jetzt tatsächlich benötigen würden, um mit finanzieller Sicherheit durch die nächsten Monate zu kommen.

Aber schauen wir uns das Paket einmal im Detail an. Groß angekündigt wurde der Anspruch, mit den Entlastungen vor allem auch den Gruppen etwas anzubieten, die von den wenigen bisher beschlossenen Maßnahmen noch kaum profitieren können. Rentner:innen und Studierenden soll deswegen mit einer Einmalzahlung von 300 Euro, respektive 200 Euro (für Studis) geholfen werden. Wohngeldberechtigte sollen ebenfalls einen einmaligen Heizkostenzuschuss in Höhe von 415 Euro erhalten. Auch wenn wir in einer Situation sind, wo jeder einzelne Euro mehr auf dem Konto wichtig ist, lindert diese Form der Einmalzahlungen kaum die missliche Lage, in denen sich vor allem Rentner:innen, Studierende und Auszubildende jetzt schon befinden. In den letzten Paketen komplett vergessen, werden die Einmalzahlungen einfach direkt von den immensen Kosten der letzten Monate verschluckt werden. Eine Perspektive für den Herbst und Winter wird hier nicht geboten.

Lange wurde außerdem über die Zukunft des 9-Euro-Tickets gesprochen, jetzt verkündet die Ampel, dass ein bundesweites Nahverkehrsticket zwischen 49 Euro und 69 Euro auf den Weg gebracht wird, an dessen Finanzierung sich die Länder auch beteiligen sollen. Während das 9-Euro-Ticket durch die Möglichkeit der bundesweiten Nutzung des Regionalverkehrs und des Nahverkehrs tatsächlich die Mobilität für Millionen von Menschen, besonders von ärmeren Teilen der Bevölkerung, massiv erhöhen konnte, ist die Perspektive auf eine leicht vergünstigte bundesweite Monatskarte wirklich kein ernstzunehmender Ersatz und wird daher auch kaum eine Entlastung im Alltag der Menschen bedeuten. Auch die Erhöhung des Kindergelds um 18 Euro im Monat ist nicht mehr als ein Witz, alleine die gestiegenen Preise für zum Beispiel Schulmaterialien oder Essen schlucken diese Erhöhung bei weitem. Zudem taucht die Transformation von Hartz-IV in das sogenannte Bürgergeld, welches mit einer Erhöhung um ungefähr 50 Euro einhergehen wird, in dem Entlastungspaket auf, obwohl diese Maßnahme schon seit Monaten ganz unabhängig von den Kostenexplosionen angekündigt wurde und hier lediglich die Funktion erfüllen soll, das ganze Paket noch um eine lauwarme Maßnahme mehr zu erweitern.

Die im Vorfeld mit größter Spannung erwarteten Themengebiete waren die Frage, ob es einen Deckel für Strom- und Gaspreise geben wird und ob die Ampel sich dazu durchringen kann eine Übergewinnsteuer für Unternehmen einzuführen, um die immensen Kosten der sozialen Krise abzufedern. Genau bei diesen Punkten bleibt die Regierung am schwammigsten. Sie kündigt tatsächlich eine Strompreisbremse an, nach welcher ein gewisser Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis bezogen werden könne. Es ist aber weder klar, wie hoch die Vergünstigung ausfallen wird, noch wie hoch der Basisverbrauch angesetzt wird, und sowieso müsste jeder über diesen Betrag hinaus verbrauchte Strom zum „normalen“, also extrem teuren Preis bezahlt werden. Wie gut Kostenbremsen der Ampelregierung funktionieren, zeigt sich ja schon bei den Mieten. Weit weg davon einen tatsächlichen Deckel für Stromkosten darzustellen, fehlt ein weiterer Problembereich komplett: Das Gas. Von einer Begrenzung der Kosten für Gas und Heizen war heute nichts zu vernehmen, und auch die unsägliche Gasumlage, mit der die Menschen große Gaskonzerne „stützen“ sollen, während diese sich an Krieg und Krise bereichern, bleibt weiter bestehen.

Die sogenannte Übergewinnsteuer wurde (wahrscheinlich damit Christian Lindner nicht der Kopf platzt) so umgetauft, dass nun „Zufallsgewinne“ bei Energieunternehmen abgeschöpft werden sollen. Diese Maßnahme könnte im gesamten Paket das fortschrittlichste Element darstellen, weswegen sie natürlich so unklar wie möglich gehalten ist. Was genau die Abschöpfung von Zufallsgewinnen bedeutet, wen und ab wann das treffen könnte, ist nicht klar. Grünen-Chef Omid Nouripour schränkte alle Hoffnungen darauf, dass die Krisengewinner auch bald zur Kasse gebeten werden schnell ein, es soll nämlich zunächst eine europäische Lösung gefunden werden: „Wir versuchen es erst auf der europäischen Ebene und wenn das nicht funktioniert, auf der nationalen“.

Ob und wie Konzerne also endlich an den Kosten zur Bewältigung der Krise beteiligt werden, ist weiter unklar. Was aber klar ist: Die Schuldenbremse soll bestehen bleiben. In der Konsequenz heißt das, dass die 65 Milliarden Euro durch Kürzungen in anderen Bereichen gewonnen werden müssen. Nachdem die Bundeswehr schon 100 Milliarden Euro bekommen hat, werden wir in den kommenden Monaten mit Sicherheit weitere Kürzungen beim Klimaschutz, der Bildung, der Pflege und weiteren wichtigen Bereichen erleben.

Das dritte Entlastungspaket hält nicht, was es verspricht. Sicherlich werden die Einmalzahlungen und auch das neue Nahverkehrsticket in den Geldbeuteln der Leute ankommen, aber die höheren Preise werden damit nicht gedeckt. Die Ampel nimmt weiter systematisch die großen Konzerne aus der Schusslinie und weigert sich, einen Riegel vor die systematische Verwertung von Krieg und Krise zu schieben, die wir mit den Rekordgewinnen bei Energie-, Öl- und Rüstungsunternehmen beobachten können. Das Warten auf Entlastungspakete lohnt sich offensichtlich nicht. Wir brauchen jetzt massive Proteste auf den Straßen und in den Betrieben, die sich dafür einsetzen, die Entlastung, die wir brauchen, selbst zu erkämpfen. Die Gewerkschaften und auch die LINKE müssen solche Proteste und Streiks unterstützen. Bereits am Montag gibt es in Leipzig und Berlin Demonstrationen, an denen auch wir als KGK teilnehmen werden. Lasst uns der Ampel zeigen, dass sie es mit ihren lauwarmen Paketen nicht schafft, den „heißen Herbst“ zu verhindern. Entlastung erkämpfen!

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